Problemfälle und Trumpfkarten

Fatih Demireli
20. Juni 201314:53
Müssen noch Baustellen schließen: Sami Hyypiä (l.) und Rudi Völlergetty
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Bayer Leverkusen galt jahrelang als Vorzeigeklub auf dem Transfermarkt. In dieser Saison hat der Klub mit ungewohnten Komplikationen zu kämpfen. Wichtige Positionen müssen noch besetzt werden, die größte Baustelle wurde dagegen geschlossen. Hoffnung macht der eine oder andere Youngster. Die SPOX-Kaderanalyse zum Werksklub.

Konstantinos Stafylidis ist ein großartiger Fußballer. Er ist jung, gehört zur modernen Gattung des offensiven Linksverteidigers, der Defensive und Offensive gleich gut beherrscht und dazu ein ausgezeichneter Standardschütze ist. Spätestens seit der U-19-Europameisterschaft 2012 in Estland, wo der 19-Jährige mit Griechenland erst im Finale an Spanien scheiterte und extrem auffiel, wollten Europas Top-Klubs Stafylidis verpflichten.

Dass im Juli 2012 Bayer Leverkusen verkünden konnte, Stafylidis ab der Saison 2013/2014 unter Vertrag genommen zu haben, war einerseits ein großer Erfolg, andererseits: typisch Bayer 04! Andre Schürrle wurde einst stilähnlich verpflichtet, also viele Monate vor der eigentlichen Einplanung in den Profi-Kader. Wie viele andere auch. Bayer gilt seit Jahren als einer der Klubs mit ausgesprochen erfolgreicher Transferpolitik. Regelmäßig waren die Planungen frühzeitig abgeschlossen.

"Ich hoffe, dass sich noch was tut"

Nun ist Bayer zwar weit davon entfernt, als Sorgenkind zu gelten, doch erstmals seit vielen Jahren sind wichtige Planstellen im Kader noch zu klären. Besonders in der Abwehr hat Leverkusen noch Handlungsbedarf, aber ob der Teilnahme an der Champions League auch auf anderen Positionen. "Man muss berücksichtigen, dass wir wieder Champions League spielen. Wenn man alle drei, vier Tag ein Spiel hat, muss man die Last auf mehreren Schultern verteilen", appelliert Lars Bender im "kicker" und hofft: "Ich hoffe, dass sich da noch was tut."

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Leverkusens Macher legen sich "keinen Druck" (Rudi Völler) auf, wissen dennoch um die Wichtigkeit eines gut ausbalancierten Kaders. Wichtig war, dass der Abgang von Andre Schürrle zum FC Chelsea schnell aufgefangen wurde - und überhaupt erst autorisiert wurde, nachdem mit Heung-Min Son ein Nachfolger gefunden war. Die Arbeit ist damit aber noch lange nicht am Ende.

Tor

Neuzugang: Andres Palop (FC Sevilla)

Abgang: Michael Rensing (Fortuna Düsseldorf)

Offene Position: Keine.

Situation: Es hat sich was bewegt - allerdings nur hinter der Nummer 1. Michael Rensing ist nach einer Saison beim Werksklub wieder weg: Er schloss sich Absteiger Fortuna Düsseldorf an. Die Vertretung Bernd Lenos übernimmt künftig Andres Palop. Der 39 Jahre alte Spanier kommt mit der Erfahrung von 343 Profispielen und soll dem 18 Jahre jüngeren Leno den Rücken freihalten. Bayer erhofft sich von Palop auch die eine oder andere Entwicklungsstützte für Leno. "Mit ihm integrieren wir einen Teil der spanischen Torhüter-Schule in unseren Klub", sagt Wolfgang Holzhäuser. David Yelldell, der noch unter Robin Dutt verpflichtet worden ist, bleibt weiter die Rolle der Nummer 3. Sein Konkurrenz heißt Niklas Lomb, der ohnehin aber eher im Regionalliga-Team zum Einsatz kommt.

Torhüter: Ein neuer Backup

Abwehr: Die größte Baustelle

Mittelfeld: Gesetzte Dreierreihe und Son

Sturm: Die neue Trumpfkarte

Abwehr

Neuzugang: Konstantinos Stafylidis (PAOK)

Abgänge: Daniel Carvajal (Real Madrid), Manuel Friedrich (unbekannt), Daniel Schwaab (VfB Stuttgart), Michal Kadlec (Fenerbahce)

Offene Positionen: Bayer sucht noch einen Innenverteidiger als Backup für Ömer Toprak und Philipp Wollscheid. Nach dem Weggang von Daniel Carvajal soll auf jeden Fall ein qualitativ hochwertiger Rechtsverteidiger kommen.

Situation: Die Viererkette ist die größte Baustelle Leverkusens. Real Madrid zog die Kaufoption für Daniel Carvajal, sodass eine der wichtigsten Säulen der vergangenen Saison etwas unerwartet weggebrochen ist. Mit Daniel Schwaab und Manuel Friedrich sind zudem zwei Innenverteidiger gegangen: Damit sind auf dieser Position die Rotationsmöglichkeiten derzeit stark eingeschränkt. Die Suche nach einem Rechtsverteidiger und einem Innenverteidiger ist daher schon voll im Gange.

Alleine schon deswegen war Sokratis Wunschkandidat. Der Grieche kann beide Positionen gleichstark bekleiden, entschied sich jedoch zu einem Wechsel zu Borussia Dortmund und sorgte damit für Unmut in Leverkusen. Ähnliche Pluspunkte weist auch Ajax Amsterdams Toby Alderweireld auf: Der Belgier ist bevorzugt Innenverteidiger, ist aber auch in der Lage, auf der rechten Außenposition auf hohem Niveau zu spielen. Allerdings hat der Werksklub reichlich Konkurrenz im Werben um den 24-Jährigen, auch aus England sollen viele Klubs interessiert sein. Ebenfalls auf der Liste steht Giulio Donati. Der 23-jährige Rechtsverteidiger fiel bei der U-21-EM auf, wo er jedes Spiel für Italien machte und gefiel. Der Transfer steht wohl unmittelbar bevor.

Bewegung gibt's auch auf der anderen Seite der Viererkette. Sebastian Boenisch ist an Michal Kadlec schon in der vergangenen Saison vorbeigezogen und ist nach dem Weggang des Tschechen Richtung Fenerbahce endgültig die Nummer 1. Der Grieche Konstantinos Stafylidis, dessen Dienste sich Leverkusen schon im Sommer 2012 sicherte, ist der neue Backup, zumal auch Hajime Hosogai abgewandert ist (Hertha BSC). Der Japaner half hinten links immer wieder mal aus.

Torhüter: Ein neuer Backup

Abwehr: Die größte Baustelle

Mittelfeld: Gesetzte Dreierreihe und Son

Sturm: Die neue Trumpfkarte

Defensives/zentrales Mittelfeld

Neuzugänge: Keine.

Abgänge: Hajime Hosogai (Hertha BSC), Nicolai Jörgensen (FC Kopenhagen)

Offene Position: Keine. Auch wenn es Abgänge auf dieser Position gab, hat Bayer keinen akuten Bedarf für das Zentrum, da positionsfremde Spieler helfen können.

Die Situation: Die Dreierkette im Mittelfeld hat sich bei Bayer mehr als etabliert. Simon Rolfes, Lars Bender und Stefan Reinartz gehen mit einem großen Vorsprung in die neue Saison. Mit ihnen steht das Bayer-Korsett, wobei Bender wieder die wichtigste Rolle einnehmen wird. Der Nationalspieler ist nicht nur die Schaltzentrale im Zentrum, sondern nach dem Schürrle-Abgang mehr denn je das Gesicht der Bayer-Truppe.

Ansonsten hat der Werksklub hie und da "ausgemistet". Nicolai Jörgensen konnte sich nicht durchsetzen und geht zurück nach Dänemark, Hosogai zieht es nach Berlin. Rotationsmöglichkeiten bestehen wie schon in der Vorsaison dank der Allrounder Gonzalo Castro und Jens Hegeler. Youngster Dominik Kohr könnte nach vier Bundesliga-Auftritten in der letzten Saison ebenfalls öfter zum Zuge kommen, zumal auch der 19-Jährige vielseitig einsetzbar ist.

Offensives Mittelfeld/Außenbahnen

Neuzugänge: Heung-Min Son (Hamburger SV), Robbie Kruse (Düsseldorf)

Abgänge: Andre Schürrle (FC Chelsea), Michael Ortega (Ziel unbekannt), Carlinhos (Desportivo Brasil)

Offene Positionen: Die Schürrle-Nachfolge wurde schnell geklärt. Aufgrund der Mehrfachbelastung könnte noch eine zusätzliche Option verpflichtet werden.

Die Situation: Den wichtigsten Abgang gab es auf der Außenbahn mit dem erwarteten Verkauf von Andre Schürrle, doch Bayer bewerkstelligte mit dem gleichzeitigen Kauf von Heung-Min Son einen verhältnismäßig weichen Übergang. Son ist ein Alleskönner, hat auch beim HSV schon alle Positionen in der Offensive bekleidet, die linke Seite, die Schürrle gehörte, allerdings eher selten. "Wir brauchen schnelle Spieler für unser System", sagt Rudi Völler. Son ist schnell, torgefährlich und sollte eine neue Note, das etwas Unkonventionelle, ins Leverkusener-Spiel bringen.

Wunschkandidat Kevin de Bruyne, der ähnlich veranlagt ist, bleibt bei Chelsea. Auf den Außenpositionen ist Bayer dennoch üppig besetzt, mit Gonzalo Castro, Sidney Sam, Youngster Karim Bellarabi und den Neuzugängen Kruse und eben Son sowie Allrounder Jens Hegeler hat Sami Hyypiä viele Möglichkeiten. Gerade von Sam, der sich neuerdings Nationalspieler nennen darf, ist ein Sprung nach vorne zu erwarten. Noch mehr Einsatzzeit, noch mehr Verantwortung, noch mehr Druck.

Trotz der guten Auswahlmöglichkeiten ist nach dem de-Bruyne-Verbleib in London nicht ausgeschlossen, dass noch ein Spieler für die Offensive kommt und die Rotationsmöglichkeiten erhöht. Keine Rolle spielen mehr Ortega, dessen Vertrag abgelaufen ist und der sich während der Leihphase in Bochum nicht für höhere Aufgaben empfehlen konnte, sowie Carlinhos, der in Regensburg alle Positionen spielte und mitunter gefiel. Bayer hat nach wie vor eine Kaufoption. Ob sie gezogen wird, ist aber mehr als fraglich.

Torhüter: Ein neuer Backup

Abwehr: Die größte Baustelle

Mittelfeld: Gesetzte Dreierreihe und Son

Sturm: Die neue Trumpfkarte

Sturm

Neuzugänge: Keiner.

Abgänge: Junior Fernandes (Dinamo Zagreb)

Offene Position: Eine dritte Kraft hinter Stefan Kießling und Arkadiusz Milik, um das Pensum mit Champions League, Bundesliga und DFB-Pokal zu meistern.

Die Situation: Mit Stefan Kießling stellt Bayer den besten deutschen Stürmer 2013. Interessant wird's dahinter: Milik steht vor dem nächsten Entwicklungsschritt, nachdem er in den ersten Monaten unter dem Bayer-Kreuz noch Welpenschutz genoss und sich an das Bundesliga-Niveau herantasten durfte. Für Milik wird es eine entscheidende Saison, zumal er auch in der polnischen Nationalmannschaft um seinen Platz kämpfen muss. Eine weitere Saison komplett auf der Bank will er sich nicht leisten. Der 19-Jährige hat außergewöhnliche Fähigkeiten, gilt in seiner Heimat als neuer Robert Lewandowski und könnte zur Bayers Trumpfkarte werden, wenn er sich denn durchsetzt.

Allerdings droht ihm weitere Konkurrenz: Bayer wird Interesse an einer Verpflichtung eines weiteren Stürmers nachgesagt, Roque Santa Cruz gilt als möglicher Kandidat, auch die Namen von Emerick Aubameyang und Alan wurden gehandelt. Verliehen hat Bayer Junior Fernandes an den kroatischen Meister Dinamo Zagreb. Das Vertrauen in das Potenzial des chilenischen Nationalspielers ist nach wie vor vorhanden, beim möglichen Champions-League-Teilnehmer soll er nun Wettkampfpraxis bekommen.

Torhüter: Ein neuer Backup

Abwehr: Die größte Baustelle

Mittelfeld: Gesetzte Dreierreihe und Son

Sturm: Die neue Trumpfkarte