SPOX: Beim Sieg im LIGA total! Cup besiegte Bremen im Elfmeterschießen erst Vize-Meister Bayern, dann Meister Dortmund. Könnte die Saison mehr sein als ein Jahr der Konsolidierung?
Zlatko Junuzovic: Das wäre übertrieben, so viel aus den Ergebnissen zu ziehen. Aber die Richtung passt auf jeden Fall. Wir sind gegen die Bayern und gegen Dortmund nicht untergegangen, stattdessen konnten sich unsere Leistungen sehen lassen. Wir haben viel Selbstvertrauen daraus gezogen. Das einzig Bittere waren die vermeidbaren Gegentore. Gegen die Bayern kassieren wir in der letzten Spielminute den Ausgleich, gegen Dortmund steht es nach unserem 2:0 innerhalb von vier Minuten plötzlich 2:3.
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SPOX: Beim 3:3 gegen Aston Villa gab es erneut drei Gegentore. Fehlt in der 4-3-3-Grundordnung mit fünf eher offensiv ausgerichteten und fünf defensiven Spielern die gesunde Balance?
Junuzovic: Es hing von Phasen ab. Gegen die Bayern und gegen Dortmund hatten wir einen guten Start, doch besonders im BVB-Spiel ist irgendetwas schief gelaufen. In so kurzer Zeit drei Dinger zu bekommen, zeigt die Unordnung. Vor allem in der Rückwärtsbewegung und beim Umschalten gibt es Verbesserungspotenzial. Es ist gleichzeitig ermutigend, wie wir immer wieder zurück zur Stabilität gefunden haben.
SPOX: Die Öffentlichkeit erwartet nach den Weggängen von Tim Wiese, Claudio Pizarro, Naldo und Marko Marin nicht allzu viel von Bremen. Liegt darin auch eine Chance?
Junuzovic: Ruhe ist immer wichtig, für ein junges Team wie uns sogar noch wichtiger. Mit 24 Jahren bin ich bereits einer der Ältesten, das ist der Wahnsinn. Entsprechend gut tut es uns, wenn wir uns nur auf uns konzentrieren können.
SPOX: Sie selbst wirken in der Vorbereitung besser integriert als in den ersten sechs Monaten. Was ist der Schlüssel?
Junuzovic: Wir sind jetzt ein Team. Die Stimmung innerhalb der Mannschaft ist viel, viel besser als im Vorjahr, als der Einzelne mit dem Kopf irgendwo anders war. Deswegen fiel es mir nicht leicht, rein zu finden. Jetzt hat es sich komplett verändert: Wir treten als Gemeinschaft auf und jeder kämpft für den anderen. Das spiegelt sich in den Vorbereitungsergebnissen wieder.
SPOX: Fühlten Sie sich nach dem Wechsel in der Winterpause alleine gelassen?
Junuzovic: Natürlich war es eine schwierige Situation. Dennoch zog ich aus den Wochen viel Positives, vor allem dank des Trainers. Thomas Schaaf setzte großes Vertrauen in mich, brachte mich in allen 15 Spielen von Beginn an. Das hat mir sehr geholfen und den Einstieg erleichtert. Jetzt kommt der nächste Schritt: Mit dem neuen System kann ich mein Spiel entfalten.
SPOX: Wie sieht das System aus?
Junuzovic: Unser Plan lautet, dass wir kombinierend durch die Mitte spielen und so den Ball zu den offensiven Außenpositionen bekommen, damit Eljero Elia über links und Marko Arnautovic über rechts die Eins-gegen-eins-Situation suchen oder mit Steilpässen in die Räume gehen können. Dieses System mit den drei Angreifern und den drei Mittelfeldspielern passt für mich perfekt. So bekomme ich mehr Bälle, was vorher nicht so gut geklappt hatte, und weiß Leute wie Aaron Hunt, Elli und Marko neben mir, die immer anspielbar sind. Die Balance stimmt.
SPOX: Sie galten als der nächste Spielmacher in der an Spielmachern reichen Bremer Vereinshistorie. Im 4-3-3 stehen Sie jedoch auch defensiv in der Verantwortung. Ein Problem?
Junuzovic: Ganz im Gegenteil. Ich kannte natürlich die großen Namen der Geschichte: Herzog, Micoud, Diego, Özil. Aber schon bei der Präsentation in Bremen hatte ich gesagt, dass ich ein anderer Spielertyp bin und nicht verglichen werden möchte. Ich spiele eben nicht wie ein klassischer Zehner, sondern arbeite viel nach hinten mit. Deswegen mag ich das neue System so.
SPOX: Ihre Karriere war bisher geprägt von Wellen: Nach einer überragenden U-20-WM 2007, als Sie mit Österreich das Halbfinale erreicht hatten, wurde es ruhiger um Sie, bis Sie 2010 zu Österreichs Spieler des Jahres gewählt wurden. Daraufhin konnten Sie das Level allerdings nicht halten. Ist es die größte Herausforderung, Konstanz zu erreichen?
Junuzovic: Es gab einige Erschütterungen, das stimmt. Allerdings hatte das häufig mit Faktoren zu tun, die nicht im sportlichen Bereich zu suchen sind. Zum Beispiel mit dem Konkurs meines damaligen Vereins Austria Kärnten. Grundsätzlich finde ich, dass ich in Österreich konstante Leistungen gezeigt habe und dass die Karriere nach meinen Vorstellungen verlief. Sonst hätte ich nicht meinen großen Traum verwirklichen und in die Bundesliga wechseln können. Was dennoch nicht heißen soll, dass ich nicht an mir arbeite. Das erste halbe Jahr in Bremen diente zur Eingewöhnung, das hat geklappt. Jetzt kommt die nächste Aufgabe: neues Team, neues System. Ich freue mich auf die Herausforderung.
Zlatko Junuzovic im Steckbrief