Schritt für Schritt zu alter Stärke

Von Philipp Dornhegge
Der Kader des 1. FC Kaiserslautern in der Saison 2011/2012
© Getty

In den Tagen vor dem Start der neuen Bundesliga-Saison stellt SPOX alle 18 Klubs in einer Vorschau-Serie vor - mit allen Transfers, Hintergründen und der Saison-Prognose. Diesmal: Der 1. FC Kaiserslautern.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Was war das für eine famose Rückkehr in die Bundesliga, die der 1. FC Kaiserslautern 2010/2011 feierte! Mit Platz sieben landete man weit oberhalb dessen, was für möglich gehalten wurde. Auf dem Weg dahin schlug man unter anderem den FC Bayern München und fegte Schalke 04 mit 5:0 vom Platz.

Der Klassenerhalt wurde erst spät perfekt gemacht, doch er war absolut verdient angesichts zum Teil gut anzuschauender Auftritte, insbesondere auf dem heimischen Betzenberg. Die kämpferische Einstellung der Mannschaft war ohnehin über jeden Zweifel erhaben.

Nun will man auf diesem ersten Teilerfolg aufbauen. Denn eins ist klar: Der FCK hat keine Lust, nur ein vorübergehender Gast in der Bundesliga zu sein. Die Pfälzer wollen sich nach zuvor vier Jahren Zweitklassigkeit wieder langfristig im Oberhaus etablieren und nehmen unter der Ägide des unaufgeregten Stefan Kuntz auch eine langsame Entwicklung in Kauf.

Natürlich will man erfolgreich sein, aber zunächst gilt es, die in der Vergangenheit zum Teil verheerenden Bilanzen auszugleichen und so eine solide Grundlage zu schaffen.

Dass es deshalb auch dieses Jahr "nur" um den Klassenerhalt geht, ist kein Problem - und schmälert die Euphorie der treuen FCK-Fans in keinster Weise. Schon Anfang Juli wurde der Dauerkartenverkauf bei 27.000 abgesetzten Saisontickets gestoppt. "Das ist erneut ein großartiges Zeichen der Unterstützung unserer Fans", sagte Martin Amedick dazu.

Während anderswo die Fetzen fliegen (Köln) oder ein frühes Pokal-Aus schon vor Saisonstart für Missstimmung sorgt (Wolfsburg, Freiburg, Bremen), geht es in der Pfalz ganz gediegen zu. Auch der hohe Wellen treibende Wechsel von Srdjan Lakic zum VfL Wolfsburg, der schon im Winter bekannt wurde, warf die Roten Teufel auf ihrem Weg nicht aus der Bahn.

Das ist neu

Nachdem man sich in den letzten beiden Saisons viel mit Ausleihspielern über Wasser hielt - in der vergangenen Saison standen Jan Moravek, Erwin Hoffer und Adam Hlousek für eine Saison zur Verfügung -, war der 1. FC Kaiserslautern diesen Sommer einmal mehr gezwungen, personell kräftig nachzulegen.

Nimmt man die hochgezogenen A-Jugendspieler Willi Orban und Julian Derstroff sowie Steven Zellner aus der zweiten Mannschaft dazu, stehen bei den Roten Teufeln in der kommenden Saison neun Neulinge im Kader. Abwehrtalent Lucas wurde bereits im Winter von Bayer Leverkusen ausgeliehen.

Das alles erinnert irgendwie an die Vorjahre, mit einem entscheidenden Unterschied: Die Neuzugänge wurden diesmal nicht ausgeliehen, sondern fest unter Vertrag genommen. Besonders von den beiden Champions League erprobten Israelis Itay Shechter und Gil Vermouth erhoffen sich die Macher, dass sie in den nächsten Jahren das Spiel der Pfälzer prägen.

Aber auch Dorge Kouemaha, Richard Sukuta-Pasu und Olcay Sahan sollen ihre Einsatzzeiten bekommen. Der talentierte Grieche Kostas Fortounis soll aus der zweiten Reihe Spielmacher Vermouth Beine machen.

Gewinner der Vorbereitung, das lässt sich ohne Frage sagen, ist Sahan. Dem Neuen aus Duisburg hatte nicht jeder zugetraut, sich gegen die gutklassige und vor allem zahlreiche Konkurrenz im Mittelfeld durchsetzen zu können. Derzeit aber scheint der 24-Jährige seinen Platz in der ersten Elf sicher zu haben.

Die Vielzahl an hochwertigen Transfers ist vor allem Beleg dafür, dass sich die finanzielle Lage beim FCK langsam aber sicher entspannt. Und genau aus diesem Grund hat sich abseits der Verpflichtungen recht wenig getan. Warum auch?

Der Trainer arbeitet hervorragend mit der Mannschaft zusammen, der 7. Platz in der Vorsaison war deutlich mehr, als man erwarten konnte und das Umfeld bleibt trotzdem verhalten euphorisch, aber bescheiden.

Zu verdanken ist das Stefan Kuntz. Seit der Vorstandsvorsitzende die Zügel bei seinem Verein, einer "Herzensangelegenheit", in der Hand hält, geht es bergauf, der Zusammenhalt in der Region stimmt. Nach Jahren des Chaos stabilisiert sich der gesamte Verein sportlich, personell und finanziell. Und so gibt eben doch noch eine Neuigkeit: Kuntz' Vertrag wurde unlängst bis 2015 verlängert. Wen wundert's.

Die Taktik

Kurz hat in der Vorsaison vor allem zwei taktische Aufstellungen spielen lassen und wird das auch in der kommenden Spielzeit tun: Häufiger griff er auf ein 4-2-3-1 zurück, bei dem zwei Sechser das Mittelfeld dicht machen und ein echter Zehner die alleinige Spitze unterstützt. Diese Spielmacherrolle soll im Idealfall Vermouth zukommen, aber zunächst muss der 25-Jährige nach einer Leistenoperation richtig fit werden. Das könnte noch die eine oder andere Wochen dauern. Gesetzt ist Ivo Ilicevic, der auf beiden Flügeln spielen kann, links aber deutlich effektiver ist.

Die Alternative zu diesem System ist ein 4-2-2-2. Auch hier spielt der FCK mit zwei Sechsern, aber der klassische Spielmacher fehlt. Dafür wird das Flügelspiel noch mehr forciert, im Sturm reiben sich zwei Angreifer auf.

Auch wenn aktuell noch unklar sein soll, wer für die Tore sorgen soll, dürfte Shechter über kurz oder lang die Nase vorn haben. Kein anderer Angreifer hat schon auf Champions-League-Niveau seine Klasse nachgewiesen. Dazu perfekt passen würde an sich Adam Nemec, der mit seinem bulligen Körper Bälle abschirmen und verteilen kann.

Auf dem rechten Flügel gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten: Sukuta-Pasu, Sahan, Oliver Kirch, Clemens Walch oder eben Vermouth stehen zur Auswahl. Auch anderswo ist der Positionskampf noch in vollem Gange.

Im Tor hat sich Kurz für Trapp entschieden, Sippel stand im Pokal nicht einmal im Kader. In der Innenverteidigung ringen Martin Amedick und Mathias Abel um den Platz neben Rodnei und Neukapitän Tiffert sucht noch seinen Partner auf der Doppelsechs. In Frage kommen die defensivstarken Thanos Petsos und Jiri Bilek oder die offensiver denkenden Oliver Kirch und Pierre de Wit.

Allerdings: Entscheidend ist so oder so, "als Team und im Kollektiv fleißig zu arbeiten und wieder an unsere maximale Leistungsfähigkeit zu kommen". Das jedenfalls sagt Kurz, selbst als harter Arbeiter bekannt. Und er fügt hinzu: "Unsere Hauptaufgabe wird es sein, die Lücke zu schließen, die Srdjan Lakic hinterlassen hat."

Spieler im Fokus

Ivo Ilicevic. Über den kolportierten "Skandal", dass in der Sommerpause drei Spieler des FCK in betrunkenem Zustand im Bordell aufgegriffen wurden, will im Umfeld des Vereins niemand mehr reden.

Die sensationshungrige Presse wird damit im Regen stehen gelassen, für den Verein kann diese Politik nur positiv sein. Und für Ilicevic sowieso. Er kann sich voll und ganz auf den Fußball konzentrieren.

Die Fans versprechen sich in der neuen Saison viel von dem Mann, der zwischenzeitlich angeblich sogar das Interesse des FC Bayern auf sich gezogen haben soll. Neuzugang Vermouth freut sich schon darauf, mit einem "tollen Fußballer" zusammen spielen zu dürfen. In der letzten Spielzeit hat der 24-Jährige diese Klasse nicht oft genug nachgewiesen. Aufgrund von Verletzungen kam er insgesamt nur auf 21 Einsätze.

Hier und da wurde ihm zudem angelastet, dass er defensiv seinen Partner - Leon Jessen auf links, Florian Dick auf rechts - zu oft im Stich ließ. Auf der anderen Seite war kaum ein Spieler so entscheidend für den Offensivdrang wie Ilicevic. Die besten Spiele hat der FCK dann gemacht, wenn der Kroate auf dem Platz stand. Deshalb hat Ilicevic zur neuen Saison drei Aufträge: gesund bleiben, defensiv emsiger und stabiler werden und offensiv nicht nachlassen.

Das Interview

SPOX: Mit Itay Shechter ist ein zweiter Israeli mit Ihnen zum FCK gewechselt. Wie wichtig ist das für Sie?

Gil Vermouth: Er ist schon eine wichtige Bezugsperson. Wir haben im letzten Jahr viel darüber geredet, dass wir gerne in eine europäische Topliga wechseln würden. Das war unser beider Wunsch. Dass wir jetzt auch noch beim gleichen Klub spielen, hätten wir uns kaum träumen lassen. Aber es hat uns beiden die Entscheidung zusätzlich erleichtert, in Kaiserslautern zu unterschreiben.

SPOX: Ihre Freundschaft könnte für den FCK auch auf dem Platz ein Segen sein.

Vermouth: Das hoffe ich! Wir verstehen uns wirklich fast blind, deshalb wäre es schön, wenn wir so viele Spiele wie möglich gemeinsam auf dem Platz stehen könnten.

Hier geht's zum kompletten Interview mit Gil Vermouth

Prognose

Für viele Experten scheint vor Saisonstart schon festzustehen, dass der 1. FC Kaiserslautern am 34. Spieltag unter dem Strich stehen wird. Warum eigentlich?

Die Abgänge von Lakic und Jan Moravek wiegen schwer, ohne Frage. Auf der anderen Seite hat sich der Klub durchaus sinnvoll verstärkt. Insgesamt kam mit den Neuzugängen viel Torgefahr, spielerische Klasse garantieren Shechter, Vermouth, Sahan und Fortounis.

Die unterschiedlichen Typen bescheren Kurz darüber hinaus mehr Möglichkeiten zu variieren. Und der FCK hat genau das, was viele direkte Konkurrenten nicht haben: eine eingespielte Abwehr, die schon in der Vorsaison in den meisten Spielen sicher stand.

Das Umfeld ist ruhig, die Erwartungshaltung gemäßigt, niemand erwartet Wunderdinge: Für eine Mannschaft, die sich langsam wieder in der Liga etablieren will, kann es kaum bessere Bedingungen geben. Der Hexenkessel Fritz-Walter-Stadion ist ein weiteres Plus.

"Wir können unseren siebten Platz aus der Vorsaison realistisch einschätzen", stellt Kurz klar. "Unser Ziel ist ganz klar der Klassenverbleib." Es gibt wenig Argumente, die dagegen sprechen.

Der 1. FC Kaiserslautern im Steckbrief