Der Trainer: Thomas Letsch
Thomas Letsch ist seit knapp einem Jahr als Chef-Trainer in Favoriten tätig, seine Bilanz ist mit 13 Siegen und 13 Niederlagen (vier Remis) nach seinen ersten 30 Bundesliga-Spielen durchwachsen. Der Vorwurf, den sich Letsch und sein Trainerteam immer wieder gefallen lassen muss, ist der hohe Fokus auf das Spiel gegen den Ball. Die Austria hat eine lange Tradition des attraktiven Ballbesitzfußballs und auch einen Kader, der eher dafür ausgerichtet scheint. Auch die Transfers im Sommer konnten zumindest ergebnistechnisch noch nicht für den erhofften Umschwung sorgen.
Letsch kam als Trainer aus der "Red-Bull-Schule", ehe er im Sommer 2017 als Nachfolger vom heutigen Schalke-Trainer Domenico Tedesco zu Erzgebirge Aue wechselte. Nach wenigen Wochen war der Ausflug in die 2. Deutsche Bundesliga allerdings schon wieder vorbei. Klar ist aber, dass Letsch für aggressiven Pressing-Fußball steht, den er auch erfolgreich beim FC Liefering praktizieren ließ. Für die Austria bedeutete das nach dem sehr auf Ballbesitz fokussierten Vorgänger Thorsten Fink einen großen Wandel.
Die Zahlen zeigen bei genauerer Betrachtung einen Wechsel der Spielidee. In vielen presssingrelevanten Kategorien hat sich die Austria seit dem Sommer 2018 teilweise stark verbessert. Letsch dürfte seine Idee seiner Mannschaft immer mehr vermitteln zu können. Eine leichte Steigerung des Punkteschnitts deutet auf eine richtige Entwicklung hin.
Letsch setzte bei den Veilchen auf hohe Flexibilität, ließ in den Pflichtspielen dieser Saison sechs mehr oder wenige verschiedene Systeme spielen. Einige Male praktizierte die Austria ein 4-4-2-System mit Raute, was gut zum Umschaltstil des Trainers passt. In den letzten Wochen vor Weihnachten gab es häufig eine 4-3-3- bzw. 4-1-4-1-Anordnungen zu sehen. Viel interessanter ist allerdings die Spielidee, die sich in diesem Jahr deutlicher abzeichnet als noch in der Vorsaison.
Die Offensive
Das Idealbild des Fußballs von Thomas Letsch zeichnet ein klares Bild. Intensive Arbeit gegen den Ball, Balleroberung und schnelles Spiel in die Tiefe gegen einen ungeordneten Gegner. Der Kader wurde im Sommer in diese Richtung verändert und die Spielidee ist deutlicher zu sehen als zuvor. Doch die Austria hat naturgemäß auch einen höheren Ballbesitzanteil als andere Teams. In dieser Saison waren es im Schnitt 52% Ballbesitz - ligaweit Rang vier. Die Veilchen haben unter Letsch eine Passgenauigkeit von 75%, ebenfalls Rang vier hinter Salzburg, Rapid und dem SK Sturm. Auch der vertikale Spielstil, typisch für den Red-Bull-Stil, ist unter Letsch (noch) nicht derart ausgeprägt. Im Schnitt spielten die Violetten unter Letsch 69 Pässe pro Partie ins Angriffdrittel - ligaweit Rang sechs.
An vorderster Front zeigte die Austria Schwächen. Während Stadtrivale Rapid mit der Chancenverwertung haderte, spielte die Austria zu wenige gute Möglichkeiten heraus. Nur acht % der Ballstafetten mit zehn oder mehr Pässen endeten mit einem Schuss oder einer Ballaktion im gegnerischen Strafraum. Wenn der Gegner gut stand und der Austria wenig Räume bot, dann hatten die Veilchen Probleme zu Chancen zu kommen. Die Austria erzielte nur 71% der Tore innerhalb des Strafraums - Tiefstwert. Der Ligaschnitt lag bei 82%. Zudem gab die Austria nur 107 Schüsse aus dem Spiel heraus ab - nur Mattersburg (87) und die Admira (84) weniger.
Durchschlagskraft im Ballbesitz* | |
FC Red Bull Salzburg | 22.3% |
SKN St. Pölten | 21.4% |
SV Mattersburg | 20.7% |
TSV Prolactal Hartberg | 16.9% |
FC Wacker Innsbruck | 16.7% |
SK Rapid Wien | 16.5% |
LASK | 15.3% |
SK Puntigamer Sturm Graz | 13.2% |
CASHPOINT SCR Altach | 12.6% |
FC Flyeralarm Admira | 10.0% |
RZ Pellets WAC | 8.6% |
FK Austria Wien | 8.3% |
*Anteil an Angriffen mit zehn oder mehr Pässen, die mit einem Schuss oder einer Ballaktion im Strafraum endeten
Die Austria setzte weniger auf lange Pässe, sondern versuchte vermehrt über das Kurzpassspiel vor das gegnerische Tor zu kommen. Anteilig spielten nur Salzburg und Rapid mehr kurze Pässe als die Veilchen. Mit durchschnittlich 70 langen Pässen pro Spiel setzte die Letsch-Elf die wenigsten aller Bundesliga-Teams ein.
Mit Michael Madl (13 BL-Einsätze) und Igor (15 BL-Einsätze) verfügt die Austria über zwei spielstarke Innenverteidiger. Igor hatte von allen Austria-Spielern im Herbst die beste Passquote (82%). Bei Madl fokussierte sich der Spielaufbau meist auf seine rechte Seite, er bindete Rechtsverteidiger Florian Klein sehr häufig ein. 115 Pässe spielte Madl auf Klein, das ist der meist verwendete Passweg der Austria in dieser Saison, obwohl beide nur in neun von 18 Ligaspielen gemeinsam in der Startelf standen. Die zweitmeisten Pässe spielte Klein auf Madl, was die Problematik des fehlenden Offensivdrangs schon sichtbar macht.
Durch die Verletzung von Alexander Grünwald hatte die Austria speziell in offensiveren Spielfeldzonen Probleme. Denn obwohl der Austria-Kapitän nicht zwingend zum laufintensiven Spiel von Thomas Letsch passt, ist Grünwald im Ballbesitz der kreativste Austrianer. Er absolvierte nur elf Bundesliga-Spiele, lieferte aber trotzdem die meisten Schussvorlagen (28) seiner Mannschaft ab. Zudem kreierte er sechs Großchancen der Austria, so viele wie sonst nur Uros Matic in den Reihen des FAK (allerdings in 18 Spielen). In Sachen Schussvorlagen lieferte ligaweit nur Michael Liendl pro Spiel mehr als Grünwald ab (3.1 zu 2.5).
Die Probleme in der Offensive lagen auch an der fehlenden Kreativität gegen tief positionierte Teams. Die Austria kam nur selten in Situationen, in denen die Gegner ungeordnet waren. Gegen ein ballbesitzorientiertes Team wie Rapid gewann die Austria beide Spiele. Gegen die defensiv kompakt stehenden Gegner fehlten teilweise die Abläufe und die Durchschlagskraft, speziell wenn Alexander Grünwald verletzt ausfiel. Eine Lösungsansatz wäre, mit mehr Risiko ins letzte Drittel zu spielen und dort auf das Umschalten nach Ballverlusten zu setzen (Gegenpressing).
Passzonen Austria Herbst 2018
Die Defensive
Die Spielidee von Thomas Letsch fokussiert sich auf das Spiel gegen den Ball, diese Veränderungen waren im Herbst schon zu sehen. Die Austria will unter ihrem deutschen Trainer in hohen Zonen attackieren und den Gegner häufig unter Druck setzen. Die Austria ließ in dieser Saison pro Ballstafette des Gegners nur 9.7 Pässe zu, ehe eine Defensivaktion ausgeführt wurde. Diesen Wert unterbietet in der Bundesliga nur Red Bull Salzburg.
Gegnerische Pässe pro Defensivaktion | |
FC Wacker Innsbruck | 16.9 |
SKN St. Pölten | 14.9 |
FC Flyeralarm Admira | 14.4 |
TSV Prolactal Hartberg | 14 |
CASHPOINT SCR Altach | 12.7 |
RZ Pellets WAC | 12 |
SK Puntigamer Sturm Graz | 11.6 |
SK Rapid Wien | 11.3 |
LASK | 10.6 |
SV Mattersburg | 10.6 |
FK Austria Wien | 9.7 |
FC Red Bull Salzburg | 8.2 |
Die Austria erlaubte dem Gegner nur 65-mal Ballstafetten mit zehn oder mehr Pässen zu spielen - nur die Pressingteams Salzburg (36-mal) und LASK (41-mal) seltener. In fast allen ähnlichen defensiven Kategorien liegt die Austria auf Rang drei, hinter Salzburg und dem LASK. Weitere Beispiele? Die Veilchen ließen den Gegnern für Ballstafetten im Schnitt nur 6.4 Sekunden Zeit, zudem hatten die Gegner im Schnitt einen Feldfortschritt von nur 12.3 Metern - jeweils ebenfalls Platz drei hinter Salzburg und dem LASK.
Auch hier war die Effizienz das Problem der Austria. Nach hohen Ballgewinnen im Pressing konnten die Veilchen anteilig nur in 21.3% der Fälle zum Abschluss kommen. Das war ligaweit Rang sechs und damit schlechter als die aktuelle Tabellenposition der Austria. Für eine Mannschaft, die sich über ein gutes Umschaltspiel definiert, ist diese Position nicht gut genug. Der WAC kam beispielsweise in 30% der Fälle nach hohem Ballgewinn zu einem Abschluss.
Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass sich die Austria durch die Transfers im Sommer und die längere Zusammenarbeit mit Thomas Letsch mehr zur Umschaltmannschaft entwickelt hat. Doch sowohl in Ballbesitz, als auch in der Defensive ist das Spiel der Wiener noch nicht ausgereift. Deswegen erzielte die Austria auch nur 24 Tore in den ersten 18 Ligaspielen - weniger waren es für die Veilchen zuletzt 2006/07.
Die Schlüsselspieler
Alexander Grünwald
Die 11. Runde wurde für FAK-Kapitän Alexander Grünwald zum Verhängnis, nach einem Zweikampf verletzte er sich an der Schulter und fiel für den Rest der Herbstsaison aus. Obwohl Grünwald nur elf der 18 möglichen Bundesliga-Spiele absolvierte, führt er bei der Austria vor allem in den Offensivstatistiken einige Kategorien an. So lieferte kein anderer FAK-Spieler so viele Schussvorlagen (28) ab wie der 29-Jährige. Generell ist der Spielmacher in der Offensive das Um und Auf im Spiel der Austria. Neben den meisten vorbereiteten Vorlagen zu Großchancen, war Grünwald auch insgesamt an 27% der Schüsse seiner Mannschaft beteiligt - ein sehr hoher Wert gemessen an seiner Einsatzzeit (989 Minuten).Uros Matic
Der 28-jährige Serbe kam im Sommer vom FC Kopenhagen zur Austria, in der Liga ist der zentrale Mittelfeldspieler seit seinem Engagement beim SK Sturm hoch angesehen. Auch wenn Matic im Vergleich zu seiner Sturm-Zeit nicht so gut in die Saison startete, zählt er inzwischen zu den Leistungsträgern der Veilchen. Der Mittelfeldspieler zeigt seine Stärken sowohl im Ballbesitz, als auch in der Defensivarbeit. Matic kam in allen 18 Bundesliga-Partien zum Einsatz, wie sonst nur Florian Klein beim FAK. Er spielte dabei 711 Pässe, nur Igor (778) mehr. Er schaltete sich immer wieder im Spiel nach vorne ein und lieferte 27 Schussvorlagen ab - nur Grünwald (28) bei der Austria mehr.Im Vergleich zum Kapitän zeichnet Matic aber auch seine Stärken im Spiel gegen den Ball aus, weshalb er besonders gut ins Spiel von Thomas Letsch passt. Matic eroberte 17 Bälle im Angriffsdrittel, was den Spitzenwert der Bundesliga darstellt. Insgesamt eroberte er 109 Bälle - Höchstwert unter den FAK-Feldspielern. Zudem gewann er 55% seiner Zweikämpfe, von allen FAK-Mittelfeldspielern nur James Jeggo (57%) mehr. Matic ist ein Allround-Talent und damit ideal für das neue Spiel der Austria.