Nick Heidfeld war bei Sebastian Vettels Formel-1-Debüt 2007 in Indianapolis sein erster Teamkollege. Vor dem WM-Finale in Brasilien spricht "Quick Nick" mit SPOX-Redakteur Alexander Maack und mySPOX-User Manül über den WM-Kampf zwischen Sebastian Vettel und Fernando Alonso. Im Mittelpunkt: Die Fahrer, die Teams, Zuverlässigkeit und das Wetter.
These: Das fahrerische Können macht den Unterschied
Nick Heidfeld: Ich denke, beide hätten ganz klar den Titel verdient. Ich finde auch, dass beide die beste Saison ihrer Karriere fahren, was schon eine unglaubliche Leistung ist, zumal sie jeweils schon zwei Mal Weltmeister geworden sind. Auch wenn es in Deutschland vielleicht nicht so gerne gehört wird: Mehr beeindruckt hat mich die Saison vom Fernando. Da muss ich ehrlich sagen: Seitdem ich die Formel 1 beobachte und in der Formel 1 bin, habe ich noch nie jemanden so eine Saison fahren sehen. Komplett fehlerfrei und immer das Maximum rausgeholt.
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Alexander Maack: Das gilt aber eigentlich auch für Sebastian Vettel. Okay, er hatte während der ersten Saisonhälfte einige Schnitzer. Er hat Jenson Button in Hockenheim neben der Strecke überholt, er wurde in Spanien wegen des geöffneten DRS bei gelber Flagge bestraft und in Malaysia kollidierte er beim Überrunden mit Karthikeyan. Dennoch denke ich, dass seine Leistung auf einer Stufe mit der von Alonso anzusiedeln ist, vorallem im zweiten Halbjahr war seine Konstanz auf höchstem Niveau beeindruckend. Was wir nicht vergessen sollten: Auch Red Bull hatte zu Saisonbeginn Probleme. Das Verbot des Doppeldiffusors hat das Team mehr getroffen als die Konkurrenz. Für Vettel war das ungewohnt, weil er 2011 einfach drückend überlegen war.
GettyHeidfeld: Ja, man muss ganz klar sagen, dass der Sebastian eine fantastische Saison fährt; und man muss bedenken, dass Fernando ab und zu ein bisschen übertreibt, indem er sich in den Vordergrund schiebt und das Auto ein bisschen arg schlecht darstellt. So schlecht, wie er tut, kann es gar nicht sein. Gerade am Anfang der Saison war Ferrari aber hintendran. Aber: Wenn irgendwo eine Chance war, einen Platz zu holen, hat er das auch gemacht. Fernando hat Dinge geschafft, wo man gedacht hat, dass das mit dem Auto nicht möglich ist.
mySPOX-User Manül: Das sehe ich ähnlich wie Nick, kann mich da einer gewissen Subjektivität aber nicht entziehen. Ich bin seit Alonsos Formel-3000-Auftritt in Spa 2000 fasziniert von ihm. Seine Rennintelligenz, seine Kaltschnäuzigkeit auf der Strecke, sein Killerinstinkt, seine Zielstrebigkeit und sein Wille sind unglaublich! Spätestens bei seiner ersten Pole in Kuala Lumpur gleich im zweiten Rennen für Renault 2003 hat er damals auch dem Formel-1-Zirkus seinen wahnsinnigen Speed bewiesen. Sein erster Sieg im gleichen Jahr war für mich einer der schönsten Formel 1-Momente. Er ist für mich ohne Zweifel der kompletteste Fahrer im Feld.
Maack: Mich erinnert der aktuelle Zweikampf irgendwie an die Saison 1994. Der Kampf damals: Damon Hill gegen Michael Schumacher. Der Brite hatte im Williams das klar bessere Auto. Schumachers Benetton hatte zwar den gleichen Motor, konnte aber bei der Aerodynamik nicht mithalten. Hill war sicher kein ganz schlechter Fahrer, durch die drückende Überlegenheit seines von Adrian Newey entwickelten Autos, war der Triumph von Schumacher daher umso beeindruckender.
Manül: ... oder aber der von Alonso 2005! (lacht) Ohne Zweifel wäre der Titel für ihn unfassbar. Alonso sitzt im vermeintlich langsameren Auto, aber angesichts des angekündigten Niederschlags am Rennsonntag in Kombination mit seiner Rennintelligenz und seinem Instinkt sehe ich seine Chancen zumindest größer, als bei einem trockenen Rennen. Ich würde sagen, die Chancen stehen 70:30 für Vettel, da er vor Alonso starten wird.
Heidfeld: Ich würde auch sagen, dass Fernando näher an seinem persönlichen Limit ist als Sebastian, der immer noch Erfahrungen sammelt und dabei ist besser zu werden - obwohl er schon eine hohe Performance an den Tag legt und ein viel besserer Fahrer ist, als nach seinem ersten Titel.
These: Die Psyche entscheidet die WM
Manül: Ich sehe Alonso in diesem Punkt leicht im Vorteil, andererseits hat Vettel oft genug bewiesen, dass er selbst größtem Druck standhalten kann. Er muss es einfach schaffen, sein Punktepolster in Selbstbewusstsein zu verwandeln und konzentriert zur Sache gehen. Sobald jedoch sein Red Bull auch nur etwas muckt oder ihm ein Fahrfehler unterläuft, ist die Nervösität sofort da. Auf diese Situation muss Alonso warten und bis dahin den Druck auf Vettel so groß wie möglich halten.
Maack: Wenn wir über psychischen Druck reden, dann dürfte die Ausgangslage eindeutig sein. Alonso hat nichts zu verlieren. Auf der anderen Seite hat er selbst aber auch immensen Druck. Er weiß, dass er eigentlich gewinnen muss, solange Vettel nicht komplett ausfällt. Zudem ist die Konkurrenzsituation für ihn größer. Der McLaren ist schneller als Ferrari. Auch Lotus hat das Potenzial vor der Scuderia zu liegen. Und wer weiß - vielleicht überrascht wieder ein Fahrer der Mittelklasse-Teams. Immerhin kann Alonso auf seine Erfahrung setzen. Er kennt jede Situation in der Formel 1. Er ist beim Hinterbänkler-Team Minardi gefahren, Renault war auch nicht immer ein Top-Auto. Er weiß in jedem Moment, wie er sich verhalten muss.
Manül: Zumindest kann ich in den letzten Jahren immer eine Verbesserung von Jahr zu Jahr bei ihm erkennen. Er arbeitet an sich selbst, lernt aus seinen Fehlern, sein Streben nach dem maximal Möglichen ist nicht zu bändigen. Hinzu kommt, dass er über die Jahre gelernt hat, ein Team hinter sich zu vereinen und den bestmöglichen Nutzen daraus zu ziehen. In den WM-Entscheidungen der letzten Jahre machte er zudem einen immer abgeklärteren Eindruck. Er strahlt Souveränität und Unverwundbarkeit aus, was ich ebenfalls auf seine verlorenen Endkämpfe zurückführe. Seine Erfahrung spielt insofern eine beachtliche Rolle, ja.
Heidfeld: Das stimmt schon. Die Erfahrung ist ein kleiner Vorteil für Fernando. Größer ist aber der Vorteil, dass er nichts zu verlieren hat. Ferrari kann einfacher irgendetwas versuchen. Wenn Fernando dann nicht den Titel gewinnt, ist das Okay. Das kann auch keiner erwarten. Wenn sie es aber schaffen, sind sie die großen Helden. Bei Sebastian ist das natürlich genau anders herum. Aus psychologischer Sicht ist es für Fernando also einfacher.
These: Die Erinnerung ans WM-Finale 2010 wird für Vettel zur Belastung
Heidfeld: Eins ist klar: Mit Sicherheit erinnern die sich daran. Speziell Fernando! Das war damals richtig bitter für ihn. Selbst wenn er sich nicht daran erinnern will, wird er in den nächsten Tagen oft genug darauf angesprochen. Einerseits wird er sich darüber ärgern, andererseits aber auch Hoffnungen darauf setzen, dass es nochmal passiert. Er weiß: Es ist möglich.
Maack: Wobei sie sich nicht nur an Abu Dhabi 2010 erinnern werden. Die Entscheidungen im letzten Rennen bleiben für immer im Gedächtnis. Egal, ob man selbst fährt oder nur zuguckt. Hamilton gegen Massa, Schumacher gegen Villeneuve, Prost gegen Lauda oder gegen Mansell und Piquet. Das sind legendäre Ereignisse, die einfach hängen bleiben. Egal ob die Entscheidung aus einem Defekt, einem Fahrfehler oder einem Taktikfehler wie bei Ferrari 2010 herrührt.
Heidfeld: 2010 waren es sogar 15 Punkte, die Sebastian aufgeholt hat. Das zeigt, dass es immer möglich ist. Genau diese Ausgangssituation könnte für Sebastian eine kleine Schwierigkeit darstellen, weil Sebastian in einer neuen Situation ist. 2010 war er der Jäger, hat es fantastisch gemacht und geschafft. Für Red Bull und Vettel ist es kein Selbstläufer. Aber sie haben aus Ferraris damaliger Situation gelernt und angekündigt auf Sieg zu fahren.
Manül: Selbstverständlich erinnern sich alle Beide daran! Für Vettel wird es immer einer der größten Momente seines Lebens bleiben, so wie es bei Nando die größte Enttäuschung bleiben wird. Jedoch sind beide Vollprofis, die daraus ihre Lehren ziehen. Alonso scheint dieses Gefühl der Niederlage in Motivation und Ehrgeiz umgewandelt zu haben, während Vettel aus diesem Erfolg sehr viel mehr Selbstbewusstsein generiert hat. Beide hat es zu besseren Piloten gemacht.
Heidfeld: Die umgekehrte Ausgangssituation ist bezeichnend. Vettel ist jetzt das erste Mal in der Situation, wo ein vierter Platz für den Titel reicht. Es wäre also möglich, taktisch zu fahren. Das hat er bis jetzt noch nicht gehabt. Letztes Jahr hat er vorzeitig überlegen den Titel gewonnen. Wie ich ihn kenne, wird er versuchen das Maximum herauszuholen und zu gewinnen. Trotzdem ist es eine neue Situation und man hat in der Vergangenheit nicht nur bei Alonso, sondern auch bei anderen Fahrern gesehen, dass das nicht einfach ist. Das kann schnell in die Hose gehen!
Seite 2: Der Einfluss der Teams und der Kollegen Webber und Massa
Seite 3: Der bessere Fahrer bei Regen und der Einfluss der Reifen
These: Die Neuentwicklungen der Teams geben den Ausschlag
Heidfeld: In den meisten Teams wird für das letzte Rennen nichts kommen. Gerade bei so einem Backt-to-back-Rennen. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass das bei den beiden Teams anders aussieht und irgendwelche neuen Kleinigkeiten kommen. In einer Woche kann das nicht viel sein, aber sie werden mit Volldampf daran arbeiten, irgendwo einen kleinen Vorteil rauszuholen. Interessant könnte die Erfahrung sein, die Ferrari in Austin gemacht hat: Der Unterboden, den man nur bei Alonso eingesetzt hat, war vielleicht nicht der richtige Schritt. Alonso war übers Jahr immer schneller als Felipe und ohne Felipes Leistung in Austin schmälern zu wollen: Es ist gut möglich, dass das Update der Grund war, dass Alonso plötzlich langsamer war und nicht mithalten konnte.
Manül: Die Entwicklung des F2012 ging nach dem schwachen Saisonbeginn dennoch stetig vorwärts. Zugegeben, mein Erstaunen ist nach wie vor groß, dass Ferrari nun schon im dritten Jahr in Folge mit dem gleichen Problem kämpft. Die Probleme mit den Windkanaldaten sind sehr seltsam. Dass sie zuletzt nach Köln reisten, in den alten Toyota-Windkanal, ist ein klares Eingeständnis der eigenen Schwäche. Trotzdem gibt Ferrari nie auf, der Glaube und der Wille sind stets existent. Das ist ihre größte Stärke.
Maack: Mich hat es schon gewundert, wie viel schneller Massa in Austin war. Da kann nicht nur die fahrerische Komponente ausschlaggebend gewesen sein. Bei Ferrari werden Freitagnacht die Computer heißlaufen. Sämtliche Daten aus den Freien Trainings werden wie gewohnt ausgewertet werden. Allerdings glaube ich, dass Ferrari sich dieses Mal im Zweifelsfall für die älteren Teile entscheidet, von denen sie wissen, wie sie sich verhalten.
Heidfeld: Das heißt, dass Ferrari und Alonso wieder näher an Sebastian dran sein können, wenn sie auf die Experimente verzichten. Im Rennen zuvor war der Abstand nicht so dramatisch, wie in Austin. Nach den beschränkten Informationen, die ich außerhalb des Teams habe, würde es mich auch nicht wundern, wenn man wieder auf die älteren Teile zurückgeht.
Manül: Die neuen Teile bringen wohl nur Red Bull etwas, Ferraris Windkanal hat in den letzten Wochen nur neues Traktorzubehör ausgeworfen. (lacht) Scherz beiseite: Beide Teams bringen noch einen Haufen neuer Teile nach Brasilien und dies kann am Kräfteverhältnis natürlich auch für Veränderungen sorgen. Grundsätzlich sind aber beide Teams lange genug im Geschäft, um die bestmögliche Fahrzeugperformance zu erzielen. Insofern müssen beide quasi nur darauf achten keine Fehler zu machen. Das ist natürlich auch die Erwartungshaltung. Bezüglich des Entwicklungstrends zum Ende der Saison ist es zumindest etwas beruhigend, dass viele der neuen Teile auch am 2013er Boliden funktionieren sollen, weshalb die aktuellen Bemühungen zum Beginn der nächsten Saison vielleicht wenigstens kein Nachteil sein werden.
These: Die Teamkollegen sind der entscheidende Faktor
Maack: Sicherlich können sowohl Massa als auch Webber ihren Teil beitragen. Die Ausgangslage ist jedoch anders. Wenn man von der Strafversetzung von Vettel in Abu Dhabi absieht, stand Massa in der Startaufstellung letztmals in Italien vor Vettel. Davor war er im Qualifying in Monaco schneller. Webber fährt dagegen meist nur etwas schwächer als sein Teamkollege. Er könnte Alonso lange im Weg stehen.
Heidfeld: Es ist aber ganz offensichtlich, dass Felipe den Alonso deutlich mehr unterstützt oder unterstützen muss, als es bei Mark Webber der Fall ist. Gefühlt hätte der nichts dagegen, wenn Vettel die Geschichte nicht nach Hause fährt. Zumindest, wenn man sich die Kommentare der letzten Wochen anschaut. Wenn er sagt: "Wenn's regnet, dann muss er aufpassen", oder dass er sein eigenes Rennen fährt - das sieht bei Ferrari ganz anders aus. Auch wenn Red Bull die aus Fahrersicht tolle Meinung vertritt, die Piloten frei fahren zu lassen: Mark sollte sich schon von sich selbst aus zur Verfügung stellen, dem Sebastian zu helfen. Alles andere wäre unverständlich.
spoxManül: Ich kann da zustimmen. Webber ist der Erfahrenere von Beiden und hat sogar mehrfach bewiesen, dass er auf einem Level mit Vettel und sogar darüber fahren kann, wenn er sich in seinem Wagen wohl fühlt. Zudem sitzt er im Gegensatz zu Massa im etwas stärkeren Auto und wird alles geben vor Alonso zu landen. Massa hingegen befindet sich am Wochenende in einem Gefühlschaos: Es ist sein Heim-GP und er will das Publikum begeistern, aber das Team gibt ihm ganz klar den Weg vor. Auch unter nassen Bedingungen habe ich die größeren Momente von Webber in Erinnerung, weswegen er ein ganz gewichtiger Faktor für Vettels Titelverteidigung sein wird.
Heidfeld: Nichtsdestotrotz ist das eine unterschiedliche Ausgangslage bei Beiden. Bei den letzten Rennen haben wir aber gesehen, dass Sebastian auch im Rennen sowieso schneller war als Webber. Damit erübrigt sich jegliche Diskussion hoffentlich. Ich glaube nicht, dass einer der Teamkollegen ein gegnerisches Auto abräumt. Aber wenn sie einen Gegner hinter sich haben, könnte es natürlich sein, dass Felipe ihm das Leben schwerer macht als Webber. Das ist jedenfalls mein Eindruck.
Manül: Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sie den jeweiligen Kontrahenten ihres Teamkollegen abschießen werden, wie es hier und da bereits diskutiert wird. Beide sind Sportsmänner genug um sich eine solche Aktion verkneifen zu können, ganz zu schweigen vom Gesundheitsrisiko bei einem Unfall.
Maack: Dito. Beide Teams nutzen jedes Schlupfloch des Reglements aus, wie Ferrari mit dem Siegelbruch an Massas Getriebe in Austin. Aber sie bleiben innerhalb des Regelwerks. Es wird keine in dem Maße unsportlichen Aktionen geben. Teamorder ja, aber Abschussbefehl im Stil von Kampfpiloten? Nein, das schließe ich hundertprozentig aus.
These: Vettel verliert durch einen technischen Defekt die WM
Manül: Ich glaube es nicht. Natürlich sind Alonsos Konstanz und Zuverlässigkeit die Gründe, warum er überhaupt noch um den Titel kämpft. Und in der Tat hat Red Bull in diesem Jahr in Sachen Zuverlässigkeit ab und an geschwächelt, was das Nervenkostüm in Milton Keynes sicher nicht stählt, aber sie werden Sonntag keine Zuverlässigkeitsprobleme haben. Ferrari wird am Sonntag auch genauso zuverlässig weitermachen, wie im gesamten Jahr.
Heidfeld: Man tendiert dazu, vor dem letzten Rennen nur noch auf den ausstehenden Grand Prix zu schauen. Aber wenn man sich die vergangenen Rennen anschaut, könnte man sagen, dass Red Bull schon eine große Chance hatte und vielleicht am Ende den Titel durch technische Defekte weggeschmissen hat. Wir wollen es nicht hoffen! Natürlich wird man sich nicht so extrem dran erinnern, als wenn es in Sao Paulo passiert, aber die Ausfälle waren dramatisch aus Vettels Sicht. Da darf man aber auch nicht Lewis Hamilton vergessen, der gar keine Rolle mehr spielt. Aber ohne die ganzen technischen Probleme bei McLaren hätte er eine Riesenchance gehabt auch noch mit um den Titel zu kämpfen.
Maack: Von der fahrerischen Leistung Hamiltons mal abgesehen, fällt doch auf, dass beide Piloten noch nicht ausgeschieden sind, weil sie einen individuellen Fehler begangen haben. Renault hat außerdem mit einer neuen Lichtmaschine das größte Sorgnis behoben. Ich denke nicht, dass sie ein neues Teil bei Red Bull einsetzen würden, wenn sie sich nicht hundertprozentig sicher wären, dass das Teil wesentlich zuverlässiger ist. Ich hoffe einfach, dass die Fahrer die WM entscheiden und nicht die Teile. Das wäre dieser spannenden Saison und der Leistung der Beiden unwürdig.
Maack: Von der fahrerischen Leistung Hamiltons mal abgesehen, fällt doch auf, dass beide Piloten noch nicht ausgeschieden sind, weil sie einen individuellen Fehler begangen haben. Renault hat außerdem mit einer neuen Lichtmaschine die größte Besorgnis behoben. Ich denke nicht, dass sie ein neues Teil bei Red Bull einsetzen würden, wenn sie sich nicht hundertprozentig sicher wären, dass das Teil wesentlich zuverlässiger ist. Ich hoffe einfach, dass die Fahrer die WM entscheiden und nicht die Teile. Das wäre dieser spannenden Saison und der Leistung der Beiden unwürdig.
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These: Bei Regen ist Alonso nicht zu schlagen
Heidfeld: Die Leistung im Regen ist definitiv entscheidend. Wobei wir es bei den Beiden auch da mit Ausnahmetalenten zu tun haben. Sebastian hat sein erstes Rennen im Regen von Monza auf einem Toro Rosso gewonnen. Fernando hat aber dieses Jahr dominiert, wenn es geregnet hat. Er hat das Rennen in Malaysia gewonnen und war zwei Mal bei nassen Bedingungen auf Pole Position. Deswegen ist im Moment regentechnisch der Fernando im Vorteil.
Maack: Es mag etwas langweilig klingen, aber auch für mich hat Alonso bei Regen einen eindeutigen Vorteil. Seine Leistungen in diesem Jahr waren überragend, sobald es nass wurde. Vettel hat sich dagegen in Malaysia das Rennen zerstört, als er sich am Frontflügel von Narain Karthikeyan den Reifen aufschlitzte. Klar, ihn trifft daran keine Schuld. Aber ich könnte mir schon vorstellen, dass er beim Überrunden daran denken muss und kurz zögert.
Heidfeld: Fernando ist nicht nur wegen der letzten Ergebnisse und Vorfälle im Vorteil, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass im Regen alles passieren kann. Wenn es trocken sein sollte und Sebastian vom Technikdefekt der blöden Lichtmaschine verschont wird, kann man davon ausgehen, dass er unter die Top 4 fährt. Das ist ihm dieses Jahr immer gelungen, außer es gab spezielle Umstände. Das ist die große Frage, die in Brasilien immer wieder auftritt. Da kann es immer mal wieder regnen und dann wird es richtig interessant. Aber das gehört zum Rennsport dazu.
Maack: Auch wenn es zum Rennsport dazu gehört und ich nicht genau weiß, warum ich so empfinde: Ich würde es schöner finden, wenn die WM nicht durch ein Vabanque-Spiel im Regen entschieden wird.
Manül: Ganz im Gegenteil wäre es für mich die reinste Freude. Schließlich ist das WM-Finale von 2008 unter ähnlichen Bedingungen eines der großartigsten gewesen, was ich erlebt habe. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als zwei der weltbesten Piloten dabei zuzusehen zu dürfen, wie sie unter den allerschwierigsten Bedingungen am absoluten Limit um die Weltmeisterschaft kämpfen. Vettel hat im Regen von Monza Geschichte geschrieben. Schon in den Nachwuchsserien hat er immer wieder eindrucksvoll bewiesen, dass er unter solchen Bedingungen zu den allerallerbesten Fahrern gehört. Aber Alonso steht ihm hier sicherlich in nichts nach, insofern finde ich in diesem Punkt beide Piloten gleichstark. Viel interessanter finde ich die Frage: Was ändert der Regen an den derzeitigen Kräfteverhältnissen?
Maack: Auf der einen Seite ist das natürlich ein Vorteil für Ferrari, weil es etwas weniger auf das Auto als auf den Fahrer ankommt. Alonso kann deshalb durch seine eigene Leistung einige Schwächen ausgleichen. Auf der anderen Seite ist der Grip der Regenreifen noch stärker von der richtigen Temperatur abhängig, als die Trockenreifen. Und Ferrari hatte bei den geringen Temperaturen in Austin bekanntlich Probleme, die Betriebstemperatur der Pirelli-Slicks zu erreichen.
Manül: Durch den großen Einfluss der Fahrer könnten auch Rosberg und Schumacher im Mercedes für Überraschungen sorgen. Ebenso traue ich dies auch einem Hülkenberg und einem Perez zu, ganz zu schweigen von Ausnahmekönner Lewis Hamilton, der im Regen alle in Grund und Boden fahren kann. Allesamt sind sie ausgewiesene Regenspezialisten. Eben solche Piloten könnten auf den vorderen Punkterängen auftauchen und entweder entscheidender Puffer für einen der beiden Titelanwärter sein, aber auch Problemherd, zum Beispiel während eines Zweikampfes. Denn bei allem Risiko müssen beide erstmal ins Ziel kommen.
These: Die Tests der neuen Pirelli-Slicks behindern die Piloten
Heidfeld: Das stört nicht. Die beiden Teams werden sich gut überlegen, was für sie Sinn macht. Wenn ein Team seine Position in der Konstrukteurs-Wertung gesichert hat, kann man da ein bisschen mehr aufs nächste Jahr schauen. Schließlich ist das ein wichtiger Punkt. Aber bei den Teams und Fahrern, bei denen es um die WM geht, wird man sich gut überlegen, was einen Vorteil für das Brasilien-Wochenende bringt.
Manül: Ich bin da etwas anderer Meinung. Es sorgt sicherlich für ein bisschen Unruhe. Die Vorbereitungen auf das nächste Jahr laufen schon längst auf Hochtouren, weshalb die Teams die gesammelten Daten sicherlich dankend annehmen. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass sich die beiden WM-Anwärter im Speziellen am Freitag etwas zurück nehmen und sich voll auf Samstag und Sonntag konzentrieren.
Maack: Zuerst müssen wir mal abwarten, wie das Wetter am Freitag ist. Wenn es regnet hat sich die Testerei sowieso erübrigt. Wenn es aber trocken bleibt, könnte ich mir vorstellen, dass Vettel und Alonso weitgehend aus dem Programm herausgenommen werden. Vielleicht drehen sie ein paar Runden auf den Slicks, aber sie werden ganz schnell wieder auf die 2012er Mischungen wechseln, um das Set-up zu optimieren.
These: Ferrari hat wieder Probleme mit der Reifentemperatur
Maack: In Austin hatte Ferrari Probleme, die beiden härtesten Mischungen aus dem Pirelli-Sortiment zum Arbeiten zu bekommen. In Interlagos glaube ich daran nicht. Es hängt viel von der Umgebungstemperatur ab und die dürfte in Brasilien, wo derzeit ja Sommer ist, höher sein als im texanischen Winter. Trotzdem bleibt festzuhalten, dass Ferrari sich in dieser Saison mit den weichen Mischungen leichter getan hat, als mit den harten. Die Auswahl spielt Alonso sicher nicht in die Karten.
Heidfeld: Ich stimme zu. Die Reifen sind zwar gleich, aber natürlich kommt es ganz stark darauf an, wie die Strecke und die äußeren Bedingungen sind. Ich würde den Vorteil dennoch bei Red Bull sehen. Sie hatten in den letzten Rennen das stärkere Auto, speziell in der Quali. Im Rennen kann Ferrari meistens zulegen, aber Red Bull schafft es unter fast allen Bedingungen, die Reifen zum Arbeiten zu bringen. Ferrari ist da mehr darauf angewiesen, dass alles zum Auto passt.
Manül: Ich glaube, die Reifen werden nicht so entscheidend sein, wie bei dem ein oder anderen Rennen dieses Jahr. Im Qualifying erwarte ich einen engen Kampf um die Pole zwischen McLaren und Red Bull. Beide Teams haben bewiesen, dass sie die beiden härtesten Reifenmischungen auf eine Runde am besten zum Arbeiten bekommen. Für Nando wäre Platz fünf in der Quali ein realistisches Ziel, ich denke irgendwo zwischen fünf und acht wird er starten. Für Sonntag ist hingegen Niederschlag angekündigt, was die Karten neu mischt. Seb und Nando haben dieses Jahr beide bereits eindrucksvolle Leistungen auf den Wets und den Inters gezeigt, für Sonntag sind die Chancen also ausgeglichen.
Tippspiel: Wer wird Weltmeister?
Heidfeld: Wie es faktisch aussieht, haben wir relativ ausführlich erörtert. Ich würde eher nach meinem Bauchgefühl gehen. Und das sagt mir: Alonso schafft's. Ich wünsche es Sebastian. Ich hoffe, dass er es schafft. Aber ich habe irgendwie das Gefühl, dass es Alonso packt.
Maack: Mit dem Bauchgefühl tut sich der Journalist gerne mal schwer. Die bessere Ausgangslage spricht für Vettel. Er hat 13 Punkte Vorsprung, er hat das bessere Auto, er hat den besseren Teamkollegen. Wenn man die Ausfälle und die Tankpanne in Abu Dhabi in die Rechnung einbezieht, wäre der Verlust des Titels fast schon ein Debakel, da der Red Bull gerade in der zweiten Saisonhälfte das deutlich bessere Auto war. Ich glaube aber daran, dass Renault das Problem jetzt gebannt hat. Mein Tipp ist Vettel.
Manül: Nach wie vor schlägt mein Herz am Wochenende für Nando. Ich hoffe auf ihn, ich wünsche es ihm. Wenn er es schafft, dann mit einem Regenkrimi oder durch einen Vettel-Ausfall. Aber ich befürchte dennoch, dass Sebastian abgeklärt genug ist und den Titel unter Dach und Fach bringt. Verliert er den Titel, würde ich es nicht gerade als "Debakel" bezeichnen, aber er würde sicher sehr enttäuscht sein, da er speziell nach der Sommerpause das beste Gesamtpaket hatte. Angesichts der Ausgangslage vor dem Saisonfinale könnte es nur dann zu einem Debakel werden, wenn der Titel durch einen Defekt oder einen Fahrfehler verloren wird, also durch Eigenverschulden. Deshalb mein Tipp: Vettel.
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Der Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM