Rapid-Anhänger hatten in letzter Zeit nicht viel zu lachen. Nur Platz sieben in der Liga, dazu die lang anhaltende Negativ-Serie, die erst im Cup mit dem 3:1-Sieg gegen St. Pölten durchbrochen wurde. Ausgerechnet der erst 19-Jährige Maximilian Wöber brachte die Wiener in diesem Spiel mit seinem Führungstreffer auf die Siegerstraße.
Das Abwehrtalent ist Teil einer neuen Generation, die bei Rapid vor dem Durchbruch steht. Ein Blick zum Nachwuchs ist nach den letzten Wochen Balsam für die grün-weiße Seele. Kein anderer Verein stellte zuletzt mehr Spieler für die österreichischen U17- und U19-Auswahlen als die Hütteldorfer. Dazu kommen der U16-Meistertitel in der letzten Saison und die Erfolge beim renommierten U19-Nachwuchsturnier im deutschen Sindelfingen.
Österreich U17 | Österreich U19 |
Belmin Jenciragic (TW) | Maximilian Wöber (IV) |
Paul Gobara (IV) | Paul Sahanek (IV) |
Lukas Sulzbacher (RV) | Manuel Thurnwald (RV) |
Lion Schuster (ZM) | Kelvin Arase (RM) |
Nicolas Wunsch (LM) |
Neue Trainer geholt
"In Österreich wird generell hervorragende Nachwuchsarbeit geleistet", sagt Rapids Nachwuchsleiter Willi Schuldes. "Unser Anspruch ist aber schon, eine Vorreiterrolle einzunehmen." Der ehemalige Trainer des SV Horn lenkt seit zwei Jahren die Geschicke der grün-weißen Talenteschmiede.
Unter seiner Ägide hat Rapid gegenüber der Konkurrenz - allen voran Branchenprimus Salzburg - stark aufgeholt. Ein Professionalisierungsprozess wurde vorangetrieben. Dazu holte der Niederösterreicher mit Walter Knaller (U15-Coach, ehemaliger Akademie-Leiter der Admira) oder Michael Steiner (U16-Coach, Ex-St.-Pölten-Trainer) zusätzliche Fachkräfte ins Boot.
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Insgesamt verfügt die Rapid-Akademie nun über vier Trainer mit UEFA Pro Lizenz und zwei weiteren Betreuern, die aktuell diese europaweit höchste Trainerausbildung absolvieren. "Das gibt es in dieser Dichte nicht oft", betont Schuldes.
Nachwuchstrainer im Büro gefordert
Die hohe Anzahl an top-ausgebildeten Fachkräften in der Rapid-Akademie ist kein Zufall. Der Job des Nachwuchstrainers hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Die Anforderungen sind gestiegen. Einfach nur Hütchen aufstellen und den Kindern den Ball zuwerfen, war einmal. Stattdessen verbringen die Betreuer mittlerweile mehr Zeit im Büro als am Trainingsplatz.
"Jede einzelne Trainingseinheit wird im Vorhinein geplant und dokumentiert ", erklärt Schuldes. Bis spätestens 12 Uhr müssen die Coaches an jedem Montag ihren Wochenplan abgegeben haben. Das soll nicht nur die Zusammenarbeit zwischen den Betreuern erleichtern, sondern auch die Qualität des Trainings erhöhen.
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"Unsere Leute gehen nicht einfach raus und lassen die Jungs spielen, sondern es geht darum, zwei Parameter zu erfüllen: Einerseits unsere Spielphilosophie weiterzugeben, andererseits die Spieler an Hand der jeweiligen Positionsbeschreibung individuell weiterzuentwickeln", sagt der ehemalige Leiter der Fußballakademie Oberösterreich.
Individuell ist das Stichwort. Im Optimalfall soll das Training nicht für alle Spieler gleich aussehen, sondern die individuellen Fähigkeiten berücksichtigen. "Wir wollen die persönlichen Stärken zu Waffen weiterentwickeln und die limitierenden Faktoren ausgleichen. Immer nur die Schwächen zu trainieren, bringt nichts. Sonst bilden wir nur gleichförmige Spieler aus."
Jeder Spieler wird bewertet
Um Stärken und Schwächen herauszufiltern, muss jeder Trainer seine Spieler zwei Mal im Jahr an Hand eines einheitlichen Kategorisierungssystems beurteilen. Der Bewertungsbogen umfasst mehrere Seiten und beinhaltet fußballerische Fähigkeiten wie Zweikampführung und Schusstechnik genauso wie sportmedizinische Aspekte (z.B. Verletzungsgefahr) oder das soziale Umfeld.
"Wir geben Noten zwischen eins und vier. Ein rotes Feld bedeutet, diese Fähigkeit gehört verbessert. Die grüne Markierung besagt, das soll seine Waffe werden", zeigt Schuldes auf den Bewertungsbogen. So ergibt sich eine persönliche Trainingsempfehlung für jeden Spieler. Diese hängt freilich auch von der jeweiligen Position der Jungkicker ab.
Welche Fähigkeiten als Verteidiger, Mittelfeldspieler oder Stürmer gefragt sind, wurde im Rahmen einer über 100 Seiten umfassenden Spiel- und Trainingsphilosophie festgehalten. An diesem Papier orientieren sich alle Nachwuchsauswahlen von der U6 bis zur zweiten Mannschaft. Neben Positionsbeschreibungen werden darin beispielsweise auch einheitliche Pressingmechanismen und Spielaufbau-Varianten bestimmt.
Das Cruyff-Problem
Rapid geht damit jenen Weg, den einst Barca-Ikone Johan Cruyff propagierte. "Ich lasse all meine Jugendteams genauso spielen wie die erste Mannschaft", lautet ein berühmter Ausspruch der verstorbenen Fußball-Legende. Die Vision des Niederländers wird bei Rapid momentan nicht ganz erfüllt, hat mit Damir Canadi bei der ersten Mannschaft doch eine neue, abwartendere Spielphilosophie Einzug gehalten.
Der Nachwuchsleiter sieht darin jedoch kein Problem: "Unsere Spieler werden so flexibel ausgebildet, dass sie unter verschiedenen Trainern bestehen können." Auch Canadis Dreierketten-System sei kein Widerspruch zum im Nachwuchs standardmäßig praktizierten 4-3-3.
"Wir gehen von diesem Grundsystem aus, weil es von der Raumaufteilung die meisten Dreiecke hat. Unsere Spielphilosophie ist aber nicht auf ein bestimmtes System ausgelegt, sondern auf die Besetzung der Räume. Unsere Nachwuchs-Teams haben in der Vergangenheit immer wieder mit Dreierkette agiert. Das ist Teil der Ausbildung", meint Schuldes.
Verjüngung von Rapid II
Zuletzt setzte auch Rapid II auf drei Innenverteidiger. Der zweiten Mannschaft, früher Amateure genannt, kommt eine besondere Bedeutung zu, soll sie doch den Übergang von der Akademie zum Profifußball gewähren. Auch hier stellten die Hütteldorfer in den letzten beiden Jahren die Weichen neu. Das Team wurde stark verjüngt. Mit Ausnahme der Routiniers Andreas Dober und Tomi stehen hauptsächlich Spieler im Kader, die 19 Jahre oder jünger sind. Kurzfristig sorgte diese Maßnahme letzte Saison zwar in der Regionalliga Ost für Abstiegsgefahr, mittelfristig macht sie sich aber bezahlt.
Mit Tamas Szanto, Maximilian Wöber, Manuel Thurnwald (alle drei mittlerweile im Profikader), Kelvin Arase, Osarenren Okungbowa und Alex Sobczyk sammelten aus diesem Team heuer schon sechs Spieler Einsatzminuten bei den Profis. Nicht umsonst betont Fredy Bickel immer wieder, bei der Transferplanung auch auf die nachkommenden Eigenbauspieler Rücksicht nehmen zu wollen.
Die Zusammenarbeit mit dem neuen Sportdirektor funktioniere gut, meint Schuldes. "Er hat uns bestätigt, dass wir auch im Vergleich mit Schweizer Vereinen gut aufgestellt sind." Einzig in Sachen Infrastruktur gibt es wohl noch Aufholbedarf. Rapid verfügt über keine eigenen Trainingsplätze. Diese sind genauso wie die Räumlichkeiten im Dusika- und Ernst-Happel-Stadion von der Stadt Wien angemietet.
Ein eigenes Rapid-Trainingszentrum?
Mit dem hochmodernen Red-Bull-Trainingszentrum in Liefering können die Hütteldorfer nicht mithalten. "Wir haben halt nicht den Luxus in der Kabine, verfügen aber über alles, was nötig ist", meint Schuldes. Nachsatz: "Wenn du schon im jungen Alter ein perfektes Umfeld genießt, hast du den Karrierehöhepunkt mit 17 hinter dir. Ich bin so erzogen worden, dass du dir erst verdienen musst, was du erreichen willst."
Zu beheizten Rasenplätzen oder einer eigenen Trainingshalle würde jedoch auch Rapids Nachwuchs-Chef nicht Nein sagen. Ein eigenes Trainingszentrum - bei internationalen Spitzenvereinen längst Usus - wäre daher der nächste, logische Schritt im Professionalisierungsprozess.
Bisher konnte dafür jedoch kein geeignetes Areal gefunden werden, wie Geschäftsführer Christoph Peschek bei der letzten Hauptversammlung verriet. Auch ein Ausbau samt Pacht der bestehenden Anlagen rund um das Ernst-Happel-Stadion steht im Raum. Noch ist in dieser Causa aber keine endgültige Entscheidung gefallen. So muss der grün-weiße Nachwuchs mit den aktuellen Begebenheiten auskommen, um am Traum vom Profifußball weiterzuarbeiten.
Rapid-Kader