"Sie sind Favorit, da gibt es keine zwei Meinungen", sagt Geschäftsführer Günter Kreissl. "Aber wir wollen gewinnen und weiterkommen." Die Grazer wissen schließlich, was auf sie zukommt. Was man bei Ajax nur schwer behaupten kann - denn Sturm tauschte im Sommer die halbe Startelf aus. Hört man sich im Ajax-Umfeld um, ist der Respekt vor den Grazern jedenfalls groß. Zu frisch sind noch die Narben nach den Klatschen gegen Red Bull Salzburg (2014) und Rapid (2015). Beide Male zog der Eredivisie-Klub den Kürzeren.
Ajax-Insider schätzt die Chancen 50:50
Der Journalist Mike Verweij begleitet Ajax schon seit vielen Jahren und schreibt seine Eindrücke im De Telegraaf nieder. Für ihn ist die Rollenverteilung vor dem Hinspiel nicht restlos geklärt. "Trainer Erik ten Hag wird Sturm nicht unterschätzen. Holland hat im Fußball zwar einen großen Namen, im UEFA-Ranking ist Österreich aber vor uns. Ajax muss Demut zeigen", sagt Verweij im Gespräch mit SPOX und verweist auch auf ein missglücktes Vorbereitungsspiel: "Die Leistung gegen Anderlecht war sehr, sehr schwach." Ajax musste sich mit einer starken Elf 1:3 geschlagen geben.
Sturms angespannte Personalsituation - zahlreiche Leistungsträger wie Thorsten Röcher, Deni Alar oder James Jeggo verabschiedeten sich - sorgt in der niederländischen Hauptstadt für einige Fragezeichen. Der Totalumbau macht eine strukturierte Gegneranalyse nur schwer möglich. "Sturm wird trotzdem stark eingeschätzt. Hosiner wurde Torschützenkönig und kann Alar ersetzen, zudem haben sie mit Heiko Vogel einen cleveren Coach, der wie Ten Hag die zweite Mannschaft der Bayern trainierte. Zudem machen die vielen Spielerwechsel Sturm schwer ausrechenbar", sagt Verweij, der die Chancen sogar 50:50 einschätzt.
Ajax mit einer durchwachsenen Vorbereitung
"Nochmal: Ajax war gegen Anderlecht wirklich schwach. Zudem war die Vorbereitung außergewöhnlich durchwachsen", sagt Verweij. "Die WM-Teilnehmer Schöne, Dolberg, Tagliafico und Ziyech sind spät ins Training eingestiegen, die Niederländer De Ligt und van de Beek hatten länger Urlaub. Frenkie und Siem de Jong waren langzeitverletzt. Laut Ten Hag war es eine seiner schwersten Vorbereitungen überhaupt."
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Qualitativ ist der Ajax-Kader freilich trotzdem herausragend. Und wurde im Sommer prominent verstärkt. Mit Dusan Tadic (Southampton, 12 Millionen Euro) und Daley Blind (Manchester United, 18 Millionen Euro) wurden ausnahmsweise zwei routinierte Spieler verpflichtet. "Ajax hat mit den Verkäufen einiger Leistungsträger wie Kluivert, Davison Sanchez oder Davy Klassen in den letzten Jahren viel Geld verdient. Früher wurden diese Spieler mit Talenten nachbesetzt", sagt Verweij. "Jetzt wurde aber seit vier Jahren kein Titel gewonnen. Darum wurde die Transfer-Politik überdacht und erfahrene Spieler verpflichtet."
Bis zum Duell mit Sturm wird Ajax keinen Leistungsträger mehr abgeben. Lediglich bei Hakim Ziyech besteht eine Minimalchance. Der Marokkaner war sich bereits mit AS Rom einig, nach einem abgelehnten Angebot meldeten sich die Italiener aber nicht mehr, wie Verweij verrät. Zudem sind die beiden größten Talente, Matthijs de Ligt und Frenkie de Jong, von Barcelona bis München sehr gefragt. "Aber Sportdirektor Marc Overmars weigert sich überhaupt zu verhandeln. Vor dem Duell mit Sturm wird kein Spieler verkauft", ist sich Verweij sicher.
Die Verpflichtung von Daley Blind ist hingegen keine gute Nachricht für Legionär Max Wöber. Für Verweij ist klar: Der Amsterdamer Rekordtransfer kommt als Innenverteidiger und wird an der linken Seite von De Ligt agieren. Vielleicht noch nicht gegen Sturm, aber zumindest danach: "Daley hat letzte Saison nicht oft gespielt, ein Einsatz gegen Sturm ist ein Rennen gegen die Zeit. Das erste Spiel? Schwer."
Unzufrieden ist man mit dem Österreicher aber keineswegs. 22 Liga-Einsätze absolvierte Wöber in seiner Debütsaison. "Wöber hat eine recht unglückliche Rückrunde gespielt, hat aber auf jeden Fall Potenzial - defensiv und in der Spieleröffnung. Er ist ein guter Junge, der allgemeine Eindruck ist aber, dass er noch zu brav ist. Er muss mehr Selbstbewusstsein entwickeln - immerhin ist er jetzt Ajax-Spieler."
Ajax' Probleme mit Defensivmannschaften
Im Hinspiel winkt dem Ex-Rapidler jedenfalls noch ein Platz in der Startelf. Die größten Probleme sieht Verweij für die Nordholländer, sollte sich Sturm im eigenen Strafraum einigeln. "Ajax hat dann die größten Probleme, wenn sich der Gegner nicht am Spiel beteiligt und auf Konter wartet", analysiert Verweij. "Wenn der Gegner mitspielt, gewinnt meistens Ajax. Ich denke Standard-Situationen könnten wie bei der WM eine große Rolle spielen - auch für Ajax. Mit Tadic und Ziyech verfügt man über zwei fantastische Schützen."
Das sieht man übrigens auch in der Steiermark ähnlich. Im Gespräch mit SPOX gab Neuzugang Philipp Hosiner erste Gedanken über das Duell mit Ajax Preis. "Man hat gerade bei der Weltmeisterschaft gesehen, dass nicht immer die Mannschaft mit den besseren Einzelspielern gewonnen hat. Es geht sehr viel über die Teamleistung oder auch über Standardsituation. Auch wir werden gegen Ajax unsere Chancen bekommen, wie auch bei der WM jedes Team gegen die Großen Chancen hatte", sagt der 29-Jährige und nimmt sich Kroatien als Vorbild: "Man hat bei den Kroaten gesehen, wie sie sich mit einer leidenschaftlichen Leistung bis ins Finale gekämpft haben. Ich bin davon überzeugt, dass wir das gegen Ajax auch schaffen können."
Runde | Heim | Gast | Datum |
2. Qualifikationsrunde | Ajax | Sturm | 25. Juli |
2. Qualifikationsrunde | Sturm | Ajax | 1. August |