Brad Pitt und Bier spielten eine wichtige Rolle, nun gebührt Marc Kosicke mit seiner Agentur "Projekt B" eine Ausnahmestellung in der Coaching-Szene. Er gilt als der Trainer-Flüsterer, der Pionier einer eigenen Branche - und Jürgen Klopps engster Vertrauter. Im Interview spricht Kosicke über den Hype um Klopp-Nachfolger Thomas Tuchel, ein unerwartetes Comeback-Szenario und Jürgen Klinsmann als Vorbild für jeden Trainer.
SPOX: Herr Kosicke, Sie werden von den Journalisten als "Trainer-Berater" tituliert. Gefällt Ihnen die Bezeichnung überhaupt?
Marc Kosicke: Die ganze Positionierung, ob man Berater, Manager oder Agent ist, finde ich relativ egal. In erster Linie verstehen wir uns als Partner der Trainer. Daher stört mich die Bezeichnung "Trainer-Berater" nicht großartig. Sie freut mich sogar ein bisschen, wenn damit assoziiert wird, dass man eine Nische entdeckt hat, die es vorher nicht gab.
SPOX: Sie sind der erste und der einflussreichste ihrer Art in Deutschland. Wussten Sie, dass das Beraten von Trainern eine Nische ist? Oder fanden Sie sie zufällig?
Kosicke: Bevor ich mich selbstständig gemacht habe, war ich bei "adidas" und "Nike" im Sponsoring tätig und hatte eine große Personalverantwortung. Damals suchte ich mir einen eigenen Coach, der sich nicht in meinem beruflichen Mikrokosmos bewegt, der mir aber mit dem Blick von außen Feedback gab. Das Mentoring gab mir so viel zurück, dass die Überzeugung entstand, dass die Verantwortungsträger im Sport ebenfalls jemanden benötigen, auf den sie sich verlassen können und der mit Rat zur Seite steht. So kamen Oliver Bierhoff und ich zusammen. Ich verließ "Nike" und Oliver sagte als erster Klient zu. Bei meiner Verabschiedung von den anderen "Nike"-Partnern kam dann Jürgen Klopp auf mich zu mit der Bitte, ihn ebenfalls zu unterstützen.
imagoSPOX: 2007 wurde "Projekt B" gegründet. Wie verlief der Start in eine ungewisse, selbstständige Zukunft?
Kosicke: Die Ausrichtung war von Anfang an "Fußball Leadership", die Beratung von Führungspersönlichkeiten im Fußball. Allerdings wusste ich nicht genau, ob die Idee greift. Spielerberater waren etabliert und das Geschäftsmodell dahinter von allen akzeptiert: Für die Leistung eines Beraters zahlt ein Spieler oder Verein Geld. Doch wenn ein Trainer oder Manager gut beraten wird - ist der Trainer oder der Verein bereit zu zahlen? Das war nicht ganz klar. Deswegen setzte ich anfangs sehr stark auf die Vermarktung und brachte Oliver mit Partnern zusammen. Parallel entwickelte sich die Idee, Coaching für Coaches auszuweiten, sehr schnell mit. Speziell durch Jürgen. Es fing mit der Entscheidung an, von Mainz wegzugehen, ohne einen neuen Job zu haben. Und es ging gleich weiter mit der Entscheidung, aus dem Fernsehen auszusteigen, um ein authentisch wahrgenommener Trainer zu werden und um seine Core Compentence in den Vordergrund zu rücken.
SPOX: Woher kommt der ungewöhnliche Name "Projekt B"? Wegen Bierhoff, dem ersten Klienten und Teilhaber der Firma? Oder haben Sie eine Vorliebe für den gleichnamigen Film von Jackie Chan?
Kosicke: Viele assoziieren Oliver mit dem Namen, dabei ist der Hintergrund ein anderer: Uns wollte partout nichts einfallen und wir gingen auf das Oktoberfest. Durch Zufall landeten ein paar Magazine in unsere Hand. In einem lasen wir, dass Brad Pitt die Filmproduktionsfirma "Plan B" komplett übernommen hat. Wir dachten uns: "Wenn schon Brad Pitt keinen Plan A besitzt, hängen wir unserem Projekt ein B an." Daraufhin schauten wir uns um und sahen, dass viele guten Dinge mit B beginnen: Bier, Brezn, Bayern. Und ich komme auch noch aus Bremen. So entstand der Name "Projekt B".
SPOX: "Projekt B" gehört mittlerweile zu den einflussreichsten und erfolgreichsten Berater-Agenturen überhaupt. Alleine in diesem Sommer verhalfen Sie Michael Frontzeck zum Job in Hannover, obwohl er als schwer vermittelbar galt. Nun hielt er die Klasse und ist der neue Hoffnungsträger des Klubs. Wie oft wurde der Champagner in diesen Tagen ausgepackt?
Kosicke: Wenn überhaupt, dann Bier. (lacht) Das Problem: Die Tagesaktualität überholt uns manchmal, so dass wir noch nicht dazukamen, auf das Erreichte anzustoßen. Von der Anbahnung bis zum konkreten Vorschlag, zu den Detailgesprächen und zur Unterschrift, vergeht viel Zeit. Da muss auf beiden Seiten alles stimmen, damit das kappt. Und wenn es klappt, geht's gleich wieder weiter.
SPOX: Sie gehen abends nach einem Vertragsabschluss zumindest stolz ins Bett?
Kosicke: Wenn mich etwas stolz macht, ist es eher bei den Trainern, die nicht in der ersten Reihe stehen oder aus sehr wenig viel machen müssen. Wenn ein Christian Preußer in Erfurt vom Jugendtrainer über den Assistenten zum Cheftrainer befördert wird, weil er gute Arbeit leistet, macht es mich glücklich. Oder wenn Jan-Moritz Lichte als Co-Trainer bei Hannover unterkommt. Oder wenn Stefan Ruthenbecks Arbeit in Aalen von anderen Klubs in Form von Angeboten gewürdigt wird. Es geht nicht immer um die großen Deals, die einen freuen. Sie helfen natürlich, den Business Plan von "Projekt B" für die nächsten Jahre entspannter anzugehen. Doch die kleinen Erfolge sind manchmal viel schöner, weil sie schwerer zu erreichen sind.
SPOX: Sie vertreten mit Lichte, Preußer oder Julian Nagelsmann, in Hoffenheim mit erst 27 Jahren verantwortlich für die A-Jugend, einige Coaching-Talente. Arbeiten Sie mit Trainer-Scouts zusammen, so wie Spielerberater Nachwuchs-Scouts nutzen?
Kosicke: Nein, ich decke das Thema nur mit meinen beiden Mitarbeitern ab. Sie sind super vernetzt und kennen sich in allen Leistungszentren aus. Und man verfügt über ein eigenes Netzwerk und kann einen Michael Zorc, Max Eberl oder einen Jörg Schmadtke kurz nach deren Meinung fragen. So entsteht ein Bild eines Kandidaten und wir können uns überlegen, ob derjenige zu uns passt. Wir arbeiten nur mit Jungs zusammen, mit denen man gerne ein Bier trinken würde und mit denen die Chemie stimmt.
Trainertalent Julian Nagelsmann im SPOX-Interview
SPOX: Die Phrase eines Marketing-Profis?
Kosicke: Überhaupt nicht. Ich werde häufig gefragt, warum wir nicht den oder den vertreten. Es passt manchmal einfach nicht. Man setzt sich zusammen und man merkt, dass beiderseits ein Vertrauensverhältnis nur schwer entstehen kann. In dem Fall ist es besser, wenn man sich das ehrlich eingesteht.
SPOX: Mit Augsburgs Markus Weinzierl würden Sie sich hingegen eine Zusammenarbeit wünschen, wie Sie in einem 11Freunde-Interview offen zugeben. Ist er auf Ihre Avancen eingegangen?
Kosicke: Er wusste bereits vor dem Interview, dass ich ihn sehr spannend finde. Wir haben schon gemeinsam ein Bier getrunken. Aber wir arbeiten nicht zusammen, er wird bereits von einem Freund beraten, der in der Branche ebenfalls tätig ist. Dennoch besteht ein guter Kontakt.
SPOX: Sie sind als Trainer-Berater in Deutschland konkurrenzlos - gäbe es nicht Harun Arslan, dem Agenten von Jogi Löw oder Mirko Slomka. Wie ist das Verhältnis?
Kosicke: Das ist eigentlich gar kein Problem, weil wir unterschiedliche Konzepte verfolgen. Harun ist mit seiner Agentur viel breiter aufgestellt und vertritt vor allem Spieler. Wir hingegen fokussieren uns auf Führungspositionen.
SPOX: Jorge Mendes, der Zar unter den Beratern, hat mit der Beratung ein Vermögen gemacht: Mit Jose Mourinho als Zugpferd scheint es, als ob er je nach Bedarf Trainer und Spieler miteinander verquickt und Sie als Paket bei Klubs unterbringt.
Kosicke: So etwas macht nichts mit mir. Ich hege nicht den Anspruch, Millionen zu scheffeln. Ich bin absolut glücklich mit dem Status: eine gute Mischung aus Inhalt und Verdienst. Die Motivation war nie die Kohle. Die Motivation war die Selbstständigkeit und die Möglichkeit, Geld mit dem zu verdienen, was man am liebsten macht: Mit Menschen zusammen zu sein, sie besser zu machen und selbst mitzuwachsen.
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Seite 2: Kosicke über Klopp, Bayern und die Premier League
Seite 3: Kosicke über den Tuchel-Hype
SPOX: Wie kommt es, dass Sie neuerdings Mats Hummels beraten?
Kosicke: Ganz wichtig: Es bezieht sich nur auf die Vermarktung. Die sportlichen Entscheidungen werden nur von ihm und seinem Vater Hermann Hummels getroffen. Weil Hermann früher in Mainz Jürgen trainiert hatte, kam die Verbindung zustande und sie fragten uns, ob wir sie bei den Sponsoring-Geschichten unterstützen können. Das war's.
SPOX: Zumal Hummels in Dortmund nicht mehr von Klopp, sondern zukünftig von Thomas Tuchel trainiert wird. Was erwarten Sie vom Nachfolger?
Kosicke: Es gibt einige Gemeinsamkeiten. Die emotionale Liebe zum Sport, die Mainzer Geschichte, das Erscheinungsbild mit dem Bart, der Statur und der Vorliebe für Kapuzen-Sweatshirts. Davon abgesehen sind sie sich vom Charakter sehr unterschiedlich. Und genau darin liegt die Chance.
SPOX: Oder ein Risiko. Geht Tuchel nicht das Folkloristische ab, das bei Klubs wie Dortmund und Schalke so wichtig ist?
Kosicke: Das Verhältnis zu den Fans ist natürlich wichtig, trotzdem sollte es in erster Linie um die Mannschaft gehen. Und die Mannschaft braucht keine Klopp-Kopie, sondern etwas komplett anderes. Daher ist der Charakter-Unterschied ein Vorteil.
SPOX: Wenn wir bei den Gemeinsamkeiten bleiben: Wie Tuchel legt Klopp ebenfalls eine Pause ein. Was war dafür entscheidend? Gab es keinen spannenden Verein, den er hätte übernehmen können?
Kosicke: Jürgen hat sich nie mit einem anderen Klub in welcher Form auch immer getroffen.
SPOX: Und Sie?
Kosicke: Ich habe natürlich mit anderen Klubs gesprochen. Nie über das Geld, sondern über die Ziele und Strategien. Und über allem stand für uns immer die Frage: Wie fühlt sich Jürgen, wenn er am 31. Mai mit einem ordentlichen Kater aufwacht, weil er das Pokalfinale gewonnen oder verloren hat? Und ist er bereit, zwei Wochen später mit allem Herzblut und Energie den Schalter umzulegen und nur noch für den neuen Klub da zu sein? Das geht vielleicht nach zwei Jahren bei einem Klub gut. Was ist jedoch nach sieben Jahren Dortmund? Und davor ohne Pause 18 Jahre Mainz? Jürgen hat jetzt zwei großen Lieben hinter sich und gleich in die nächste Beziehung zu stürzen, ist schwierig. Er will sich jetzt als "Trainer-Single" fühlen und mit seiner Frau Sachen erleben, zu denen er lange nicht gekommen ist. Dieser Impuls wurde immer stärker.
SPOX: Und die interessierten Klubs ahnten nichts?
Kosicke: Es war von Beginn an das Schwierigste, die Erwartungen der interessierten Klubs zu managen. Im Grunde sagte ich immer: "Pass auf, Jürgen wird wahrscheinlich eine Pause einlegen, aber wir können uns ja mal kennenlernen." Jeder Verein wusste, dass er höchstwahrscheinlich eine Auszeit einlegt.
SPOX: Wird er sich in der Auszeit weiterbilden? Hospitieren?
Kosicke: In andere Stadien zu gehen, würde ihn reizen, wobei das einfach nicht mehr geht, dafür hat er eine zu markante Erscheinung. Und Hospitanzen sind auf dem Niveau eher ungewöhnlich. Was interessant sein könnte: Dass er sich mal anschaut, wie beispielsweise ein Klub wie Udine funktioniert. Oder wie in Amerika eine Liga wie die MLS organisiert ist. Das Wichtigste: Erst einmal ist Urlaub angesagt.
SPOX: Ist es sicher, dass seine Assistenten Peter Krawietz und Zeljko Buvac nach der Auszeit mit Klopp zum neuen Klub wechseln, unabhängig davon, in welchem Land es sein wird?
Kosicke: Das ist unabhängig von der Liga und der Sprache: Sie sind ein Trainerteam und sie bleiben zusammen, egal was passiert und wohin es geht.
SPOX: Sie sagten bereits, dass für Klopp die Sprache als Mittel wichtig ist und sich deswegen die Premier League anbieten würde, da er des Englischen mächtig ist. Wäre die Premier League auch interessant, weil dort der Trainer zugleich der Manager ist und man größeren Einfluss nehmen kann?
Kosicke: Die Premier League ist sehr spannend. Und damit meinen wir nicht nur die ersten Vier, es gibt ja darunter noch tolle Klubs. Wegen des Jobprofils bin ich mir allerdings nicht sicher. Die Gewaltenteilung in Deutschland finde ich prinzipiell sehr gut und Jürgen ist keiner, der gerne mit Spielerberatern spricht und Transfers abwickelt. Wir müssen sehen, welche Konstellation die sinnvollste ist.
SPOX: Sie sprechen von tollen Klubs außerhalb der ersten Vier. Konkret: Klopps nächster Verein muss nicht zwangsläufig eine Steigerung zu Dortmund sein, was Renommee und Kaufkraft anbelangt?
Kosicke: Es geht immer um die Aufgabe. Als Jürgen damals in Dortmund unterschrieben hatte, gab es andere Klubs, die finanziell und vom Prestige zu der damaligen Zeit besser dastanden. Dennoch gab er Dortmund den Zuschlag. Er besitzt die große Fähigkeit, Dinge zu entwickeln. Wenn er in ein Stadion geht, die Energie spürt und sich denkt, dass er hier etwas schaffen kann, könnte das für ihn reizvoller sein, als zu den vermeintlich Großen zu gehen und das Triple anzustreben.
SPOX: Was dachten Sie sich, als Bayerns Verwaltungsbeirat Helmut Markwort über die angeblichen Verhandlungen zwischen München und Klopp im Sommer 2013 plauderte?
Kosicke: Ich habe direkt bei Mediendirektor Markus Hörwick angerufen und ihn darum gebeten, das Thema zu recherchieren und klarzustellen. Was sowohl der FC Bayern als auch Herr Markwort direkt getan haben.
SPOX: Sie sind sich bewusst, dass bei jeder Bayern-Niederlage in der kommenden Saison Klopp als möglicher Guardiola-Nachfolger gehandelt werden wird? Er kehrt wohl im Sommer 2016 zurück - und Pep Guardiolas Vertrag endet im Sommer 2016.
Kosicke: Die Bayern haben einen Top Trainer und sind sich dessen bewusst. Wenn Guardiola ein Zeichen gibt, dass er für eine Verlängerung bereit ist, werden sie dem sehr wahrscheinlich nachkommen. Jürgen sagt selbst, dass er die Bayern nicht prinzipiell ausschließt, aber es ist nicht so, dass wir nach München schielen und hoffen, dass da was geht. Ganz allgemein ist es das Schöne an der Auszeit: Er kann sich vieles aus der Entfernung anschauen und sich in Ruhe seine Meinung bilden.
SPOX: Im Film "Trainer!" von Grimme-Preisträger Aljoscha Pause spricht Klopp darüber, dass es viele Trainer geben würde, die genauso kompetent sind wie er. Dass es jedoch genauso zum Talent eines Trainers gehört, stressresistent zu sein. Wenn nun selbst ein Klopp eine Auszeit benötigt: Wie schwer ist der Job eines Bundesliga-Trainers?
Kosicke: Extrem stressig. Ich kenne wenige Berufe, in denen man so viel aushalten muss. Das Profil des Trainers hat sich in den letzten zehn Jahren radikal verändert. Es ist eine Metamorphose hin zum Manager. Dass im Duden der Trainer für Übungsleiter steht, stimmt für die Bundesliga lange nicht mehr. Mittlerweile muss ein Trainer viele Facetten abdecken und die Spieler, das Funktionsteam und die Fachleute für Wissenschaft managen. Zudem muss er zwischen Präsidenten, Geschäftsführer und Presseabteilung die Balance halten. Es ist ein 24/7-Aufgabe, und das zehrt gewaltig.
Filmemacher Aljoscha Pause im SPOX-Interview
SPOX: Wie stressresistent sind Sie? Können Sie in dem Punkt den Trainern beratend zur Seite stehen?
Kosicke: Es ist nicht einfach, weil man sich nie hundertprozentig in den Trainer hineinversetzen kann. Egal wie stressig es bei mir zugeht, meine Arbeit wird nicht im Detail öffentlich bewertet. Wo ich helfen kann: Ich habe ganz gute Trigger für mich gefunden, um runterzufahren. Jogging, selbst kicken, Tennis, ein Hörbuch, Handy ausschalten, was auch immer: Ein Trainer muss für sich die Ruhe-Inseln finden, eigene Anker entwickeln. Dabei versuche ich, Hilfestellung zu geben.
SPOX: Im angesprochenen Film "Trainer!" werden die Schicksale von drei Shootingstars über eine Saison intensiv beleuchtet. Frank Schmidt verpasst mit Heidenheim nur knapp den Aufstieg in die zweite Liga, Ihr Klient Andre Schubert bei St. Pauli und Stephan Schmidt in Paderborn werden hingegen entlassen. Für beide bedeutete es eine schmerzhafte Zäsur. Was sagt es über das Geschäft aus?
Kosicke: Wenn man in der Bundesliga oder 2. Liga relativ schnell aus dem Karussell fliegt, ist es unglaublich schwer, wieder aufzusteigen. Gerade wenn man nicht den bekannten Namen besitzt. Es bleibt nur, sich in der Schlange wieder hinten anzustellen. Eine Abkürzung gibt es leider nicht.
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SPOX: Schubert gehörte bis vor wenigen Jahren zu den hoffnungsvollsten Trainer-Talenten und fand nun bei der deutschen U-15-Nationalmannschaft Unterschlupf. In St. Pauli wurde ihm zuerst vorgeworfen, dass er zu konsequent sei. In Folge dessen passte er den Führungsstil an - und plötzlich war er nicht mehr geradlinig genug. Wie geht ein junger Coach mit einem derartigen Rückschlag um?
Kosicke: Die Klubs wissen, dass er ein guter, qualifizierter Trainer ist. Trotzdem hängt ihm St. Pauli eine Zeit lang nach. Viele vergessen, dass er es war, der in Paderborn die Strukturen aufgebaut hatte, ohne die die Bundesliga undenkbar gewesen wäre. Ich bin mir dennoch sicher, dass er irgendwann wieder im Profifußball auftauchen wird. Jetzt geht es erst einmal darum, dass er wieder eine Mannschaft trainieren kann, das ist das wichtigste für ihn. Obwohl einige meinen, dass die Karriere vorbei ist, wenn man von St. Pauli in den U-15-Bereich geht. Für Andre ist das egal, er braucht das Arbeiten mit einer Mannschaft einfach. Und es gibt schlechtere Arbeitgeber als den DFB.
SPOX: Welche Lehren ziehen Sie aus solchen Erlebnissen?
Kosicke: Man kann nur sein eigenes Ding durchziehen. Da können wir alle etwas von Jürgen Klinsmann lernen, wie er mit Überzeugung hinter einem Projekt steht und ihm dadurch Glaubwürdigkeit verleiht. In jeder Kabine merken es die Spieler, wenn der Vorgesetzte nur ein bisschen von seiner Linie abweicht. Es wird ihm sofort als Schwäche ausgelegt. Stattdessen muss man an seinem Kurs festhalten, so wie Klinsmann es von 2004 bis 2006 beim DFB getan hat. Oliver Bierhoff geht das als DFB-Manager ähnlich an. Als er die Idee mit dem Campo Bahia als das Zuhause während der WM hatte, meinten viele: "Oh Gott, der Bierhoff will sich sein eigenes Hotel bauen." Oliver hielt daran fest, weil er sicher war, dass nur so der besondere Geist entsteht, der am Ende den Unterschied ausmacht. Und am Ende ist Deutschland Weltmeister und alle finden Campo Bahia super. Jeder Trainer benötigt diesen Charakterzug: "Entweder es klappt oder ich scheitere - und wenn ich scheitere, dann nur aus Überzeugung."
SPOX: Michael Frontzeck hatte keinen Promi-Bonus und musste wie viele andere lange auf eine neue Chance warten. Können Sie an ihm erklären, wie Ihre Arbeit aussieht und wie Sie Hannover zur Unterschrift bewegten?
Kosicke: Es half, dass Michael schon als Co-Trainer unter Ewald Lienen in Hannover gearbeitet hatte, daher kannte die Klubführung ihn persönlich. Wobei das natürlich nicht reicht. Grundsätzlich steht man mit den Klubverantwortlichen in Kontakt, um herauszufinden, welche Art von Profil der neue Trainer haben soll. Im Falle von Michael ist es so, dass er eine ganz tolle, unglaublich beruhigende Aura besitzt. Nur mit seiner Art wird ein Klub weniger hektisch. Wenn er einen Raum betritt, werden alle automatisch entspannter. Außerdem weiß er, wie er Botschaften vermittelt. Vor allem die jungen Trainer haben so viel Ahnung und wollen alles weitergeben, jedoch ist immer noch das Motto effektiv: Keep it simple. Es gibt so viele Charaktere in einer Mannschaft und die große Kunst ist es, dass alle den Trainer und das, was er von Ihnen verlangt, verstehen. Deswegen muss man genau das richtige Maß finden, und das beherrscht Michael grandios. Wir hatten also Argumente und die Einigung gelang relativ schnell.
SPOX: Einer der kuriosesten Fälle ist Michael Oenning, ebenfalls von Ihnen beraten. Er gehörte zu den Trainern der neuen Generation und verschwand plötzlich. Seit 2011 hat er keine Anstellung mehr. Dabei müsste er als langjähriger Sky-Mitarbeiter wissen, wie er mit Medien und Öffentlichkeit spielt.
Kosicke: Michael kommt aus dem Münsterland und ist daher kein Typ, der sich charmant in der Presse um einen Job bewirbt. Seine Vita ist sehr gut und er besitzt zweifelsfrei großes Wissen. Sein großes Glück oder je nach Blickwinkel Pech ist es, dass er an so vielen Dingen interessiert ist und verschiedenste Kompetenzen besitzt. Vielleicht ist das für die Trainerkarriere kontraproduktiv, da der Trainer an sich während einer Saison 24/7 an seine Mannschaft denkt. Mittlerweile hat sich Michael ohne den Trainer-Job im Fußball-Business etabliert. Er ist für Sky unterwegs, hält Vorträge bei Firmen, wird als Experte in Kommissionen eingeladen. Nichtsdestotrotz will er wieder als Trainer arbeiten. Aber er sagt auch, dass es genau passen muss, bevor er sich wieder in das Risiko begibt.
SPOX: Obwohl es so viele arbeitslose Trainer gibt, bekommt man häufig den Eindruck, dass die Auswahl für die Vereine limitiert ist. Schalke etwa scheint sich nur auf Marc Wilmots zu konzentrieren. Ist der tatsächliche Trainermarkt kleiner als der gefühlte Trainermarkt?
Kosicke: Wegen des Klopp- und Dortmund-Bezugs war ich nie nahe dran an Schalke. Im Nachhinein stellt man fest, dass Jens Keller noch der erfolgreichste Trainer war, ohne die schillernde Persönlichkeit zu sein, die man auf Schalke eventuell gerne hätte. Nach ihm kam Roberto Di Matteo: ein großer Name, ähnlich introvertiert. Jetzt möchte man womöglich jemanden, der die Fans emotionalisiert - und da kommt einem als erstes Wilmots in den Kopf. Noch extremer hatten wir es allerdings in der Zeit davor, als Tuchel verfügbar war. Man dachte zwischenzeitlich, dass es nur noch Thomas Tuchel und sonst keinen guten verfügbaren Trainer mehr gibt. RB Leipzig wollte ihn und nimmt am Ende lieber gar keinen von extern, weil Tuchel nicht zu haben war. Hamburg wartete ganz lange, fast zu lange auf ihn, und lässt es sogar den Sportdirektor machen, damit er noch zusagt. So sehr ich Thomas Tuchel wertschätze, empfand ich das als sehr hart für die gesamte Trainergilde. Und wie ich Ihn einschätze, empfand er es sicher ähnlich. Für die verfügbaren Trainer, die nicht einmal angesprochen wurden, war der Tuchel-Hype ein Schlag ins Gesicht. So irrational ist es manchmal.
SPOX: Haben Sie den Code entschlüsselt, um einen Trend bei der teils irrationalen Trainerakquise vorauszusagen?
Kosicke: Nein, der Markt ist dafür viel zu volatil und man weiß nie, wie lange ein Trend anhält. Stand jetzt gibt es einen Trend zu eigenen Lösungen. In Mainz, Freiburg, Bremen, Berlin und zwischenzeitlich Hamburg nahm man einen Trainer aus dem eigenen Stall, was ich an sich sehr positiv finde. Der eigene Trainernachwuchs wird gefördert, und die Eigengewächse kennen am besten die Klubwerte und die Jugendspieler, die nachkommen.
SPOX: Eine der Feelgood-Stories der abgelaufenen Saison schrieb Ihr Klient Viktor Skripnik bei Werder Bremen. Und das, obwohl er sich vor der Kamera unwohl fühlt und sich kaum inszenieren kann. Ungeachtet dessen wurde er zum Kult. Wie lässt sich Skripniks Wirken beschreiben?
Kosicke: Man darf ihn nicht falsch einschätzen: Er hat keine Angst vor der Kamera, er ist als Lobanowsky-Schüler dennoch kein Mann der großen Worte. Was ihm hilft: Als lokale Figur bringt er bei den Fans eine Akzeptanz mit, zumal der Bremer an sich ein Mensch ist, der nicht viele Worte machen muss. Dass Viktor so zum Kult wurde, ist ihm umso unangenehmer. Vor allem, weil er oft als einziger Vater des Erfolgs dargestellt wird, statt dass das gesamte Trainerteam im Vordergrund steht. So fällt kaum auf, was die eigentlich größte Stärke von ihm ist: Er kann super eine Gemeinschaft zusammenstellen. Er ist der Chefcoach, aber Torsten Frings bringt in der Kabine große Power rein. Florian Kohfeldt ist ein ausgewiesener Fachmann und bringt die moderne Denke mit. Und Torwarttrainer Christian Vander ist viel mehr als ein reiner Torwart-Trainer. In Bremen zeigt sich, was wir mit unserem Leitspruch meinen: "Heterogenität in den Eigenschaften und Homogenität in den Werten, macht ein Team zu Gewinnern."
SPOX: Sie selbst wären beinahe Skripniks Chef gewesen: 2013 standen Sie kurz davor, das Angebot als Werder-Geschäftsführer anzunehmen - und sie sagten ab. Mit zwei Jahre Abstand: die richtige Entscheidung?
Kosicke: Ich bin Bremer und mein Herz hängt an diesem Verein. Trotzdem ist es immer noch die richtige Entscheidung, voll und ganz. Ich sage nicht, dass ich nie in meinem Leben bei einem Verein arbeite. Nur: Zurzeit passt es einfach nicht. Unsere Kinder sind noch klein und meine Frau arbeitet im Fernsehen. Wenn ich eine Funktion bei einem Bundesligisten hätte, wäre das zu viel. Und: Mit "Projekt B" habe ich mein eigenes Projekt, das ich ungern verlassen würde.
SPOX: Ein weiteres Szenario: Sie warten, bis Klopp zurückkehrt, und gehen mit ihm als Doppelpack zum neuen Klub. Ralf Rangnick macht es in Leipzig vor, wo sein früherer Berater Oliver Mintzlaff die Position des Vorstandsvorsitzenden bekleidet.
Kosicke: Das ist nicht angedacht. Leipzig ist eines der spannendsten Projekte im Fußball und zugleich ein Einzelfall. RB kommt aus dem Corporate Business, wo derartige Konstrukte gelebt sind. Bei einem anderen Verein sehe ich es nicht, dass so etwas von einem Aufsichtsrat oder von den Fans akzeptiert werden würde.
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