SPOX: Das ragt also ständig bis ins Privatleben hinein?
Hummels: Nicht wenn ich zu Hause bleibe (lacht). Bewege ich mich in der Öffentlichkeit, dann wie beschrieben aber schon. Wenn ich beispielsweise mit meinem Bruder und drei Freunden durch die Gegend laufe, dann nehmen es mittlerweile auch sie schon wahr, wenn andere Leute gucken und tuscheln. Man erkennt diese spezielle Verhaltensweise relativ schnell. Dann fühlt man sich nicht ganz so frei, wie wenn man unerkannt bleiben würde.
SPOX: Wäre Ihnen auch mal jemand lieb, der Ihnen seine Meinung ins Gesicht geigt anstatt Sie positiv anzusprechen?
Hummels: Ja, irgendwie schon - solange es nicht richtig beleidigend wird (lacht). Es wäre aber durchaus in Ordnung, wenn mal jemand sagen würde, dass ich ihn aus welchen Gründen auch immer nerve. Wenn er das begründen kann, wäre ich durchaus bereit zu sagen, dass man das vielleicht so sehen kann. Es liegt aber wohl auch daran, dass die meisten Menschen das Gefühl haben, total positiv reagieren zu müssen. Das ist für mich aber logischerweise alles andere als schlimm.
SPOX: Bei Trainer oder Mitspielern, das geben Sie ja auch zu, kann es aufgrund Ihres selbstbewussten Auftretens dazu kommen, dass Sie auch anecken. Wie begründen Sie das?
Hummels: Das steckt wohl einfach in mir drin. Mein Bruder ist in dieser Beziehung ganz ähnlich. Wir haben uns so entwickelt, dass wir Dinge ansprechen. Bewerte ich die Dinge für gut, hat damit niemand ein Problem. Bewerte ich sie schlecht, stört das eben auch manchmal die Leute.
SPOX: Wie reagieren die Mitspieler dann?
Hummels: Die Rückmeldung, die ich aus unserer Mannschaft bekommen habe, war so, dass es anfangs für manche ein bisschen gewöhnungsbedürftig war, wenn ich etwas auf eine direktere Art und Weise angesprochen habe. Wer diesen Aspekt an mir einmal richtig kennen gelernt hat, weiß das aber auch ziemlich schnell richtig einzuschätzen und kann damit umgehen. Ich bestehe ja auch niemals darauf, dass meine Meinungen oder Verbesserungsvorschläge immer total sinnvoll sind. Ich fühle mich nicht auf den Schlips getreten, wenn zu mir gesagt wird, dass man das Geäußerte für totalen Humbug hält.
SPOX: Der Großteil der Mitspieler dürfte sich demnach längst darauf eingestellt haben. Sie spielen jetzt seit Anfang 2008 in Dortmund, aufgrund Ihrer Leistungen kursieren ständig Wechselgerüchte um Sie. Ist es Ihnen wichtiger, einen zu Ihnen passenden Fußball zu spielen, als bei einem Verein anzuheuern, der mehr zahlt und eine höhere Wahrscheinlichkeit auf Titel mitbringt?
Hummels: Ja, absolut. Ich hatte schon immer meine eigene persönliche Vorstellung vom Fußballspiel. Die hat sich von klein auf über die Jahre natürlich entwickelt und sie entwickelt sich auch jetzt noch weiter. Mir ist es vor allem wichtig, dass ich beruflich das tue, was ich gut finde und woran ich Spaß habe. Deshalb möchte ich meine persönliche Art innerhalb des Fußballs unterbringen, den meine Mannschaft spielt. Wenn ein Verein an mir interessiert wäre und mir die dortige Art des Fußballspiels nicht zusagt, dann wäre das für mich ein glasklarer Aspekt, der gegen einen Wechsel sprechen würde.
SPOX: Ihr Ideal scheint folglich der BVB zu verkörpern. Hat die Borussia - wenn sie ihren Fußball nicht radikal verändert - gute Chancen, dass Sie ihr lange erhalten bleiben?
Hummels: Ich bin ja bereits sechs Jahre hier, das ist ja schon einmal etwas (lacht). Aber klar, das ist natürlich mit ein Grund, weshalb ich den Verein bislang nie verlassen wollte. Ich kann mich sehr gut damit identifizieren, wie wir Fußball spielen und ihn auch leben. Das entspricht schon sehr meiner Vorstellung, die ich als 16- oder 17-Jähriger hatte, als ich mir damals sehr intensiv Fußballspiele angeschaut habe.
SPOX: Dortmund liegt von den Gehältern, die europäische Topklubs zahlen, noch ein ganzes Stück entfernt. Das ist sicherlich auch ein Grund, weshalb der Verein momentan noch nicht in der Lage ist, Spielerabgänge zu vermeiden. Bis sich der BVB in diese Sphären entwickelt, dürfte zudem noch einige Zeit vergehen. Kann man als Spieler heutzutage überhaupt so geduldig und damit vereinstreu sein?
Mats Hummels' OPTA-Bundesliga-Statistiken 2013/2014
Hummels: Natürlich kann man das. Es gibt genügend Gründe, lange bei einem Verein zu bleiben. Letztlich dreht sich alles immer um die Frage: Was ist für mich als Spieler am wichtigsten? Es gibt sicherlich Spieler, die am Ende ihrer Karriere einen bestimmten Kontostand erreichen möchten - was auch keineswegs verwerflich ist. Dann gibt es welche, die eine gewisse Anzahl an Titeln gewinnen wollen. Manchen ist es wie mir wichtig, den passenden Fußball mit einer Mannschaft zu spielen, die man sowohl sportlich wie menschlich sympathisch findet.
SPOX: Nach dem verlorenen Champions-League-Finale im vergangenen Jahr sagten Sie, dass Ihre Träume als Kind bei einem Sieg fast schon zu schnell in Erfüllung gegangen wären. Hätten Sie dann die Befürchtung gehabt, keinen Antrieb mehr zu finden?
Hummels: Es bleibt zwar spekulativ, aber ich kann mir schon vorstellen, dass das zumindest für ein Jahr so geworden wäre. Natürlich hätte ich lieber als alles andere den Sieg geholt, aber ich finde, es ist auf eine gewisse Weise einfach schön, solchen Zielen etwas länger hinterher zu eifern. Der Weg ist interessanter als das Ziel - das fühlt sich für mich in der Tat häufig so an.
SPOX: Kann es passieren, dass einem die Ziele ausgehen?
Hummels: Die Ziele nicht, die Träume aber schon. Wenn man viele seiner Träume bereits erfüllt hat, wird die bloße Anzahl entsprechend geringer. Ich glaube, dass es etwas Gutes ist, wenn man Dinge nicht sofort bekommt. Siehe das Beispiel Champions-League-Finale: Das war jetzt unsere erste realistische Chance. Es hat nicht geklappt, aber man muss einfach immer weiter dran bleiben und weiter dran bleiben und weiter dran bleiben. Vielleicht wird es sich dann irgendwann in den nächsten Jahren ergeben.
SPOX: Derzeit gehen viele davon aus, dass zumindest die Meisterschale in den nächsten Jahren fest an den FC Bayern München vergeben ist. Die Ausgeglichenheit der Bundesliga scheint immer mehr zu leiden. Wie nehmen Sie diese Diskussion wahr?
Hummels: Mir wird da ehrlich gesagt zu viel gejammert. Die Bayern haben diesen großen Vorsprung, weil sie einerseits viel Geld besitzen - aber sie müssen trotzdem auf dem Platz erst einmal die Spiele gewinnen. Sie haben auf dem Spielfeld dieselben Voraussetzungen wie alle anderen Mannschaften und jedes Team hat dieselbe Chance, sie zu besiegen.
SPOX: Manche hissen mittlerweile aber schon vor Anpfiff die weiße Flagge.
Hummels: Ich finde, man sollte sich viel mehr auf den sportlichen Wettkampf konzentrieren und nicht teilweise schon vor dem Spiel nach Ausreden suchen, weshalb man verlieren wird. Ich persönlich möchte in den nächsten Jahren nicht vor jeder Saison sagen, dass wir den Abstand zu den Bayern irgendwie verringern möchten. Ich will immer, also in jeder Saison, vor den Bayern stehen, weil ich eben immer Erster sein möchte. Mir ist bewusst, dass dies ein schwieriges Unterfangen ist. Es stellt für mich aber eine sportliche Herausforderung dar, die es lohnt, angegangen zu werden.
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