Dabei deutete anfangs nichts daraufhin, dass nach dem überraschend ausgeglichenen Kampf der echte Aufreger erst noch folgen sollte. Klitschko sprach darüber, dass er ab der 4. Runde gehandicappt gewesen sei und deswegen nicht so viel Druck ausübte wie gewohnt.
"Wegen einer Verletzung in der linken Schulter konnte ich meine linke Führhand nicht mehr einsetzen", sagte Klitschko - was wiederum Chisora als "Ausrede" abtat. War es aber nicht. Eine Kernspintomografie am Sonntag zeigte einen Teilanriss einer Sehne in der Schulter. "Ich habe nur noch mit einer Hand geboxt", erklärte Klitschko.
Bereits vor zwölf Jahren wurde er an dieser Schulter nach einer Verletzung der Rotatoren-Manschette im Kampf gegen Chris Byrd operiert. Befürchtungen, die Verletzung könnte noch schlimmer sein und Klitschko müsste womöglich seine Karriere sofort beenden, kamen auf. Doch Witali gab Entwarnung: "Das war nicht mein letzter Kampf." Um eine Operation kommt er aller Voraussicht nach herum.
Eine ernste Entwicklung, aber nicht die einzige an diesem Abend in München.
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David Haye außer sich
Auf die Frage eines Journalisten an Klitschko-Promoter Bernd Bönte, ob ein Kampf von Witali gegen David Haye möglich sei, antwortete dieser: "Haye ist kein Thema. Wir haben ihm ein Angebot abgegeben, das Angebot wurde nicht akzeptiert."
Da Bönte dies auf Nachfrage von Haye ihm direkt auf Englisch sagte, verstand es auch Haye, der als TV-Experte im hinteren Teil des Pressekonferenz-Raumes anwesend war. Bönte mit Hohn in der Stimme: "David, you're out! OUT! OUT! OUT!" Dann fügte Bönte hinzu, dass Haye zunächst gegen Chisora kämpfen solle, weil dieser anders als Haye "Herz gezeigt hat".
Außer sich vor Wut rief Haye immer wieder etwas rein, aber wurde ohne Mikrofon übertönt. Erst von Bönte, dann von Chisora.
Chisora: "David Haye ist eine Schande. Wenn David Haye ein echter Kämpfer ist, sollte er gegen mich in den Ring steigen."
Dereck Chisora schreitet auf David Haye zu
Dem folgte ein lautstarker Disput zwischen Haye sowie Chisora, seinemTrainer Don Charles und seinem Promoter Frank Warren. Warrens Vorschlag, in dieser Nacht noch zu vereinbaren, dass Chisora und Haye gegeneinander um das Recht kämpfen, Witali Klitschko herauszufordern, blieb angesichts von Hayes ständigem Gezetere ungehört.
Das Gezetere endete, als Chisora nach einem der vielen Vorwürfe von Haye ebenfalls austickte und sagte: "Willst du mir das ins Gesicht sagen? Willst du mir das ins Gesicht sagen?"
Chisora stand vom Podium auf, schritt an allen Journalisten vorbei die rund 20 Meter zu Haye rüber - und es entwickelte sich ein Skandal, der wohl in die Box-Geschichte eingehen wird.
Was exakt passierte, konnte kein Augenzeuge komplett rekonstruieren. Fakt ist: Hayes Glasflasche, die er in der Hand gehalten hatte, ging im Handgemenge zu Bruch, so dass das Getränk über Chisora ausgeschüttet wurde. Ob das von Haye Absicht war, wie Chisora danach sagte, konnte abschließend nicht beantwortet werden.
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David Haye schlägt mit Stativ zu
Haye schlug offenbar als Erster auf Chisora ein, der seinen Erzrivalen wiederum auf den Boden riss. Nachdem sich beide voneinander lösten, war zu sehen, wie Haye ein Kamerastativ nahm und in die Menge Richtung Chisora schlug.
Die Folge: Ein heilloses Durcheinander mit Journalisten und Fotografen, die zwischen die Fronten gerieten und selbst befürchten mussten, verletzt zu werden. So wie Hayes Trainer und Manager Adam Booth, der eine Schnittwunde an der Stirn davontrug und blutete. Wie die Verletzung passierte, blieb ebenfalls ungeklärt. Womöglich passierte das im Duell mit Chisoras Trainer Charles.
Mehrere Außenstehende versuchten, die Streitenden voneinander abzuhalten, wobei sich vor allem Chisora nicht beruhigen ließ. Nachdem er einmal rund um den Pressekonferenz-Raum gelaufen, gezogen und gezerrt worden war und wieder am Podium ankam, rief er wie von allen Sinnen verlassen Richtung Haye: "Ich schwöre zu Gott: David, ich erschieße dich. Ich meine das ernst: Ich erschieße David Haye!"
Immer wieder schrie Chisora: "He glassed me!" Dabei ging es ihm offenbar um die Getränkeflasche vom Anfang der Schlägerei, die in die Luft flog. Ob Chisora mit "glassed me" ausdrücken wollte, dass Haye ihn mit dem Getränk mutwillig überschüttete oder dass Haye ihn sogar mit der Flasche schlagen wollte - man weiß es nicht.
Chisora in Polizei-Gewahrsam
Haye verließ währenddessen den Raum - anders als der blutende Booth, der sich zum Podium durchkämpfte und die verbale Konfrontation erst mit Chisora und dann mit Bönte suchte. Nach einem erneuten Aufflammen der Emotionen beruhigten sich langsam die Gemüter.
Wladimir Klitschko stand auf einem Stuhl und verfolgte perplex den Vorgang. Bruder Witali wurde mit Bönte zum Fahrstuhl geführt, Chisora wiederum zum Ausgang, der für die Journalisten gedacht war.
Zum Epilog wurde der Auftritt der Polizei, die auftauchte, als schon alle Protagonisten verschwunden waren. Sie suchten nach Beweisen, sprachen mit Zeugen und wirkten doch verdattert ob des ungewöhnlichen Einsatzes.
Am Sonntag wurde Chisora dann auf dem Weg zum Flughafen von der Polizei abgefangen und in Gewahrsam genommen. Er muss zu den Vorfällen auf der PK Stellung nehmen, bevor er Deutschland verlassen darf.
Wieder auf freiem Fuß
Rund sieben Stunden nach seiner Festnahme wurden Chisora und sein Trainer dann wieder freigelassen. "Er und sein Trainer Don Charles haben Angaben gemacht. Zudem wurde ein Zustellungsbevollmächtigter benannt", sagte ein Sprecher der Münchner Polizei der Nachrichtenagentur "dapd".
Der Vorwurf der schweren Körperverletzung bei der Skandal-Pressekonferenz nach dem verlorenen WM-Kampf wurde fallen gelassen: "Wir ermitteln aber wegen leichter Körperverletzung", führte der Sprecher fort. Chisora, der bei dem Versuch der Ausreise am Sonntagmorgen von der Polizei festgehalten wurde, dürfe das Land nun verlassen.