Bayern-Kapitän Philipp Lahm in der Datenanalyse: Auf rechts doch viel besser

Thomas Gaber
04. Dezember 201714:11
Philipp Lahm (l.) und David Alaba bilden derzeit das Außenverteidiger-Paar bei den Bayernspox
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Seit dem 7:1 gegen Hoffenheim spielt Philipp Lahm Rechtsverteidiger beim FC Bayern. Das wird auch gegen Marseille (20.30 Uhr im LIVE-TICKER) so sein. Die Statistik liefert verblüffende Zahlen: Heynckes lag mit seiner Maßnahme komplett richtig. Doch die Zahlen belegen auch: Lahm hat nicht die Konstanz der letzten Jahre und die Konkurrenz läuft ihm in der Bundesliga den Rang ab.

Oliver Kahn, Ottmar Hitzfeld und zuletzt Michael Ballack: Die Zahl der Kritiker von Philipp Lahm hat sich in den vergangenen Monaten erhöht. Dem Kapitän des FC Bayern und der deutschen Nationalmannschaft wurde in erster Linie die Fähigkeit abgesprochen, eine Mannschaft führen zu können. Ballack warf ihm zudem Mauschelei während der WM 2010 vor, als Lahm vor dem Halbfinale gegen Spanien einen ungewöhnlichen Vorstoß hinsichtlich der Kapitänsfrage im DFB-Team wagte.

Sportlich blieb Lahm dagegen unantastbar, obwohl seine Leistungen in der laufenden Saison deutlichen Schwankungen unterliegen. Die Statistik bestätigt diesen Eindruck. Sie belegt aber auch, dass Lahm die meiste Zeit seiner Karriere auf der "falschen" Seite gespielt hat.

Lahms Entwicklung: Es geht (leicht) bergab

Seit nunmehr sechs Jahren ist Lahm beim FC Bayern unumstrittener Stammspieler. 2006/07 stand er in allen 34 Bundesligaspielen in der Startelf. In den darauffolgenden beiden Jahren kam er verletzungsbedingt nur auf 22 bzw. 28 Einsätze. Dafür fehlte er 2009/10 und 2010/11 keine einzige Sekunde in der Liga und auch in der laufenden Saison gehörte er immer zum Stammpersonal.

Zwei Werte verdeutlichen, dass Lahm Probleme hat, sein hohes Niveau dauerhaft zu halten. Seine Zweikampfquote ging in den letzten vier Jahren stetig bergab. Gewann Lahm 2007/08 noch 60,7 Prozent seiner Duelle, waren es 2009/10 noch 58,4 und in dieser Saison lediglich 55,0. Dabei bestritt Lahm zuletzt weniger Zweikämpfe als früher. 2007/08 ging er pro Spiel im Schnitt in 20 Duelle Mann gegen Mann, in den Jahren darauf waren es nur noch 14,1 bzw. 13,6.

In der Defensive ist Lahm anfälliger geworden, was aber nicht an einem verstärkten Engagement in der Offensive liegt. 2006/07 gab er 18 Torschüsse ab, 2008/09 immerhin noch 14. In den letzten beiden Spielzeiten waren es 6 bzw. 9 Schüsse. In den 27 Spielen dieser Saison kommt er dagegen bereits auf 11.

Beeindruckend ist der Wert in der Vorbereitung von Offensivaktionen. 2009/10 schlug Lahm 122 Flanken und bereitete damit 22 Torschüsse vor (6 Treffer). 2010/11 waren es noch 86 Flanken, woraus 14 Torschüsse resultierten, allerdings kein Treffer. In der laufenden Spielzeit sind es lediglich 31 Flanken (4 Torschussvorlagen, kein Treffer).

Eine Statistik spricht dagegen klar für Lahm. Er hat seine Fehlpassquote in dieser Saison deutlich verbessert: 8,6 Prozent. Zum Vergleich: 2006/07 14,4 Prozent, 2010/11 11,2. Und das obwohl Lahm in dieser Saison die durchschnittlich mit Abstand meisten Ballkontakte hat (97,7 pro Spiel, 2010/11 waren es nur 82) und viel mehr lange Bälle spielt: Nach 27 Spielen 2011/12 sind es schon 138 (78 angekommen), in den letzten beiden Jahren waren es nach 34 Spielen 110 bzw. 118.

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Seine Vielseitigkeit ist Lahms großes Faustpfand und ein Glücksfall für seine Trainer, ob beim FC Bayern oder in der Nationalmannschaft. Bedenkenlos ist Lahm auf beiden Seiten einsetzbar, oft hat er während einer Saison im Verein und im DFB-Team auf verschiedenen Seiten gespielt.

Lahm lieber links oder rechts? Klares Signal!

Lahm hat aber nie einen Hehl daraus gemacht, dass er die rechte Seite bevorzugt. In der Nationalmannschaft spielt er seit Jahren allerdings ausschließlich auf der linken Abwehrseite und auch beim FC Bayern hat er fast zwei Drittel seiner Spiele links gemacht (158, rechts 81).

Vielleicht sollten seine Trainer aber überlegen, ihn dauerhaft doch lieber auf rechts zu stellen, so wie es Jupp Heynckes seit einigen Spielen macht. Denn die Bundesliga-Daten belegen: Lahm ist auf rechts besser aufgehoben - in jeder Hinsicht!

Die Anzahl der Ballkontakte ist in etwa gleich: links 82,6 pro 90 Minuten, rechts 81,8. Auf rechts spielt Lahm aber weniger Fehlpässe (10,7; links: 12.3), fängt mehr gegnerische Bälle ab (9,1 pro Spiel; links: 8,9) und weist eine bessere Zweikampfbilanz auf. Gewinnt Lahm als Rechtsverteidiger 60,0 Prozent seiner Duelle, sind es auf links "nur" 58,3 Prozent.

Auch die Foulstatistik spricht für die rechte Seite. Dort begeht Lahm pro Spiel 0,35 Fouls, auf links ist der Wert exakt doppelt so hoch.

Geht es um Lahms Offensivspiel, sind die Werte noch eklatanter. 7173 Minuten hat Lahm in der Bundesliga auf rechts gespielt und war dort an 19 Toren beteiligt (4 eigene Treffer). Auf links kommt er in fast doppelt so vielen Minuten (13492) auf die exakt gleiche Anzahl.

Auf rechts schlug er drei Flanken pro Spiel (insgesamt 246), und bereitete so 45 Torschüsse vor (10 Treffer). Auf links waren es nur 1,63 Flanken, 43 Torschüsse und drei Treffer. Noch einmal zur Verdeutlichung: Lahm hat auf rechts mehr Flanken geschlagen und mehr Torschüsse vorbereitet, als in der fast doppelten Anzahl von Spielen auf links.

Seit Lahm in dieser Saison die Seiten getauscht hat (erstmals am 10. März beim 7:1 gegen Hoffenheim), hat sein Partner auf rechts, Arjen Robben, fünf Tore erzielt und vier vorbereitet. In den 15 Spielen zuvor sammelte der Niederländer nur sechs Scorerpunkte.

Robben braucht Lahm als Backup dringender als sein Pendant auf links. Franck Ribery kam in den letzten Spielen mit David Alaba als Linksverteidiger auf sieben Scorerpunkte (ein Tor, sechs Vorlagen). In den 23 Spielen zuvor kam Ribery auf 20.

Heynckes' Maßnahme, Lahm auf rechts zu ziehen und Alaba die linke Seite anzuvertrauen, hat sich rentiert. Alaba gewinnt starke 67,4 Prozent seiner Zweikämpfe, Lahm auf rechts 61,3. Als die Bayern mit Lahm auf links und Rafinha auf rechts spielten, war die Quote deutlich schlechter: Lahm 57,4 Prozent, Rafinha 59,8.

Auch die Fehlpassbilanz spricht Bände. Alaba spielt nur 8,7 Prozent seiner Pässe dem Gegner in den Fuß, Lahm gar nur 5,5.

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Wie unterschiedlich die Außenverteidiger in der Bundesliga ihre Rolle interpretieren und wie stark sie der jeweiligen Spielphilosophie ihrer Trainer unterliegen, belegen die Zahlen ausgewählter Spieler.

Vergleich mit anderen Außenverteidigern: Lahm nur Durchschnitt

Die Dortmunder Lukasz Piszczek und Marcel Schmelzer legen pro Spiel die mit Abstand meisten Sprints hin. Piszczek kommt auf 23,4 im Schnitt, Schmelzer auf 22,5. Von den Spitzenteams kann hier nur Christian Fuchs von Schalke 04 mit 20,8 mithalten. Doch einer holt mächtig auf: David Alaba hat in den letzten Spielen 20 Sprints pro Spiel hingelegt und weist sogar die mit Abstand längste Laufstrecke auf: 11440 Meter pro 90 Minuten, selbst Dauerläufer Piszczek kommt "nur" auf 11019 Meter.

Philipp Lahm ist weit weniger aktiv als seine Kollegen. Elf Sprints und 9994 Meter stehen für ihn in der Statistik. Auch was die unmittelbare Beteiligung an Offensivaktionen angeht, hinkt Lahm hinterher. Der Bayern-Kapitän kommt in dieser Saison auf 31 Flanken und 31 Torschussvorlagen. Fuchs ist in beiden Kategorien Spitzenreiter: 83 Flanken, 59 Torschussvorlagen. Piszczek brachte den Ball 80 Mal nach innen und gab 47 Vorlagen.

Eine Offensivwaffe hat auch Hannover 96. Christian Pander war an neun Saisontoren der Niedersachsen beteiligt und gab 29 Torschüsse ab. Fuchs war an elf Treffern beteiligt, Piszczek an zehn. Die meisten Torschüsse gab Schmelzer ab (32).

Auch in punkto Zweikampfbilanz gibt es in dieser Saison effektivere Außenverteidiger als Lahm. Piszczek (59,0 Prozent) und der Mönchengladbacher Tony Jantschke (58,2) sind besser als Lahm (57,7).

In der Balleroberung haben Jantschke (300) und Fuchs (313) klar die Nase vorn. Lahm fing nur 232 Zuspiele der Gegner ab. Dafür kommt kein Außenverteidiger auch nur annähernd an Lahms Fehlpassquote heran (8,6 Prozent). Schmelzer spielt jeden vierten Ball nicht zum Mitspieler, Piszczeks Quote beläuft sich auf 18,6 Prozent. Ein Resultat der weitaus risikofreudigeren Spielweise der Dortmunder.

Auffallend: Keiner der hier aufgelisteten Spieler (inklusive Rafinha und Gladbachs Filip Daems) kassierte in dieser Saison einen Platzverweis.

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Bayerns Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge hatte zuletzt häufiger dem einen oder anderen Bayern-Spieler vorgeworfen, sein wahres Leistungsniveau überwiegend in Spielen mit dem Adler auf der Brust zu zeigen. In erster Linie galt die Kritik Thomas Müller.

Lahm im Verein und im DFB-Team: Deutschland geht vor

Doch auch Philipp Lahm spielt für Deutschland konstanter als für den FC Bayern. Einschränkend ist hier darauf hinzuweisen, dass das Leistungsgefälle der Gegner im Nationalteam deutlich größer ist, als in der Bundesliga.

199 Mal stand Lahm für den FC Bayern seit 2005 in der Bundesliga auf dem Platz. Das Nationaltrikot trug er bereits 85 Mal. Er gewinnt bei Länderspielen deutlich mehr Zweikämpfe (63,8 Prozent zu 59,9), auch in der Offensive. Dort liegt seine Erfolgsquote bei 55 Prozent, bei Bayern sind es 49 Prozent.

Die offensive Philosophie von Bundestrainer Joachim Löw ermöglicht es Lahm, öfter am Angriffsspiel teilzunehmen. Im Nationaltrikot gibt er 1,44 Torschussvorlagen ab und war bislang an 0,23 Toren pro Spiel direkt beteiligt (gesamt: 123 Vorlagen, 20 Tore). Beim FC Bayern sind es 1,2 Vorlagen und 0,17 Scorerpunkte im Schnitt.

Auffallend sind zudem die Werte der Ballkontakte und der eroberten Bälle. Hier ist Lahm bei Bayern effektiver. Im Verein kommt er auf 85,1 Ballkontakte im Schnitt und fängt im Schnitt 8,96 gegnerische Zuspiele ab. Spielt Lahm für Deutschland, sind es nur 68,8 Ballkontakte und 6,95 abgefangene Pässe.

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