Ein Ende ist momentan nicht absehbar. Stattdessen werfen die Auswirkungen der Corona-Pandemie zahlreiche Fragen auf.
Wie könnte das anstehende Transferfenster aussehen? Setzen Klubs künftig vermehrt auf Trades? Droht ein Vereinssterben? Und damit für viele Spieler die Vereinslosigkeit?
SPOX hat mit dem Berater Devin Özek von der Spielerberateragentur Stars & Friends über für den Fußball pressierende Themen gesprochen.
Wenn Sie einen Blick in die Glaskugel werfen: Wie könnte sich die Corona-Krise auf das Fußball-Geschäft auswirken? Viele prognostizieren, dass sich der Markt runterregulieren wird.
Özek: Ich denke auch, dass es Einschnitte geben wird. In den nächsten Wochen wird es wohl keine Vollzugsmeldungen auf dem Transfermarkt geben. Es wäre sehr wichtig, dass die Saison früher oder später beendet wird. Insbesondere wegen TV-Ausschüttungen, Sponsorengeldern und Planungen für eine neue Saison. Wir müssen in naher Zukunft wissen: Wann wird gespielt? Wird überhaupt gespielt? Da ist so viel unklar, dass es schwer ist, seriöse Prognosen abzugeben.
Wie könnte das bevorstehende Sommer-Transferfenster aussehen?
Özek: Das interessiert mich persönlich auch. Wie wird die Transferperiode gehandhabt? Als Spielerberater reist man in verschiedene Länder - muss man dann zwei Wochen in Quarantäne? Sind die Grenzen zu? Ist Reisen überhaupt möglich? Spieler müssen vor einem etwaigen Wechsel ihren potenziellen Verein und die Stadt besuchen. So sind Verhandlungen gar nicht realistisch. Dann müssten sich Vereine viel stärker auf nationale Spieler konzentrieren und den Fokus verrücken. Da bin ich gespannt. Es wird ein Transferfenster geben, auch weil viele Verträge auslaufen, aber wie das schließlich geregelt wird, ist schwer davon abhängig, wie die Corona-Krise verläuft. Wichtig ist, dass wir den Virus in den Griff bekommen. Und ich würde vollkommen respektieren, wenn Transfers jetzt hintenanstehen. Ich kann mir kein normales Transferfenster vorstellen.
Devin Özek: "In Österreich wird das ein großes Problem"
Befürchten Sie noch mehr vereinslose Spieler auf dem österreichischen Markt?
Özek: Ja. Ich glaube schon. Besonders in Österreich könnte das bei fehlenden Zuschauereinnahmen für die Vereine ein großes Problem werden. Für die Spieler ist nach den Ländern und Ligen zu unterscheiden. In anderen Ländern mit großen Ligen und entsprechenden Einnahmen, wo die Spieler in den Top-Ligen dementsprechend verdienen, können diese vielleicht auf viel Geld verzichten. In Österreich gibt es Vereine, die sowieso nicht sehr viel Geld bezahlen - und das ist gar nicht negativ gemeint - und wenn da Spieler auf viel Gehalt verzichten müssen, kann es eng werden. Wenn am 31. Mai bzw. 30. Juni die Verträge grundsätzlich auslaufen und die Situation noch unklar ist, wird bei dieser unklaren Situation vermutlich kein Verein zuschlagen und Spieler teuer verpflichten. Was passiert dann mit den Jungs? Und holt ein Verein Spieler, die dann mehrere Monate vereinslos waren?
In Österreich orten viele Fans überall Fußballer-Millionäre. In der Realität trifft das nur aber auf einen minimalen Prozentsatz zu. Gibt es da ein Wahrnehmungsproblem?
Özek: Definitiv. Und dann gibt es auch noch junge Spieler, die den ersten Profivertrag erhalten haben. Das ist nicht so viel, dass man auf 30, 40 Prozent verzichten kann. In Österreich ist es nicht ganz so einfach. Es gibt natürlich Vereine wie Salzburg, Austria, Rapid und LASK, aber auch andere Klubs, wo Spieler gut verdienen, aber es gibt genauso viele Spieler, für die das erhebliche Auswirkungen haben kann. Ich habe auch das Gefühl, dass die Wahrnehmung so ist, dass alle Spieler Großverdiener sind. Aber mit der deutschen Bundesliga kann man das beispielsweise gar nicht vergleichen.
Zwei Spieler haben in Hartberg das Modell Kurzarbeit abgelehnt. Das wurde emotional diskutiert - realistischerweise waren das aber auch Spieler, die nicht auf dicken Verträgen sitzen.
Özek: Ich kenne die Verträge der Spieler in Hartberg nicht, aber grundsätzlich kann ich sagen: Ich halte es in dieser Lage möglicherweise für angebracht, wenn Spieler bei internationalen Topklubs Gehaltskürzungen akzeptieren. Wenn Jungs in der ersten österreichischen Liga ihre Wohnung gestellt bekommen, würde ich es mir wünschen, dass sie auf einen Teil ihres Gehalts verzichten, um dem Verein etwas zurückzugeben, sofern dies für die Spieler wirtschaftlich möglich ist. Aber wenn du Miete bezahlst und dein Gehalt nicht besonders hoch ist und du dann auch noch auf 30, 40 Prozent verzichten sollst, dann verstehe ich schon, dass man das nicht einfach machen kann. Wie vorhin angesprochen, ist die Wahrnehmung so, dass alle Spieler richtig viel Geld haben. Aber auch bei einigen Bundesliga-Spielern in Österreich trifft das nicht zu.
Werden Klubs versuchen, bestehende, langfristige Verträge zu verändern?
Özek: Das ist eine sehr spannende Frage. Da muss sich die FIFA gut überlegen, wie sie in Bezug auf die Transferphase handeln will. Keiner hat soweit gedacht, weil wir am Anfang vermutlich alle davon ausgegangen sind, dass das alles nicht so lange dauern wird. Mittlerweile zeichnet sich aber ein anderes Bild ab. Sollte es noch länger so weitergehen wie jetzt, wird es schwer werden, gewisse Gehälter zu stemmen. In Ländern und Ligen, in denen die Spielergehälter hoch sind, wie etwa in der deutschen Bundesliga, der Premier League oder der Serie A, kann der Staat die Gehälter sicher nicht übernehmen. Das ist einfach zu viel und gesellschaftlich sicher nicht durchsetzbar.
Sturm-Präsident Christian Jauk hat sich für einen Salary-Cap ausgesprochen.
Özek: Es muss aktuell alles denkbar sein. Ich habe auch nicht die Weisheit gelöffelt und das Thema Salary-Cap ist arbeitsrechtlich ein sehr komplexes Thema. Ich finde es nur unangenehm, wenn man liest, man hätte besser wirtschaften müssen und sich auf schlechte Zeiten vorbereiten sollen. Aber mal ehrlich: Mit so einem Szenario konnte kein Mensch rechnen. Alle, die nicht darauf vorbereitet waren, müssen jetzt aber für neue Lösungsansätze offen sein. Und es muss klar sein, dass die Gesundheit der Allgemeinheit erstmal im Vordergrund stehen muss, Fußball ist nicht das Wichtigste.
Özek: Trades? "Gemeinsamen Weg zu finden, ist kompliziert"
Juventus-Sportdirektor Fabio Paratici prognostiziert viel mehr Spieler-Trades. Ist das denkbar?
Özek: Das wäre sicherlich interessant. In Europa ist es aber nur machbar, wenn beide Spieler und die Klubs als Arbeitgeber zustimmen. Es gibt also vier Parteien, die zu befriedigen sind - zwei Spieler und zwei Klubs. Man kann nicht einfach über einen Menschen hinwegbestimmen. Man müsste sich jeden Einzelfall gesondert anschauen. Will ein Spieler eventuell einen Schritt zurück machen? Ein Erstliga-Spieler, der regelmäßig Einsätze hat, wird sich nicht mit einem Top-Talent aus einer zweiten Liga tauschen lassen. Die Relationen müssen stimmen. Jeder Spieler hat seine eigenen Ansichten, sieht sich eventuell besser als der Verein ihn sieht - da einen gemeinsamen Weg zu finden, ist kompliziert.
Problematisch dürften auch unterschiedliche Vertragssituationen sein - da müssten im Idealfall Spieler aus ähnlichen Kategorien getradet werden, weil Klubs sonst die Restverträge der Spieler ausbezahlen müssten.
Özek: Ja. Wenn du aktiv ins Scouting gehst, müsstest du dir vorher überlegen, welchen Spieler du selbst aus einer ähnlichen Kategorie hast, den du tauschen möchtest. Ein Verein wird dann in vielen Fällen den besseren Spieler bekommen. Oder den Spieler mit mehr Entwicklungspotenzial. Die Idee ist interessant, aber ich glaube nicht, dass das machbar ist. In Einzelfällen wäre es aber sicherlich vorstellbar.
Werden Ablösesummen nun massiv schrumpfen?
Özek: Ich kann nicht in die Zukunft schauen aber aktuell gehe ich eher davon aus, dass sich der Markt unmittelbar für die nächste Zeit beruhigt. Wie die langfristigen Auswirkungen sind, ist nicht absehbar - ich habe das Gefühl, dass sich der Markt in Zukunft wieder normalisieren könnte, sofern man solche Summen als normal bezeichnen kann. Aber in nächster Zeit wird der Markt wohl eher ruhig werden. Das gilt auch für Gehälter und Provisionszahlungen.
In Österreich ist die Bereitschaft Ablösesummen zu bezahlen bei den meisten Klubs ohnehin kaum vorhanden.
Özek: Der Transfermarkt in jedem Land ist den wirtschaftlichen Gegebenheiten angepasst. In Österreich also eher auf einem niedrigeren Niveau. Sturm hat zuletzt angedeutet, dass sie den Fokus aufs Scouting legen wollen. Es könnte richtig sein, in dieser außergewöhnlichen Situation über den Tellerrand hinauszublicken und Spieler zu suchen, die nicht unbedingt im Fokus stehen. Und vielleicht mehr auf Spieler zu setzen, bei denen man Entwicklungspotenzial sieht, aber die nicht als Soforthilfen eingestuft werden.
Es müsste auch im Interesse der Vereine liegen, sich wieder intensiver mit Absolventen aus der eigenen Akademie zu beschäftigen.
Özek: Das stimmt. Ich hoffe immer, dass junge Spieler gefördert werden. Meine Sorge ist nur: Wenn Vereine Verträge auflösen müssen, kommen wieder überproportional viele freie Spieler auf den Markt. Greifen Vereine dann eher auf gestandene Profis zurück? Oder auf die eigenen Jugendspieler? Die Ausbildung in den Akademien und die Förderung der österreichischen Talente hat sich in den letzten Jahren aber auf jeden Fall enorm gesteigert.
Muss man sich um österreichische Klubs Sorgen machen?
Özek: Ich würde mir wünschen, dass alle Vereine die Krise überleben. Ich kann mir aber vorstellen, dass die Corona-Krise bei den Klubs zu Problemen führt, was wir an den Diskussionen über Kurzarbeit und Gehaltsverzicht sehen können. Für die Klubs und damit auch für die Spieler und weiteren Angestellten ist es jetzt eine ganz, ganz schwierige Situation. Ich hoffe, dass es alle Vereine packen! Wenn diese Saison nicht fertiggespielt wird und die neue nicht normal begonnen und abgehalten werden kann, glaube ich, könnte es für manche Vereine schwer werden.
Wird der Fußball Post-Corona erwähnenswert anders aussehen?
Özek: Das wird hinter den Kulissen kontrovers diskutiert. Ich habe da jetzt mehrere Meinungen gehört und bin selbst noch unschlüssig. Es gibt die Fan-Sicht und die geschäftliche Perspektive. Ich muss als Spielerberater ganz offen und ehrlich sagen, dass ich natürlich für die Spieler hoffe, dass sich der Fußball wieder einpendelt. Aus Sicht vieler Fans ist es sicher wünschenswert, dass sich der Markt wieder reguliert und sehr hohe Ablösesummen der Vergangenheit angehören. Vielleicht ist ein Weg der Mitte möglich. Wäre die Corona-Krise nicht gekommen, wäre der Markt weiter nach oben gegangen. Das sehe ich jetzt auf keinen Fall.