"Das Iron-Manni hat mich genervt"

Jochen Tittmar
23. Januar 201410:48
Sven Bender bestritt mit seinem Bruder Lars ein Länderspiel in Wembley - und gewannimago
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Sven Bender spielt seit 2009 bei Borussia Dortmund und ist dort als defensiver Mittelfeldspieler fürs Grobe zuständig. Der 24-jährige Sechser spricht im Interview über deftiges Privattraining mit seinem Vater, seinen martialischen Spitznamen und die Probleme des BVB während der Hinrunde.

SPOX: Herr Bender, Sie haben im Trainingslager in La Manga gesagt, dass Sie Ihre Spielweise nicht verändern werden. Wie viel an Erziehung seitens Ihres Vaters, der ja Ihr Trainer in der Jugend war, steckt da denn drin?

Sven Bender: Eine ganz große Menge. Meinem Bruder und mir wurde mit auf den Weg gegeben - oder auch eingetrichtert (lacht) -, immer alles zu geben. Das Credo meines Vaters, das wir von klein auf mitbekommen haben, war: Ihr dürft einen schlechten Tag haben, aber ihr könnt immer laufen und kämpfen. So haben wir Tag für Tag das Fußballspielen gelernt. Das ist bis heute erhalten geblieben und spiegelt sich in meiner Spielweise wider: Ich gehe immer sehr intensiv ans Limit.

SPOX: Wie war es, den eigenen Vater als Trainer zu haben: Wurden die Spiele da auch noch in den eigenen vier Wänden weiter besprochen?

Bender: Nein, es wurde zu Hause nicht noch einmal gesondert analysiert. Wir haben jedoch relativ viele Einzeltrainingseinheiten mit ihm absolviert. Die waren schon ziemlich deftig, aber ich bin froh darüber, dass es damals etwas intensiver zur Sache ging. Es hat sich ja letztlich ausgezahlt, denn mein Vater hat diese Mentalität in uns verankert.

SPOX: Wie deftig ging es denn zur Sache?

Bender: Die genauen Trainingsmethoden bleiben geheim (lacht). Es war jedenfalls nicht ganz ohne und anstrengend, eine echte Willensschulung. Mein Bruder und ich konnten noch nie verlieren - und schon gar nicht gegeneinander. Wenn es dann beim Privattraining auf den gegenseitigen Wettkampf ankam, war das immer maximal am Limit.

SPOX-Redakteur Jochen Tittmar traf Sven Bender im BVB-Trainingslager in Spanienspox

SPOX: Es herrschte also ein immer währender Zweikampf zwischen Ihnen beiden?

Bender: Auf jeden Fall. Wenn ich verloren habe, dann war ich wirklich richtig sauer. Da wurde dann auch kurzzeitig nicht mehr miteinander geredet, weil uns eine Niederlage so gewurmt hat - egal ob das bei Sprints, Liegestützen oder Zweikämpfen der Fall war. Wir konnten auf keinen Fall gegen den anderen verlieren, in jeder Situation. Es verhielt sich mit Sieg und Niederlage allerdings sehr ausgeglichen und wir haben uns auch gegenseitig hochgezogen.

SPOX: Wie sehr war dadurch auch manchmal der Familienfrieden gefährdet?

Bender: Wenn wir vom Fußballplatz gekommen sind, war das in der Regel relativ schnell gegessen. Es gab auch Momente, in denen man etwas länger stinkig war. Das ist eben unser Naturell. Wir können mit Niederlagen einfach schwer umgehen, weil wir Benders wohl von Natur aus den größtmöglichen Erfolg anstreben.

SPOX: Hatten Sie in der Pubertät mal eine Phase, in der der Sport an zweite Stelle gerückt ist?

Bender: Nein, der Fußball hat uns immer am meisten Spaß gemacht. Wenn man mal Probleme abseits des Spielfelds hatte, war der Fußball der Bereich, der einen abgelenkt hat. Der Fußball ist tatsächlich mit das Wichtigste in unserem Leben. Die Familie mal ausgenommen stand in unserem Leben nie etwas darüber. Alles andere hat sich am Fußball orientiert, war aber weniger wichtig.

SPOX: Wenn man mit Ihnen spricht, kommt man nicht umher, dass auch Ihr Bruder thematisiert wird. Wie empfinden Sie das?

Bender: Es ist angenehmer geworden. Als wir früher zusammengespielt haben, wurde immer alles doppelt abgewickelt. Heute hat jeder seinen eigenen Verein und seine eigene Karriere. Deshalb ist es auch kein Problem, wenn ab und zu Fragen zum Bruder kommen. Was in der Vergangenheit jedoch störend war, waren die immer selben Fragen zum Bruderduell.

SPOX: War es früher hinderlich, dass Sie beide häufig nur als Kollektiv wahrgenommen wurden?

Bender: Nein, eher das Gegenteil. Ich hatte immer jemanden an der Seite, der den gleichen Weg mit denselben Abläufen durchgemacht hat. Man wusste sofort, wie man über die Probleme des anderen sprechen konnte. Die Gefühle sind vielleicht mal unterschiedlich, aber dadurch, dass Lars wie ich im Bereich Profifußball integriert ist, weiß er immer direkt Bescheid, was Sache ist. Dieser Austausch zwischen uns war gerade in jungen Jahren, aber auch bis hin zu den ersten Schritten bei den Profis, enorm wichtig. Er ist ein richtig guter Ansprechpartner.

SPOX: Einen "Iron-Lars" gibt es aber nicht. Sie nennt man "Iron-Manni", obwohl man Sie auch als größten Pechvogel beim BVB bezeichnen könnte. Sie mussten schon häufig mit kleineren Verletzungen aussetzen.

Bender: Ich möchte ich selbst bleiben - auch wenn ich mich verletze. Das ist mir wichtig. Ich weiß mit diesen kleinen Rückschlägen umzugehen, sie können aufgrund meiner Spielweise einfach passieren. Ich lasse mich davon aber kein bisschen beeinflussen, sondern werde weiterhin wie bislang zur Sache gehen. Wenn man schaut, welche Verletzungen ich hatte und wie schnell ich wieder fit war, dann zeigt das auch, dass ich sehr professionell mit diesen Rückschlägen umgegangen bin.

SPOX: Schmeichelt es Ihnen, diesen martialischen Spitznamen zu tragen?

Bender: Es ist schön, wenn man damit in Verbindung gebracht wird. Aber nach dem Rückspiel gegen Neapel hat mich das "Iron-Manni" ehrlich gesagt genervt, weil ich einfach ein Mannschaftsspieler bin und möchte, dass das Team nach einem solch außergewöhnlichen Spiel als Ganzes gewürdigt wird. Anschließend wurde jedoch fast nur über mich berichtet. Das hat mir nicht gefallen. Ich musste dann irgendwann sagen, dass es reicht.

SPOX: Gegen Napoli haben Sie sich einen Nasenbeinbruch zugezogen, aber durchgespielt. Das erscheint grenzwertig. Wie denkt denn die Familie über solche Situationen?

Bender: Das werde ich hier jetzt nicht verraten (lacht). Ich habe in jedem Fall auch meinen eigenen Kopf. Es weisen mich schon manches Mal Leute darauf hin und fragen, ob das immer alles richtig und gut ist. Als Außenstehender ist es auch mitunter schwierig zu verstehen, weshalb ich das mache.

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Sven Bender im Steckbrief

SPOX: Weshalb machen Sie das?

Bender: Wenn ich das Gefühl habe, dass ich kann, dann mache ich das und spiele. Wenn ich spüre, dass es funktioniert, dann versuche ich es auch. Es war eben so, dass das Gefühl relativ oft gut war (lacht). Ich möchte mir letztlich keinen Vorwurf machen, wenn es doch hätte gehen können. Ich will jedes Fußballspiel genießen und mitnehmen. Dafür lebe ich.

SPOX: Besteht für Sie die Gefahr, zu sehr auf den körperbetonten Aspekt reduziert zu werden?

Bender: Nein, denn nur mit Einsatz, Kampf und Draufhauen funktioniert es ja auch nicht. Es ist ein breites Spektrum an Fähigkeiten, das jeder Bundesliga-Spieler mitbringen muss. Ich habe mich beim BVB auf jeden Fall fußballerisch weiterentwickelt, aber ich komme eben schon immer über den Einsatz und das Gewinnen von Zweikämpfen. Trotzdem darf das Fußballerische natürlich nicht darunter leiden, ich muss mich ja auch ins Offensivspiel einschalten. Meine Weiterentwicklung in diesem Bereich ist jedoch noch lange nicht abgeschlossen. SPOX

SPOX: Nachdem Nuri Sahin die Borussia verließ, agierten Sie als Sechser deutlich offensiver und drangen in Bereiche des Spielfelds vor, die früher noch tabu für Sie waren. Wie sieht Ihre Rolle jetzt aus?

Bender: Meine grundsätzliche Aufgabe ist es, Nuri und die gesamte Offensive abzusichern. Die Jungs vor mir müssen sich sicher sein können, dass dies immer der Fall ist. Damit halte ich das Team auf eine gewisse Weise zusammen. Ich muss clever agieren und stehen, um die Räume zustellen.

SPOX: Und im Verbund mit Sahin?

Bender: Die Abläufe sind dank der hinzugewonnenen Erfahrung mittlerweile noch klarer, das Verständnis noch blinder und automatisierter geworden. Nuri hat durch die Auslandserfahrung einen großen Schritt gemacht. Dass wir älter und erfahrener geworden sind, kommt uns jetzt bei unserem Zusammenspiel zugute. Die Rollenverteilung zwischen uns ist vollkommen verinnerlicht.

SPOX: Bei Thomas Müller vom FC Bayern wird häufig vom Raumdeuter gesprochen, der sich immer wieder vorausschauend in Zonen schleicht, in denen er auch schwer zu stellen ist. Inwiefern gilt das auch für einen Sechser?

Bender: Ich muss in meinem Bereich auch intuitiv wissen, wie sich eine Spielsituation weiterentwickeln könnte und entscheidende Bereiche des Feldes besetzen, um Gegenstöße des Gegners so früh wie möglich zu unterbinden. Das kriegt man über das Training sowie die Spiele rein. Je erfahrener man ist, desto leichter fällt es einem, diese Situationen innerhalb unseres Spielsystems zu deuten. Das ist eine Mischung aus Intuition und natürlichem Spielverständnis.

SPOX: Wieso konnte der BVB dieses kollektive Jagen nach Bällen in der Hinrunde häufig nicht effizient genug umsetzen?

Bender: Schwer zu sagen. Wir haben einen sehr guten Start hingelegt. Danach hatten wir einige Spiele, die verloren wurden, obwohl gar nicht so viel verkehrt lief.

SPOX: Das beste Beispiel war die Niederlage bei Borussia Mönchengladbach.

Bender: Genau. Das war 80 Minuten lang überragend von uns. Die Gladbacher wussten an dem Tag nicht, wo oben und unten ist, weil wir sie überrannt haben. Und dennoch haben wir verloren. Dann suchst Du natürlich nach Erklärungen.

SPOX: Was kam bei der Suche heraus?

Bender: Es war unsere eigene Schuld, weil wir in den entscheidenden Augenblicken einfach nicht gallig genug waren. Der Sieg war für uns gemacht, nicht für Gladbach. Die haben ihn geschenkt bekommen, weil wir fahrlässig und leichtsinnig agiert haben. Wir müssen nun wieder den letzten Punch auf den Platz bringen, um solche Partien zu gewinnen. Dann werden wir auch nicht mehr darüber reden müssen, was verkehrt lief. Den perfekten Fußball gibt es nicht. Man kann aber versuchen, sich der Perfektion anzunähern.

SPOX: Es fehlen also nur ein paar Prozent?

Bender: Es gab auch Spiele, die wir unglücklich verloren haben, weil wir in Rückstand geraten sind und sich deshalb die Situation stark veränderte. Gegen die Bayern haben wir beispielsweise ein sehr gutes Spiel gemacht. Da können wir in Führung gehen, bekommen dann allerdings das Gegentor, mit dem sich das komplette Spiel gedreht hat. Wir haben damals lange Zeit eine Menge richtig gemacht. Das ist dann mehr eine Sache des Spielverlaufs als etwa der falschen Einstellung.

SPOX: In manchen Partien war allerdings auch die Gier der Vorjahre nicht zu spüren.

Bender: Ja, wir haben sicherlich auch manches Mal den Hunger auf Erfolg vermissen lassen. In diesen Spielen wurden wir dann auch immer gleich bitter bestraft. Davon dürfen wir uns jetzt aber nicht runterziehen lassen, sondern müssen auf die vielen guten Momente aufbauen, die wir in der Hinrunde zweifelsohne auch hatten. Wir müssen das, was uns in den Jahren zuvor ausgezeichnet hat, wieder auf den Platz bringen. Die Gier steckt weiterhin in uns. Wenn man dann einmal einen schwächeren Tag erwischt, aber trotzdem bis zum Ende Gas gibt, fährt man eben auch mal einen dreckigen Sieg ein. Davon hatten wir in der Hinrunde keinen einzigen. SPOX

SPOX: Wie sehr hat das auf die Stimmung in der Mannschaft gedrückt?

Bender: Wir sind ein eingeschworener Haufen und sehr gefestigt. Die Sinne sind nun geschärft. Unser Anspruch ist es, einfach weiter oben zu stehen, weil wir geile Kicker in unseren Reihen haben. Wir sind Vierter, aber haben noch alle Möglichkeiten. Es liegt an uns.

SPOX: Viele sprachen vor dem Start der Vorbereitung auf die Rückrunde von einem Paradigmenwechsel in Dortmund. Sehen Sie dafür eine Notwendigkeit?

Bender: Nein, das ist übertrieben. Es gibt keinen Neustart. Das würde ja bedeuten, dass bislang so gut wie gar nichts geklappt hat. Wir wissen, wie es funktioniert und haben das auch bewiesen - nur eben nicht in allen Spielen. Wenn wieder alle verstehen, dass wir unseren Plan mit der vollen Überzeugung durchziehen müssen, dann ist mir nicht bange.

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