Wawrinka: "Ich bin kein Superstar"

Florian Regelmann
14. Januar 201512:16
Stan Wawrinka hat in seiner Karriere bislang 8 Titel gewonnen  getty
Werbung

Stan Wawrinka tritt zum ersten Mal in seiner Karriere bei einem Grand-Slam-Turnier als Titelverteidiger an. Vor dem Start der Australian Open in Melbourne (täglich im LIVE-TICKER) spricht der 29-jährige Schweizer über sein neues Leben als Grand-Slam-Champion, besondere Momente mit Roger Federer, sein Samuel-Beckett-Tattoo, zerstörte Schläger und seine Kindheit auf dem Bauernhof.

SPOX: Wer an Stan Wawrinka denkt, denkt sofort an seine traumhafte Rückhand. Viele Leute sind verliebt in Ihre Rückhand, Sie eigentlich auch?

Stan Wawrinka: (lacht) Klar, ich mag meine Rückhand natürlich auch ganz gerne. Sie ist eine meiner besten Schläge. Es ist ein sehr natürlicher Schlag für mich, mit dem ich extrem viel Power erzeugen kann. Ich mag es, besonders mit der Rückhand ganz aggressiv zu werden. Entscheidend ist es immer, dass die Beinarbeit stimmt und ich die Rückhand so gut vorbereite. Wenn ich gut zu ihr stehe, dann passt sie meistens auch. Wenn John McEnroe sagt, dass ich für ihn die beste einhändige Rückhand auf der Tour habe, freut und ehrt es einen.

Australien Open: Wawrinka an vier gesetzt

SPOX: Jetzt kehren Sie an den Ort Ihres größten Erfolgs zurück. Wenn Sie an das Finale gegen Rafael Nadal zurückdenken, mit welcher Einstellung sind Sie da reingegangen? Nochmal zur Erinnerung: Ihre Bilanz gegen Rafa war davor jetzt nicht so richtig gut...

Wawrinka: (lacht) Das stimmt, wenn man gegen jemanden noch nie einen Satz gewonnen hat, kann man wohl davon sprechen, dass die Bilanz nicht so toll ist. Aber ich sag Ihnen was: Ein Finale ist einfach immer ein ganz anderes Match. Gegen Rafa war ich der große Underdog, ich hatte nichts zu verlieren. Ich wusste, dass ich mein bestes Tennis auspacken muss, dass ich explosiv sein muss und das Spiel diktieren muss, wenn ich gewinnen will. Dass ich das dann tatsächlich geschafft habe und gegen Rafa meinen ersten Grand-Slam-Titel geholt habe, war für mich eine unglaubliche Leistung. Rafa ist so ein irrer Fighter, gegen ihn musst du immer alles aus dir herausholen. Gerade ihn zu schlagen, war deshalb etwas ganz Besonderes.

SPOX: Wie hat sich Ihr Leben durch den Triumph bei den Australian Open verändert? Der Titel hat Sie zum Superstar gemacht.

Wawrinka: Ich bin kein Superstar.

SPOX: Doch. Sie sind ein Grand-Slam-Champion, die Nummer 4 der Welt.

Wawrinka: Ich sehe mich aber selbst nicht als Superstar. Es ist aber richtig, dass sich nach dem Sieg in Melbourne viele Dinge verändert haben. Ich werde viel mehr beachtet und bekomme viel mehr Aufmerksamkeit, sowohl von den Fans als auch von den Medien. Ich musste wirklich lernen, auch mal nein zu sagen. Ich bin sehr glücklich mit der Situation, in der ich mich befinde, aber ich muss mich in erster Linie auf mein Tennis fokussieren. Ich muss genügend Zeit zum Training haben, auch für meine Familie und zum Relaxen. Schön ist es natürlich auch, wenn man durch so einen Erfolg noch interessanter für Sponsoren wird. Mein Manager Lawrence Frankopan hat einen super Job gemacht und einige Deals für mich an Land gezogen, ich bin stolz, so viele tolle Partner zu haben.

SPOX: Der Australian-Open-Titel Anfang des Jahres, der Davis-Cup-Erfolg Ende des Jahres. Das Jahr 2014 hätte für Sie kaum besser verlaufen können. Wie sehr hat Ihnen der Grand-Slam-Sieg auch auf dem Weg zum Davis Cup geholfen?

Wawrinka: Sehr viel. Ich habe in diesem Jahr so viele wichtige Matches gespielt. Ich habe dadurch gelernt, meine Emotionen und die Nervosität zu kontrollieren. Jeder kann sich vorstellen, wie speziell dieser Sieg für Roger und mich war.

SPOX: Sie haben eine besondere Beziehung zu Roger. Sie haben nicht nur jetzt den Davis Cup gemeinsam in die Schweiz geholt, sie haben auch in Peking gemeinsam Olympia-Gold im Doppel gewonnen. Was schießt Ihnen in den Kopf, wenn Sie an den Matchball gegen Aspelin/Johansson denken?

Wawrinka: Diese Olympischen Spiele waren so eine großartige Erfahrung. Ich habe sie so genossen. Roger und ich haben viel Zeit miteinander verbracht und hatten so viel Spaß. Ich hab den Matchball noch genau vor mir, wie wir auf dem Platz gefeiert haben. Was für ein unglaublicher Moment! Wir haben es ja nicht so oft, dass wir Erfolge als Team feiern können. Diesen Moment mit Roger zu teilen, war fantastisch.

SPOX: Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Roger beschreiben?

Wawrinka: Auf der einen Seite ist Roger für mich der größte Spieler aller Zeiten. Es ist Wahnsinn, was er alles in seiner Karriere erreicht hat und was er immer noch erreicht. Er ist so ein großartiger Botschafter für die Sportart Tennis. Und auf der anderen Seite ist er auch ein großartiger Freund. Als ich auf die Tour kam, war er schon einige Jahre dabei. Er hat mir immer geholfen und Tipps gegeben. Wir vertrauen uns und haben wirklich ein tolles Verhältnis. Durch den Davis Cup hatten wir im letzten Jahr die Chance, noch mehr Zeit miteinander zu verbringen.

Seite 1: Wawrinka über seine Rückhand, sein Leben als Champ und Roger Federer

Seite 2: Wawrinka über zerstörte Racquets, sein Beckett-Tattoo und Traktor fahren

SPOX: Einen großen Anteil an Ihrem Erfolg hat sicher auch Ihr Coach Magnus Norman. Gerade im mentalen Bereich haben Sie sich enorm verbessert. Was macht er mit Ihnen?

Wawrinka: Wir reden einfach sehr viel. Das ist das Wichtigste. Wir reden viel, auch über viele Sachen abseits des Tenniscourts. Ich mag die Art und Weise, wie er an Dinge rangeht. Er ist ein sehr ruhiger Typ, ein großartiger Zuhörer und er war natürlich selbst ein toller Spieler. Er weiß, wie es sich anfühlt, wenn man auf einen vollen Centre Court läuft, oder wenn man ein Grand-Slam-Finale spielt.

SPOX: Was viele nicht wissen: Ihr Vater Wolfram ist Deutscher. Steckt eigentlich noch irgendwas Deutsches in Ihnen?

Wawrinka: (lacht) Ich muss Sie enttäuschen, aber ich bin zu hundert Prozent ein stolzer Schweizer. Mein Vater spricht natürlich perfekt Deutsch, aber ich leider nicht. Ich verstehe einige Sachen, aber da muss ich mich schon richtig konzentrieren. SPOX

SPOX: Sie sind mit Ihrer Familie auf einem Bauernhof aufgewachsen. Hört sich nach einem sehr behüteten Elternhaus an?

Wawrinka: Ja, ich hatte wirklich eine tolle Kindheit. Ständig draußen zu sein, die Nähe zu den Tieren, ich fand das klasse. Oder wenn ich mit meinem Vater mit dem Traktor rausgefahren bin, das hat auch immer großen Spaß gemacht.

SPOX: Als Sie dann 15 Jahre alt waren, haben Sie die reguläre Schule verlassen, um sich voll auf die Tennis-Karriere zu konzentrieren. Wie schwer war diese Entscheidung, gerade für einen schüchternen Jungen?

Wawrinka: Wenn du so eine Entscheidung triffst, ist es nie leicht. Aber meine Eltern standen hinter der Entscheidung. Wenn wir jetzt zurückschauen, kann man wohl sagen, dass es die richtige war. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt, dass ich Tennis spielen will und sonst nichts anderes. Es ist wahr, dass ich ein schüchterner Typ bin und auf den ersten Blick etwas ruhiger. Aber Leute, die mich gut kennen, wissen, dass ich auch eine andere, extrovertierte Seite habe.

Die dürre Rakete: Australiens Legende Rod Laver im Porträt

SPOX: Auf dem Platz sieht man ja auch viele Emotionen bei Ihnen. Da muss man nur an das US-Open-Halbfinale 2013 gegen Novak Djokovic denken, bei dem Sie Ihr Racquet ordentlich zerstört haben. Das muss halt manchmal sein, richtig?

Wawrinka: Also ich versuche ja schon, keine Racquets zu zerstören. Ich habe super Schläger und ich weiß, wie viel Arbeit in der Produktion steckt. Aber was soll man machen? Manchmal passiert es eben doch. Ich kann mich mitten in einem Match nicht immer kontrollieren.

SPOX: Als Marcos Baghdatis seinen berühmten Ausbruch in Melbourne hatte, waren Sie nahe dran. Sie waren sein Gegner in dem Match.

Wawrinka: Richtig. Als Marcos da so durchgedreht ist und seine Schläger kaputt gemacht hat, musste ich erstmal versuchen, den Fokus zu behalten. Ich habe danach dann auch das Video gesehen. Ich muss zugeben, dass das schon echt lustig war. (lacht)

SPOX: Sie sind jemand, der sich auch sehr viel von berühmten Zitaten inspirieren lässt. Wenn wir über Ihr Tattoo und den Spruch von Samuel Beckett "Ever tried. Ever failed. No matter. Try Again. Fail again. Fail better" reden, was gefällt Ihnen gerade daran so gut?

Wawrinka: Ich habe mir das Tattoo machen lassen, weil es so ein bisschen widerspiegelt, wie ich mein Leben sehe, und vor allem mein Tennisleben. Als Tennisspieler musst du dich daran gewöhnen, jede Woche zu verlieren. Wenn du das Turnier nicht gewinnst, gehst du jede Woche als Verlierer nach Hause. Aber dann kommt es darauf an, dass du das Positive aus den Niederlagen ziehst und dich dadurch verbesserst. Jede Niederlage macht dich besser.

SPOX: Sie retweeten relative oft solche Sprüche, die zur Motivation dienen. Zum Beispiel: "Zwei Dinge definieren dich: Die Geduld, wenn du nichts hast und die Einstellung, wenn du alles hast." Oder: "Sei nie ängstlich, etwas Neues zu probieren." Was passt denn am besten zu Ihnen?

Wawrinka: Das ist eine sehr gute Frage. Mir gefällt Beckett wie gesagt sehr gut, weil es zu meinem Sportlerleben passt. Außerdem bin ich auch jemand, der es mag, neue Sachen auszuprobieren. Ich liebe es zum Beispiel, an exotische Plätze zu reisen und überall das einheimische Essen zu probieren.

SPOX: Wir haben vorhin darüber gesprochen, dass es für Sie immer klar war, dass Sie Tennisspieler werden wollen. Sie sind auch ein großer Eishockey-Fan. Wenn es mit dem Tennis nicht geklappt hätte, würden wir Sie dann jetzt in der NHL sehen?

Wawrinka: Das glaube ich nicht. Ehrlich gesagt bin ich kein sonderlich guter Schlittschuhläufer, das würde nicht reichen. Wenn ich kein Tennisspieler wäre, wäre ich gerne Koch und würde gerne ein eigenes Restaurant führen. Kochen ist eine Leidenschaft von mir. Aber es stimmt, ich bin ein ganz großer Eishockey-Fan. Im vergangenen Jahr habe ich in L.A. die Kings mal live gesehen, das war super. Mein Verein ist aber der HC Lausanne. Als wir in die erste Liga aufgestiegen sind, war das mein schönstes Eishockey-Erlebnis überhaupt. Jeder war so glücklich. Wir haben im ersten Jahr dann auch sofort die Playoffs erreicht und in dieser Saison sieht es auch wieder ganz gut aus. Ich verfolge alle Lausanne-Spiele, egal wo ich gerade bin.

Seite 1: Wawrinka über seine Rückhand, sein Leben als Champ und Roger Federer

Seite 2: Wawrinka über zerstörte Racquets, sein Beckett-Tattoo und Traktor fahren

ATP-Tour: Kalender, Ergebnisse, Weltrangliste