"Bin froh, dass Klinsmann keinen Erfolg hatte"

Von Interview: Jochen Tittmar
Heribert Bruchhagen leitet seit dem 1. Dezember 2003 die Geschicke von Eintracht Frankfurt
© Getty
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SPOX: Sie sprachen einmal davon, dass wenn man sich von weiter unten kommend im Mittelfeld der Bundesliga etabliert, dann herrsche auch wieder eine gewisse Unzufriedenheit im Umfeld. Ist die Eintracht momentan nicht genau an diesem Punkt?

Bruchhagen: In der eben erschienenen Bundesligabroschüre von DFL-Vorstandsmitglied Christian Müller ist zu lesen, dass die Vereine, die zwischen Platz eins und sechs stehen, genauso Gewinne gemacht haben wie die Vereine, die ganz unten stehen. Nur die Vereine, die zwischen Rang sieben und zwölf stehen, haben starke Verluste hinnehmen müssen.

SPOX: Was wollen Sie damit sagen?

Bruchhagen: Bei allen Vereinen, die sich im Mittelfeld der Bundesliga etablieren konnten, ändert sich die Erwartungshaltung. Und zwar dahingehend, dass man die handelnden Personen dazu zwingt, zu sagen: Es muss noch höher gehen. Dieses Problem habe ich längst erkannt. Ich befinde mich aber in der komfortablen Lage, dass ich keine Entscheidungen treffen muss, die die Öffentlichkeit in hohem Maße befriedigen, langfristig aber nicht zur Weiterentwicklung eines Vereins führen.

SPOX: Sie sprechen auch vom zementierten Tabellenbild der Bundesliga und sagen, dass man ohne internationale Fernsehgelder keine großen Sprünge machen kann.

Bruchhagen: Eine einfache Rechnung reicht zur Illustration: Wir haben einen Lizenzspieleretat von 25,8 Millionen Euro. Sechs Vereine haben einen Etat, der höher als 50 Millionen Euro liegt. Wenn man sich nun die Dreijahreswertung ansieht, stellt man fest, dass das sportliche und das wirtschaftliche Ranking fast eins zu eins übereinstimmt.

SPOX: Mit der Folge, dass die meisten Plätze unter den ersten sechs quasi immer an dieselben Teams vergeben sind.

Bruchhagen: Richtig, es gibt natürlich immer mal Ausnahmen, die in diese Phalanx hineinrutschen. Siehe Nürnberg vor zwei Jahren, die erst Sechster wurden und dann abgestiegen sind. Die ersten sechs Plätze machen zumeist die Vereine unter sich aus, deren Lizenzspieleretat oberhalb von 50 Millionen Euro liegt.

SPOX: Schlechte Aussichten für die Eintracht...

Bruchhagen: Ich sage das nicht resignierend, sondern feststellend. Die Faktoren Strategie und Geduld werden sich am Ende auszahlen. Was man pflanzt, wird man ernten. Nur der Zeitpunkt ist ungewiss.

SPOX: Sie weisen auf diese Thematik schon länger hin.

Bruchhagen: Als 1992 die Fernsehrechte von "RTL" zu "Sat1" gingen, habe ich als Manager des HSV und Mitglied des Ligaausschusses darauf hingewiesen, dass eine Spreizung der damals gleichmäßig verteilten Fernsehgelder ein historischer Fehler ist. Damals betrug der Unterschied bei den Lizenzspieleretats zwischen uns und den Bayern 40 Prozent. Heute sind wir bei 400 Prozent. Die Spreizung ist im Dreijahresrhythmus größer geworden. Interessant dabei ist, dass Karl-Heinz Rummenigge auf internationaler Ebene genauso argumentiert, wie ich auf nationaler.

SPOX: Wieso konnte sich dieses Modell damals durchsetzen?

Bruchhagen: Uli Hoeneß und Michael Meier, damals noch bei Dortmund, waren dabei federführend. Der Vorsitzende der DFL, Wilfried Straub, konnte gar nicht mehr anders, als nachzugeben. Die Großen haben sich eben durchgesetzt. Traditionsvereine wie beispielsweise Kaiserslautern, Köln, Mönchengladbach, Hannover, 1860 oder wir setzte diese Entwicklung natürlich enorm unter Druck. Zuletzt gab mir auch Klaus Allofs Recht, indem er sagte, dass Werder Bremen ohne internationalen Wettbewerb nach zwei Jahren ein vollkommen anderer Verein wäre.

SPOX: Und Ihre Schlussfolgerung daraus ist, dass es keine Alternative zu dem Weg gibt, den Eintracht Frankfurt unter Ihnen bestreitet.

Bruchhagen: Soll ich etwa sagen, dass wir keine Chancen haben, nach oben zu kommen? Das wäre ja Blödsinn. Alle, die versucht haben, von unserem Weg auszubrechen, haben sich bislang eine blutige Nase geholt. Außer Schalke 04, die haben sich nach oben gekauft. Aber der Preis ist hoch.

SPOX: Sie haben sich in der Vergangenheit oftmals gegen die übermächtigen Bayern und Karl-Heinz Rummenigge aufgelehnt. Mittlerweile sitzen Sie beide im DFL-Vorstand und entscheiden zusammen über das Wohl der Liga. Klappt dies überhaupt?

Bruchhagen: Das klappt sehr gut, da wir oft die gleichen Ansichten haben. Wir sitzen sogar oft nebeneinander (lacht). In Sachfragen wie der Verteilung der Fernsehgelder werden wir allerdings aller Voraussicht nach nie einen Konsens hinbekommen. Da werde ich weiterhin im Dreijahresrhythmus von den Bayern verprügelt werden (lacht).

SPOX: Apropos Konsens: Den finden Sie auch zumeist mit Ihren Trainern. Sie haben erst einen Trainer vorzeitig entlassen. Wieso sind Sie so loyal wie kaum ein anderer in Ihrer Funktion?

Bruchhagen: Ich war selbst fünf Jahre Trainer in der höchsten Amateurklasse. Ich habe es immer als Gräuel empfunden, wenn irgendwelche Funktionäre im Innenraum oder auf der Bank herumgeturnt sind. So etwas mache ich nie. Die Autorität des Trainers ist für mich das höchste Gut. Ich habe in 21 Jahren Bundesliga beispielsweise noch nie eine sogenannte Brandrede in der Kabine gehalten. So etwas bewirkt ausschließlich einen Autoritätsverlust des Trainers. Die größten Fehler machen Funktionäre in der Euphorie und in der Depression.

SPOX: Es fällt auch auf, dass Sie vom Trainertyp her auf die ehrlichen Arbeiter stehen. Möhlmann, Reimann, Ristic, Neururer, Gerland oder Funkel gehören allesamt zu diesem Typ. Warum haben Sie für solche Trainer ein Faible?

Bruchhagen: (überlegt lange) Das weiß ich selbst nicht genau. Ich finde eben Trainer gut, die sich sehr stark über das Sportliche definieren.. Ich muss auch ehrlich zugeben, dass ich froh war, dass Jürgen Klinsmann keinen Erfolg bei den Bayern hatte. Hätte er Erfolg gehabt, hätte der Fußball eine grausame Wendung genommen. Dann hätten wir alle drei amerikanische Fitnesstrainer einstellen und ein Wohlfühlcenter errichten müssen. Dass Felix Magath mit der alten Schule nun Erfolg hat, hilft der Bundesliga ungemein.

SPOX: Bei Ihrer Arbeit haben Sie meist mit viel Geld zu tun. Welche Beziehung zu Geld haben Sie als Privatmensch?

Bruchhagen: Dinge wie Autos, Schmuck oder Mode interessieren mich nicht. Für Oliver Bierhoff, den ich sehr schätze und der ein ganz lieber Kerl ist, ist Geld jedoch ein Machtfaktor. Für mich ist Geld familiäre Existenzsicherung. Das macht einen Unterschied.

SPOX: Vor eineinhalb Jahren haben Sie Bierhoff wegen dessen Nebeneinkünfte angegriffen.

Bruchhagen: Ich habe das gesagt, da es mir völlig unverständlich ist, dass der Manager der Nationalmannschaft so viele Nebentätigkeiten in sich vereint. Oliver war nicht amüsiert, aber ich habe ihn kurz danach getroffen und ihm gesagt, dass das eben meine Meinung ist.

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