"Mein Charakter hat sich nicht geändert"

Von Interview: Jochen Tittmar
Michael Zorc ist seit 1998 Manager von Borussia Dortmund
© Imago

Borussia Dortmunds Michael Zorc ist der dienstälteste Manager der Bundesliga. Im SPOX-Interview spricht er über seine bisherige Karriere nach der Karriere, sagt, warum die Ausbildungsmöglichkeiten in England schlechter sind als in Deutschland und erklärt, was es mit der BVB-Akademie auf sich hat.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

SPOX: Herr Zorc, Horst Heldt hat einmal geäußert, dass er sich viel von Uli Hoeneß abgeschaut hat. Wie ist es bei Ihnen, haben Sie ein Manager-Vorbild?

Michael Zorc: Nein. Es ist sicher richtig, dass man aus verschiedenen Situationen lernen kann. Wichtiger ist es allerdings, eigene Erfahrungswerte zu sammeln. Besonders in der schwierigen Zeit bei Borussia Dortmund hatte ich dazu reichlich Gelegenheit.

SPOX: Seit Jürgen Klopp da ist, fokussiert sich die Öffentlichkeit auf ihn. Sie traten immer mehr in den Hintergrund. Welche Rolle spielt das für die Qualität Ihrer Arbeit?

Zorc: Die aktuelle Rollenverteilung kommt hier jedem entgegen. Jürgen zieht viel öffentliche Aufmerksamkeit auf sich und handhabt das überragend. Wir haben unsere Kompetenzbereiche gut aufeinander abgestimmt. Das gilt auch für Hans-Joachim Watzke, den Vorsitzenden der Geschäftsführung. Wir harmonieren sowohl arbeitstechnisch als auch zwischenmenschlich auf perfekte Art und Weise.

SPOX: Hätten Sie sich diese "Ruhe" um die eigene Person schon früher gewünscht?

Zorc: Das ist kein Wunschkonzert. In der Phase zwischen 2004 und 2006, in der es darum ging, die Budgets extrem herunter zu fahren und gleichzeitig sportlich wettbewerbsfähig zu bleiben, war es deutlich schwieriger als jetzt, wo wir von einer soliden Basis aus arbeiten können.

SPOX: Sie sind momentan der dienstälteste Manager der Bundesliga...

Zorc: (unterbricht und lacht)...das habe ich auch mit Schrecken erfahren. Fahren Sie fort.

SPOX: ...und sind 1998 relativ nahtlos nach Ihrer aktiven Karriere ins Management des Vereins eingestiegen. Würden Sie dies wieder so schnell tun?

Zorc: Ich muss dazu sagen, dass meine Arbeit anfangs mehr assistierend und hineinschnuppernd war. Rückblickend betrachtet wäre es aus persönlichen Gründen vielleicht sinnvoll gewesen, eine Auszeit von einigen Monaten zu nehmen, um auch externe Erfahrungen zu sammeln. Das hatte sich damals aber eben so ergeben und ist nun auch nichts, was ich als grundlegend falsch betrachte.

SPOX: Inwiefern hat sich Ihre Arbeit generell mit den Jahren verändert?

Zorc: Sie hängt von der jeweiligen Situation und Positionierung des Vereins ab. Während der Zeit großer wirtschaftlicher Probleme war der Schwerpunkt in der Kaderplanung ein anderer als heute, auch wenn - nicht zuletzt durch die Erfolge in den neunziger Jahren und Anfang des Jahrtausends - die Erwartungshaltung in Dortmund immer hoch ist. Entscheidend ist, dass wir heute einen anderen Weg gehen müssen als Vereine wie Stuttgart, Hamburg, Wolfsburg, Leverkusen oder Bremen, deren wirtschaftliche Rahmenbedingungen sich gänzlich von unseren unterscheiden. Vor diesem Hintergrund ist es uns in den letzten zwei, drei Jahren dennoch sehr gut gelungen, eine schlagkräftige Mannschaft aufzubauen.

SPOX: Vor einigen Jahren standen Sie sehr in der Kritik. Im Gegensatz zu damals schlagen nun auch Ihre Transfers ein und Sie stehen in der Öffentlichkeit in einem ganz anderen Licht da. Wieso ist da ein solch großer Unterschied auszumachen?

Zorc: In meinem Beruf definiert man sich in erster Linie über seine Aufgabe. Und da ist es eben wesentlich schwieriger, das Budget zu halbieren und dennoch sportlichen Erfolg zu haben und der Erwartungshaltung halbwegs gerecht zu werden, als sich von einer klar definierten Basis aus nach vorne zu entwickeln. Wir sind jetzt dabei, auf einer gesunden und soliden Grundlage ein Team aufzubauen, das mittelfristig wieder höheren Ansprüchen genügt. Dabei setzen wir auf junge und entwicklungsfähige Spieler. Drei unserer vier aktuellen Neuzugänge sind 21 Jahre alt. Dazu kommen Spieler wie Mario Götze aus dem Jugendbereich, die nun sehr nah an die Profimannschaft herangerückt sind. Dieser Weg, den wir sehr konsequent gehen, hebt uns sicherlich auch von anderen Vereinen ab und gibt uns auf der anderen Seite - wenn man die Ergebnisse der letzten beiden Spielzeiten sieht - auch recht.

SPOX: Im Grunde erwartete man ja von Ihnen, dass Sie den sportlichen Erfolg der Ära Niebaum/Meier mit deutlichen geringeren Mitteln zurück kaufen.

Zorc: Das ist Ihre Interpretation. Tatsache ist: Wir wurden sehr lange als Klub wahrgenommen, der in die Champions League gehört. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen waren aber nicht mehr da.

SPOX: Gab es in dieser Zeit auch mal eine Phase, in der Sie an Rücktritt gedacht haben?

Zorc: Mein Charakter hat sich nicht geändert. Ich war schon als Spieler jemand, der nicht aufgegeben hat. Ich war immer davon überzeugt, meine Aufgabe bei Borussia Dortmund erfolgreich zu meistern.

SPOX: Ist das momentan also Ihre bislang schönste Zeit als BVB-Manager?

Zorc: (überlegt lange) Sagen wir es so: Ich fühle mich in der jetzigen Phase mit der aktuellen personellen Konstellation sehr wohl. Wir haben alle das Gefühl, dass wir noch nicht am Ende des Weges sind und gemeinsam die Dinge so gestalten können, dass wir uns nachhaltig im oberen Tabellendrittel festsetzen können.

SPOX: Sie sind bei den BVB-Fans eine Ikone. Hand aufs Herz: War es leichter, Susi Zorc zu sein und die vollen Sympathien des Umfeldes zu spüren als Michael Zorc, Manager von Borussia Dortmund, der kritisch beäugt wird, wenn seine Transfers floppen?

Zorc: Rückblickend wird jeder ehemalige Spieler seine aktive Zeit als die schönste seiner Karriere bezeichnen. Das ist völlig normal. Aber es ist eine lohnenswerte Aufgabe und eine Herausforderung, in verantwortlicher Position die Geschicke im sportlichen Bereich bei Borussia Dortmund mitzugestalten. Dazu brauchst du nicht unbedingt den öffentlichen Applaus.

Im zweiten Teil des Interviews spricht Michael Zorc über die BVB-Neuzugänge und erklärt, was es mit der BVB-Akademie auf sich hat