Marc Schnatterer ist das Gesicht des 1. FC Heidenheim. Mit dem FCH ist er den Weg von der Regionalliga bis in die 2. Liga gegangen und sorgt dort mit dem Aufsteiger für Furore. Vor dem Topspiel gegen RB Leipzig spricht der Kapitän mit SPOX über den Heidenheimer Weg, den fußballverrückten Trainer Frank Schmidt und die riesigen Unterschiede zu RB.
SPOX: Herr Schnatterer, Sie haben in recht kurzer Zeit zwei Aufstiege mit Heidenheim gefeiert. Jetzt sind Sie plötzlich Zweitligaprofi. Bleibt da überhaupt noch Zeit für alte Kumpels?
Marc Schnatterer: Es ist schon so, dass man sich mit dem einen oder anderen Spieler von früher, gerade aus meiner Freiberger Zeit, noch ab und zu schreibt. Sich zu sehen, ist aber relativ schwierig. Da ist es eher so, dass man sich mal zufällig über den Weg läuft, wenn man in der Heimat ist.
SPOX: Geht man dann auch mal zusammen Party machen oder wie sieht das Programm zuhause dann aus?
Schnatterer: Wenn ich dort bin, unternehme ich natürlich viel mit meinen Freunden und meiner Familie, dann geht man zusammen weg und trifft meistens noch mehr Bekannte. Zum Beispiel habe ich auf der Wiesn in München einen alten Kollegen getroffen. Das ist natürlich entspannend, wenn man dann ganz normal zusammen was trinken und reden kann. Das ist einfach immer noch etwas Schönes.
SPOX: Solche Momente dürften angesichts der größeren Verantwortung und Belastung aber recht rar geworden sein.
Schnatterer: Ich glaube die Verantwortung oder die Richtlinien, wie man sich in der Öffentlichkeit zu verhalten hat, sind in der 3. und der 2. Liga ähnlich. Man muss da auch Führungsspieler sein. Man wird vielleicht mittlerweile mehr erkannt, aber es ist ja auch nicht so, dass ich jeden Abend nach Stuttgart fahre, um mich da zu verabreden.
SPOX: Sie sind jetzt schon im sechsten Jahr in Heidenheim, sind von der Regionalliga in die 2. Liga sämtliche Schritte mitgegangen und haben die Entwicklung erlebt. In Liga zwei läuft es momentan sehr gut. Wie groß ist die Euphorie in Heidenheim? Und wie groß innerhalb der Mannschaft?
Schnatterer: Da muss man wirklich beide Seiten betrachten. Natürlich ist das Publikum euphorisiert, wenn in der englischen Woche Mannschaften wie Nürnberg und Bochum zu uns kommen und man diese Spiele dann mit 3:0 und 5:0 klar gewinnt. Vielleicht träumen manche dann sogar schon von anderen Dingen, aber innerhalb der Mannschaft ist das überhaupt gar kein Problem.
SPOX: Was ist das Wertvollste, das man aus einer so erfolgreichen Woche mitnimmt?
Schnatterer: Nachdem wir in Düsseldorf eine bittere Niederlage hinnehmen mussten, war zunächst einmal wichtig, dass wir uns stabilisiert und wichtige Punkte gesammelt haben. Noch mehr gefreut hat uns aber, dass wir richtig gute Spiele gemacht haben. Das sollte uns Sicherheit und Selbstvertrauen für die kommenden Aufgaben geben.
SPOX: Besteht da nicht die Gefahr abzuheben?
Schnatterer: Wir fangen jetzt nicht an zu schweben oder über andere Dinge zu reden, die gar nicht der Realität entsprechen. Das wäre viel zu vermessen. In diesem Punkt kann ich auch sagen: "Wir wissen, wo wir her kommen". Wir wollen unsere Punkte holen, um die Klasse zu sichern. Es gibt da auch keinen, den der Trainer wieder runterholen müsste. Da sind alle auf dem Boden geblieben, denn wir haben vor der Liga und dem Gegner den nötigen Respekt. Wir wissen, dass wir uns im nächsten Spiel wieder alles neu erarbeiten müssen und das wird schwer genug.
SPOX: Sie haben ihren Trainer angesprochen, der ja eine ganz spezielle Ausstrahlung hat. Wie kann man sich Frank Schmidt im Umgang mit seinen Spielern denn vorstellen? Ist er ein strenger Trainer oder eher der Kumpeltyp?
Schnatterer: Er hat von allem etwas. Es ist wichtig für einen Trainer, dass er nicht nur eine Linie hat. Bei mir war es zwar nicht der Fall, aber der eine oder andere hat ja sogar noch mit ihm zusammengespielt. Er hat es geschafft den Sprung vom Spieler zum Trainer wirklich gut zu meistern und die nötige Distanz zu den Spielern herzustellen.
SPOX: Was macht ihn zu einem guten Trainer?
Schnatterer: Sein großes Plus ist, dass er immer bis in die Haarspitzen motiviert ist - auch im Training. Er überlässt nichts dem Zufall, sondern versucht die Mannschaft immer perfekt auf den Gegner einzustellen. Ihm ist keine Minute oder Stunde zu schade, um sich noch mehr auf den Gegner einzuarbeiten. Er macht seinen Job mit viel Leidenschaft und Willen, aber auch mit Herz. Das kommt an, auch weil er immer die richtigen Worte gegenüber der Mannschaft findet.
SPOX: Ist Frank Schmidt ein Mensch, der Fußball lebt?
Schnatterer: Natürlich ist er ein positiv Fußballverrückter und das lebt er auch wirklich vor in jedem Training. Er ist quasi ein Kind Heidenheims, er kommt von hier und eine bessere Identifikation gibt es eigentlich gar nicht im Fußball. Er ist für uns alle im Verein und drum herum die perfekte Besetzung.
SPOX: Identifikation ist ein gutes Stichwort. Sie haben Ihren Vertrag in Heidenheim kürzlich bis 2020 verlängert. Kann man da von einer Art "Rentenvertrag" sprechen?
Schnatterer: Soweit ich informiert bin, beginnt die Rente ja erst mit 65 und so alt bin ich ja noch nicht, wenn der Vertrag ausläuft. Fußball-Rentner ist vielleicht in Ordnung.
SPOX: Haben sie denn schon Pläne für die Zeit nach der Karriere?
Schnatterer: Klar. Ich habe angefangen, ein Sportmanagement-Fernstudium zu machen und versuche jetzt, den Sportfachwirt anzuschließen. Ich will zunächst einmal etwas in der Hand haben und das in den nächsten ein bis zwei Jahren hinbekommen.
SPOX: Zurück zur Vertragsverlängerung. Welche Rolle hat das neue Arbeitspapier ihres Trainers, das auch bis 2020 läuft, dabei gespielt?
Schnatterer: Die Vertragslaufzeit des Trainers war nicht ausschlaggebend. Der Verein oder der Geschäftsführer haben sich sicherlich beim Trainer informiert, wie er mich sieht. Und der wird wahrscheinlich gesagt haben, dass ich noch Luft nach oben habe oder auf dem Niveau noch ein bisschen spielen kann. Ich bin froh, dass es so gekommen ist und der Verein mir so viel Vertrauen entgegen bringt.
SPOX: Ihr vorheriger Vertrag wäre nach der Saison ausgelaufen. Gab es für Sie andere Möglichkeiten außer dem FCH?
Schnatterer: Ich habe meinen Vertrag früh verlängert, daher kann ich Ihnen gar nicht sagen, ob da was möglich gewesen wäre. Aber darüber brauchen wir auch nicht zu reden. Da müsste man bei anderen Vereinen nachhaken, ob sie eventuell Interesse gehabt hätten.
SPOX: Gab es in der Vergangenheit Gelegenheiten, Heidenheim zu verlassen?
Schnatterer: Im Sommer 2013 und auch im Jahr davor gab es Anfragen. Auch von höherklassigen Vereinen. Aber ich hab mich sehr wohl gefühlt und bin dem Verein sehr verbunden. Aber klar gab es eine Zeit, in der man sich etwas mehr Gedanken über einen Abschied gemacht hat, als wir wieder so knapp am Aufstieg gescheitert sind.
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SPOX: Und was hat dann den Ausschlag pro Heidenheim gegeben?
Schnatterer: Ich hatte super Gespräche mit dem Verein, in denen sie mir aufgezeigt haben, wie wir uns im Sommer noch besser aufstellen wollen. Welche Spieler von außen dazu geholt werden sollten. Ich habe einfach gesehen, dass das Potenzial in der Mannschaft da ist, um den Weg hier weiterzugehen und aufzusteigen. Deswegen habe ich gesagt: "Darauf hab' ich Bock". Ich wollte ein Zeichen setzen, um zu zeigen, dass ich mich voll und ganz mit dem Verein identifizieren kann. Im Nachhinein kann ich sagen, dass es die richtige Entscheidung war.
SPOX: Sie haben kürzlich gesagt, Ihr Weg mit Heidenheim sei noch nicht am Ende. Das impliziert ja, dass Sie noch einige Ziele haben. Spukt da auch die Bundesliga im Kopf herum?
Schnatterer: Nein. Wir sind ein kleiner Verein, der erst wachsen muss. Wir haben ganz klar das Ziel, dieses Jahr die Klasse zu halten und uns dann in der 2. Liga zu etablieren. Das wäre für einen Klub wie Heidenheim eine große Entwicklung. Es gibt ja immer wieder Vereine, die den Klassenerhalt schaffen, im nächsten Jahr oben mitspielen und dann wieder im Mittelfeld landen. Diese Liga ist immer gefährlich. Ich würde mich natürlich nicht dagegen wehren, aber um darüber zu reden oder sich Gedanken zu machen, sind wir noch viel zu frisch im richtigen Profigeschäft und in der Liga. Das ist ganz weit weg.
SPOX: In einem jungen Team sind sie absoluter Führungsspieler, gehen vorne weg und gelten in der öffentlichen Wahrnehmung als das Gesicht von Heidenheim.
Schnatterer: Ich bin hier sehr gereift und in diese Rolle hineingewachsen. Ich übernehme gerne Verantwortung, das habe ich hier gelernt und das wurde mir mitgegeben im Laufe der Jahre. Wenn einer sich daran hochziehen kann, dann reiße ich die Jungs gerne mit. Und wenn jemand ein Gespräch oder Tipps braucht, ist das auch kein Problem.
SPOX: Fühlen Sie sich in der Rolle als Anführer wohl?
Schnatterer: Ja, aber jeder weiß, wie die Branche läuft und ich brauche die Jungs genauso. Es gibt auch Tage, da stehe ich mit dem falschen Bein auf. Da brauche ich dann einen, der marschiert und an den ich mich hängen kann. Aber ich weiß, welche Verantwortung ich trage. Es ist auch meine Aufgabe, dass wir als Kollektiv funktionieren.
SPOX: Stimmt es, dass die Spieler in Heidenheim sich noch selbst um ihre Trikots kümmern?
Schnatterer: Wir sind mehr oder weniger verantwortlich für unsere Ersatztrikots oder Tauschtrikots. Das ist bei vielen Vereinen sicher anders und vielleicht würden ein paar Spieler sagen, dass es dort besser ist, aber das macht uns auch mit aus. Das gibt uns noch das familiäre Flair. Es ist ja auch so, dass viele Leute, die im Verein arbeiten, schon über Jahre hinweg die gleichen sind. Das ist woanders nicht unbedingt der Fall.
SPOX: Macht diese Atmosphäre den Verein zu etwas Besonderem?
Schnatterer: Definitiv. Das ist auch das, was es so schön macht, dort zu spielen. Die Stadt ist beschaulich, man kennt die Leute und kennt auch viele, die im Stadion sind. Auch die Beziehung zu den Zuschauern ist sehr familiär. Wenn diese Nähe da ist, kann man sich miteinander identifizieren.
SPOX: Ein Verein, der komplett anders aufgebaut ist, ist RB Leipzig. Im Montagabendspiel treffen Sie im Duell der Aufsteiger auf eben jenen Klub. Wie denken Sie von Ihrem Standpunkt aus über dieses Projekt?
Schnatterer: Es äußern sich zwar viele Leute zu dem Thema, aber ich muss ganz ehrlich sagen, dass es mir gar nicht zusteht, über das Projekt RB Leipzig zu urteilen. Wir haben hier unser Ding, wir gehen diesen Weg und der funktioniert. Über das, was dort gemacht wird, können andere gerne in der Öffentlichkeit etwas erzählen. Ich freue mich einfach auf das Spiel.
SPOX: Aber Sie würden zustimmen, dass es zwei völlig verschiedene Philosophien sind?
Schnatterer: Da treffen mit Sicherheit zwei verschiedenen Welten aufeinander. Wenn manche Leute behaupten, Heidenheim würde auch mit Geld zugeschüttet werden, ist das falsch. Unsere Sponsoren kommen fast alle aus der Stadt oder zumindest aus der Nähe. Unsere Mittel sind beschränkt, was dort eben nicht unbedingt der Fall ist.
SPOX: Hätten Sie vor der Saison damit gerechnet, dass das Duell der Aufsteiger das Duell Dritter gegen Vierter und das Montagabend-Topspiel sein wird?
Schnatterer: Das ist natürlich Wahnsinn. Damit konnte niemand rechnen. Wir sind froh, dass wir die Punkte auf dem Konto haben und damit auch gerade da oben stehen. Das ist für uns ein schöner Moment. Das erste Live-Spiel und dann gleich so ein Highlight. Wenn man es sich erträumen könnte, wäre es so perfekt.
SPOX: Ist der 5:0-Kantersieg aus dem Bochum-Spiel ein Vorteil oder muss man aufpassen, dass man nicht zu leichtsinnig an die nächste Partie rangeht?
Schnatterer: Man muss alles einordnen können. Bei uns hat im letzten Spiel viel geklappt, bei Bochum nicht. Am Montag wird es ein ganz anderes Spiel, indem wir auswärts auf eine Mannschaft treffen, die von Anfang an marschieren wird, bis es nicht mehr geht. Von daher ist so ein Sieg immer Gefahr und Chance zugleich.
SPOX: Im Vorfeld des Bochum-Spiels wurden Sie von einem Journalisten und dann auch von VfL-Trainer Peter Neururer mit dem Spitznamen "Klapperschlange" bedacht. Im Nachhinein bezeichneten Sie diesen Vorfall als "respektlos". Wie kam es dazu?
Schnatterer: Ich kann bis heute nicht sagen, wie das entstanden ist. Vielleicht weil mein Nachname dem Wort "Natter" ähnelt. Im Endeffekt ist es mir aber auch egal. Was den Reporter da geritten hat, mich so betiteln, kann ich nicht sagen. Die Formulierung "respektlos" war vielleicht ein bisschen unglücklich. Aber man muss den Leuten Respekt entgegenbringen. In dem Fall hat es mich einfach motiviert. Die richtige Antwort habe ich auf dem Platz gegeben und ich glaube, das tat mehr weh, als dass mich einer Klapperschlange nennt.
SPOX: Gibt es denn einen Spitznamen, den sie lieber mögen?
Schnatterer: Mich nennt man ganz normal Schnatti.
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Marc Schnatterer im Steckbrief