"Ohne mich steigt Uli Hoeneß aus"

Haruka GruberPhilipp Dornhegge
08. Januar 201117:49
Aufstiegskurs: Bayern-Coach Dirk Bauermann (r.) mit Präsident Uli HoeneßImago
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Die Hoffnung auf den 20-Jahre-Quantensprung: Mit Uli Hoeneß, zwei Top-Talenten und einem Kite-Lehrer als Aushilfe erwartet Bayern-Coach Dirk Bauermann den BBL-Boom. Sein Sechs-Monate-Fazit über die bisherige Saison in der zweiten Liga ProA, den anvisierten Aufstieg, den Streit um seine Doppelfunktion und die kommende EM 2011 - mit Dirk Nowitzki.

SPOX: Vor fast genau einem halben Jahr sind Sie Trainer des FC Bayern geworden. Wie oft wurden Sie seitdem von gegnerischen Fans angefeindet?

Dirk Bauermann: Eigentlich nie, ganz im Gegenteil: Das erste Halbjahr verlief immer unter dem Vorzeichen des Respekts. Die gegnerischen Fans unterstützen ihren eigenen Verein, so wie es sein soll, doch im Grunde weiß jeder, dass der FC Bayern positive Folgen für jeden in der Liga hat. Die Attraktivität wurde enorm gesteigert, bei jedem unserer Auswärtsspiele ist die Halle voll, es zirkuliert generell mehr Geld im Basketball. Wenn ich es richtig verstanden habe, war unser Verfolger Würzburg in der Lage, mehr Sponsorengelder zu generieren, nachdem der FC Bayern das Projekt bekannt gab. Das ist doch großartig!

SPOX: Was jedoch zur Folge hat, dass sich der größte Konkurrent so verstärken konnte, dass er dem FC Bayern bereits am sechsten Spieltag die erste Niederlage beibrachte. Haben Sie oder Präsident Uli Hoeneß nach dem 55:63 in Würzburg am Projekt Bayern gezweifelt?

Bauermann: Niemals. Uli Hoeneß und ich sind erfahren genug, um zu wissen, dass der Ausgang eines einzigen Spiels keine Wirkung auf ein Projekt haben darf, das langfristig angelegt ist. Viel gefährlicher für das Projekt waren die vielen langen Verletzungen, vor allem die von Demond Greene und Steffen Hamann. Der Ausfall der beiden war ein schwer verdaulicher Schlag in die Magengrube. Dass wir dennoch schnell Lösungen gefunden haben und die Liga nach der ersten Saisonhälfte anführen, spricht für uns.

SPOX: Eine der Lösungen hieß Robert Garrett, der aus dem Vorruhestand zurückkehrte und ein wichtiger Faktor dafür war, dass der FC Bayern ansonsten unbesiegt blieb. Spricht das für Garrett - oder gegen die sportliche Klasse der ProA?

Bauermann: Eindeutig für Garrett. Er hat sich nach dem letzten schweren Jahr in Bamberg überlegt, ob er überhaupt noch Lust auf Basketball hat. Ein Wechsel zu einem möglichen Absteiger oder in die ProA erschien wenig reizvoll, deswegen hat er sich umorientiert und eine Ausbildung als Kite-Lehrer absolviert. Das war eigentlich seine berufliche Perspektive. Doch er hat parallel im Sommer weiter mit Holger Geschwindner trainiert, so dass er ohne zu zögern zusagte, als wir seine Hilfe benötigten.

SPOX: Lief die Hinrunde unter den gegebenen Vorzeichen optimal?

Bauermann: Ja, weil das Projekt so vorzüglich angenommen wird. Die Stadt München hat uns so angenommen, dass jedes Heimspiel, egal wie unbekannt der Gegner gewesen sein mag, ausverkauft war. Das ist ein Zuschauerschnitt auf Erstliga-Niveau. Entscheidend war auch die Resonanz innerhalb des gesamten Vereins FC Bayern. Wir wurden wohl wollend begrüßt, mittlerweile sind aber fast alle begeistert vom Basketball.

SPOX: Ist Präsident Hoeneß ebenfalls begeistert? Er ist einer der größten Unterstützer der Basketball-Abteilung, er gilt aber auch als höchst anspruchsvoll.

Bauermann: Trotz anfänglicher Skepsis ist er sehr zufrieden. Wir treffen uns regelmäßig alle vier Wochen, um über die wichtigsten Themen zu sprechen, zwischendurch telefonieren wir auch mal. Ich spüre seine volle emotionale Unterstützung für den Basketball, was für die Zukunft der Sportart von immenser Bedeutung sein wird. Franz Beckenbauer verabschiedet sich langsam aus der öffentlichen Wahrnehmung, deswegen ist Uli Hoeneß wohl der berühmteste Sportsmann Deutschlands. Es ist unbezahlbar, wenn sich so jemand für den Basketball begeistert und unser Projekt langfristig unterstützt.

SPOX: Würde Hoeneß dennoch das Projekt beeenden, wenn BBL-Geschäftsführer Jan Pommer weiter darauf beharrt, dass Sie im Falle eines Aufstiegs Ihren Posten als Bayern-Trainer aufgeben müssen, sollten Sie weiter als Nationalcoach arbeiten wollen?

Bauermann: In diesem Fall steigt Uli Hoeneß aus dem Projekt aus, das ist mein Eindruck. Die Position von ihm und Bayern-Vizepräsident Bernd Rauch ist klar: Ohne Bauermann hätten wir das Projekt nicht angefangen, ohne ihn machen wir auch nicht weiter. Ich weiß nicht, wie es übernächstes Jahr aussieht, wenn wir uns in der BBL etabliert haben, aber für die kommende Saison funktioniert es ohne mich wohl nicht.

SPOX: Pommers Aussagen zum Verbot der Doppelfunktion sind jedoch eindeutig und lassen kaum Interpretationsspielraum.

Bauermann: Die Aussagen im SPOX-Interview sind in der Tat eine sehr klare Stellungnahme, die deutlichen Worte haben mich zugegeben überrascht. Doch ich gehe gelassen mit der Thematik um. Sie ist beim Präsidium des BBL und beim Präsidium der Bayern gut aufgehoben. Wenn der Verein entscheidet, die zweite Stufe der Rakete zu zünden, werden die Gespräche geführt.

Weiter mit Teil II: Bauermann über den BBL-Boom und den nächsten Nationalspieler

SPOX: Welche Folgen hätte ein Ausstieg der Bayern aus dem Spitzenbasketball?

Bauermann: Der FC Bayern hat dem deutschen Basketball die Chance eröffnet, einen Quantensprung hinzulegen und zehn, vielleicht sogar 20 Jahre zu überspringen. Man muss sich nur vorstellen, was schon in der kommenden Saison alles in der Wirtschaft und bei der TV-Präsenz möglich ist. Ohne die Bayern wäre all das jedoch nur schwer oder unmöglich zu realisieren. Deswegen bin ich auch den ungewöhnlichen Schritt gegangen und habe mich bereit erklärt, in die ProA zu gehen. Jeder hat mir gesagt: 'Du bist wahnsinnig, du darfst das nicht machen!' Aber am Ende ist es auch meine Verantwortung als Bundestrainer, sicherzustellen, dass es weitergeht mit dem Sport. Auch wenn ich in der Doppelfunktion keinen Cent mehr verdiene, als wenn ich nur Bundestrainer geblieben wäre und acht Monate im Jahr wesentlich weniger Stress gehabt hätte.

SPOX: Kommt ein Rücktritt von der Nationalmannschaft in Frage, um im Zweifelsfall dem FC Bayern erhalten zu bleiben? Zumindest bringt Hoeneß diese Variante ins Spiel.

Bauermann: Ein Rücktritt ist kein Thema, mein Vertrag mit dem DBB läuft bis 2013. Das große Ziel von Dirk Nowitzki und uns allen sind die Olympischen Spiele 2012, dabei bleibt es und das wissen auch die Bayern. Weitergehende Gedanken mache ich mir derzeit nicht.

SPOX: Womöglich können Sie Nowitzki auch bei den Bayern trainieren, sollte es in der NBA zu einem Lockout kommen.

Bauermann: Es ist ein schönes Gedankenspielchen, das sich hervorragend für die Internet-Foren eignet, aber ich halte dieses Szenario für höchst unwahrscheinlich. Auch wenn Bayern-Vize Rauch schon verkündet hat, dass er auf Knien mit Uli Hoeneß auf den Schultern nach Dallas krabbeln würde, um Dirk von den Bayern zu überzeugen. (lacht)

SPOX: Wie sieht unabhängig vom Lockout Nowitzkis Perspektive im DBB-Team aus?

Bauermann: Sehr gut. Dirk ist ein Mann von großer Loyalität und Verlässlichkeit, deswegen können wir alle davon ausgehen, dass er seine Ankündigung wahr macht und an der EM 2011 teilnimmt.

SPOX: Chris Kaman hingegen haben Sie nach seinen Verletzungen in dieser Saison bereits abgeschrieben?

Bauermann: Überhaupt nicht. Sein Arbeitgeber, die Los Angeles Clippers, werden eine schwer überwindbare Hürde sein, weil sie Nationalmannschaftseinsätzen generell skeptisch gegenüberstehen, aber seine Bereitschaft ist absolut vorhanden. Wir haben regelmäßigen SMS-Kontakt und er meldet sich immer wieder, um auf dem Laufenden zu bleiben. Er spricht immer noch vom Sommer 2008, als er bei uns erstmals erfahren hat, wie es ist, in einer echten Mannschaft zu spielen und dass im Basketball nicht nur der kalte Professionalismus und Ich-AGs regieren.

SPOX: Mit Bastian Doreth und Bogdan Radosavljevic trainieren Sie beim FC Bayern zwei große Talente mit Nationalmannschaftsperspektive. Wie weit sind sie?

Bauermann: Bastian hat schon in diesem Sommer gute Chancen, zur EM-Vorbereitung eingeladen zu werden. Ich habe ihn vor zwei Jahren bereits berufen, aber da wirkte er noch überfordert. In dieser Saison gelang ihm jedoch ein großer Entwicklungsschritt. Er ist ein überragender Werfer und verbessert sich täglich in seinem strategischen Entscheidungsverhalten. Er erinnert mich an Pascal Roller.

SPOX: Und Radosavljevic?

Bauermann: Er ist unter den 20-Jährigen und abwärts das wahrscheinlich größte Center-Talent Deutschlands. Er wurde an Neujahr gerade mal 18 Jahre alt, aber was er im Training gegen die gestandenen Mitspieler abliefert, ist sehr interessant. Er bewegt sich gut, versteht das Spiel und bringt auch athletisch alles mit. Dennoch ist Geduld angebracht. Er hat zwei Jahre wegen Verletzungen keinerlei Wettkampf-Praxis gehabt, von daher bauen wir ihn in der Rückrunde weiter langsam auf. Ich gehe aber davon aus, dass er nächstes Jahr in der BBL häufiger zu sehen sein wird.

SPOX: Doreth und Radosavljevic haben sich auch für die Bayern entschieden, weil Sie gezielt deutsche Nachwuchsspieler fördern. BBL-Geschäftsführer Pommer befürchtet jedoch, dass Sie Ihre Position als Bundestrainer missbrauchen könnten, um weitere Top-Talente nach München zu locken, weswegen Ihre Doppelfunktion abzulehnen sei. Verstehen Sie ihn?

Bauermann: Ich bin überzeugt: Ein junger deutscher Spieler schaut auf die Struktur eines Vereins und darauf, ob der Trainer gerne mit Talenten arbeitet. Ich gehöre zu ihnen, doch es gibt mittlerweile eine ganze Reihe weiterer Trainer, die Wert auf Nachwuchsförderung legen. Zuletzt hat sich Oldenburg sensationell in diese Richtung entwickelt, auch Ludwigsburg. Zumal es doch nicht stimmt, dass es die Chancen auf die Nationalmannschaft erhöhen würde, wenn man jeden Tag vom Bundestrainer genauestens beobachtet wird. Nähe ist nicht immer gut. Von daher: Ich kenne das Argument von Herrn Pommer - aber es ist in keinster Weise gerechtfertigt.

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