Von Christian Albrecht Barschel
Karriere-Grand-Slam im Einzel: Zehn Spielerinnen haben dieses Kunststück bislang vollbracht, darunter mit Serena Williams und Maria Sharapova zwei noch aktive Spielerinnen. Doch es gab auch einige namhafte Grand-Slam-Siegerinnen, die die Aufnahme in diesen elitären Club nur knapp verpasst haben. Nur ein Titel bei einem der vier "Majors" fehlte diesen Spielerinnen zur Vollendung der Grand-Slam-Titelsammlung. Die French Open oder Wimbledon erwiesen sich für diese fünf Spielerinnen als zu große Hürde auf dem Weg zum Karriere-Grand-Slam.
Martina Hingis
Martina Hingis ist nicht nur die jüngste Grand-Slam-Siegerin, sondern auch die jüngste Weltranglisten-Erste in der Geschichte des Damentennis. Im Alter von 16 Jahren und fünf Monaten erklomm die Schweizerin die Weltranglistenspitze und blieb im weiteren Karriereverlauf 209 Wochen die Nummer eins. Hingis wurde ihrem Ruf als Wunderkind gerecht und gewann all ihre fünf Grand-Slam-Titel im Einzel im Teenager-Alter. Die Schweizerin erreichte insgesamt zwölf Endspiele bei Grand-Slam-Turnieren. Der Karriere-Grand-Slam blieb Hingis jedoch verwehrt.
Zweimal verlor sie im Finale der French Open. Zunächst im Jahr 1997 als haushohe Favoritin gegen die Kroatin Iva Majoli sowie zwei Jahre später im Jahr 1999 im unvergessenen und dramatischen Endspiel gegen Steffi Graf, wo Hingis komplett die Nerven verlor, von den Zuschauern ausgepfiffen wurde und nach dem Platzen des Karriere-Grand-Slams in Tränen ausbrach. Graf erklärte bei der Siegerehrung der traurigen Hingis: "Du hast noch so viele Chancen, die French Open zu gewinnen, also mach dir keine Sorgen deswegen."
Doch das verlorene French-Open-Finale gegen Graf war der Wendepunkt in der Karriere der "Swiss Miss", die kein weiteres Grand-Slam-Turnier gewinnen konnte. Hingis würde gerne einen ihrer drei Australian-Open-Titel gegen den Triumph in Roland Garros eintauschen. "Die French Open nicht gewonnen zu haben, ist ein großes Bedauern in meinem Leben. Ich würde gerne die Zeit zurückstellen, um das zu gewinnen."
Monica Seles
Monica Seles ist mit neun Grand-Slam-Titeln die erfolgreichste Spielerin, die den Karriere-Grand-Slam nicht schaffen konnte. Der Rasen in Wimbledon stand der besten Beidhänderin aller Zeiten stets im Weg. Das lag zum einen daran, dass ihr Spielstil nicht so gut zum Rasen in Wimbledon passte. Zum anderen lag es aber auch daran, dass Seles auf dem Höhepunkt ihrer Karriere einem furchtbaren Messerattentat zum Opfer fiel und daraufhin zwischen 1993 und 1995 nicht in Wimbledon teilnehmen konnte.
Ihre große Chance auf den Wimbledonsieg hatte Seles im Jahr 1992. Ausgerechnet ihr exzessives Stöhnen spielte dabei eine tragende Rolle. Im Halbfinale beschwerte sich Martina Navratilova bei der Schiedsrichterin über die Lautstärke der damals 18-jährigen Seles, die dann das Stöhnen phasenweise einstellte. "Ich wollte nicht, dass jeder sauer auf mich ist, ich wusste nicht, was ich tun sollte. Es war so, als ob ich meine beidhändige Vorhand ändern würde. Ich wusste einfach nicht mehr, wie man Tennis spielt ohne diese lauten Ausrufe bei jedem Durchschwingen", schrieb Seles in ihrer Biografie "Getting a Grip" über diese Situation.
Seles gewann zwar das Halbfinale gegen Navratilova, nahm sich aber vor, im Endspiel gegen Steffi Graf ihren Lautstärkepegel zu senken. "Großer Fehler. Das war eines der wenigen Dinge, die ich im Leben bereut habe", erklärte Seles, die im Finale gegen Graf mit 2:6, 1:6 chancenlos war.
Hana Mandlikova
Hana Mandlikova ist mit vier Grand-Slam-Titeln (zweimal Australian Open, French Open und US Open) und vier weiteren Finalteilnahmen bei den "Majors" die erfolgreichste Spielerin, die es nie auf Platz eins in der Weltrangliste geschafft hat. Bei Mandlikova lagen Genie und Wahnsinn dicht beieinander. Die Tschechin kannte nur eine Devise: so schnell wie möglich ans Netz und attackieren. "Hana konnte ein Niveau entwickeln, das über dem von allen anderen hinausging - unerklärliche Tiefen genauso.
Sie hatte eine unglaubliche Brandbreite an Schlagmöglichkeiten, aber auch Schwierigkeiten, ihr Bestes zu halten. Wahrscheinlich weil sie nicht widerstehen konnte, die spektakulärsten Schläge zu spielen", sagte Billie Jean King über Mandlikova. Ihr Spielstil passte extrem gut für den Rasen in Wimbledon. Doch mit dem Wimbledonsieg hat es nicht geklappt für Mandlikova, die in den Jahren 1981 und 1986 zweimal im Endspiel unterlegen war.
Justine Henin
Justine Henin hat alles in ihrer Karriere gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Die zierliche Belgierin triumphierte bei den Grand-Slam-Turnieren in Melbourne, Paris und New York, war die Nummer eins der Welt, gewann den Fed Cup und errang die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen. Doch der Triumph in Wimbledon blieb stets ein unerfüllter Traum für Henin. Zweimal, in den Jahren 2001 und 2006, stand die Belgierin im Endspiel, zweimal musste sie sich in drei Sätzen geschlagen geben.
Eine ganz große Chance auf den Wimbledontitel vergab Henin im Jahr 2007, als sie in Topform war und als klare Nummer eins das Turnierfeld anführte. Im Halbfinale verlor sie allerdings nach einem starken ersten Satz gegen die Französin Marion Bartoli. "Ich weiß immer noch nicht, was passiert ist. Ich habe einen guten Satz gespielt und hatte einige Chancen im zweiten Satz. Und dann hat sich das Match gedreht. Aber so ist das Leben, so ist Tennis", sagte Henin hinterher.
Lindsay Davenport
Lindsay Davenport musste sich in ihrer Karriere viel anhören und gefallen lassen. Aufgrund ihrer Größe, der kräftigen Statur und ihres zeitweise hohen Übergewichts wurde die US-Amerikanerin mit Spitznamen wie "Elefantenbaby" und "Tennis-Klops" tituliert. Doch Davenport ließ viel öfter ihren Schläger sprechen, als mit Worten zu glänzen. Aus der einst unbeweglichen, übergewichtigen US-Amerikanerin wurde über die Jahre hinweg eine fitte Spielerin, die eine Karriere hinlegte, von der viele nur träumen können.
Davenport siegte bei drei Grand-Slam-Turnieren, gewann die olympische Goldmedaille, wurde Weltmeisterin und schaffte es sowohl im Einzel als auch im Doppel an die Spitze der Weltrangliste. Nur mit dem Einzeltitel bei den French Open wurde es nichts in der illustren Karriere der US-Amerikanerin. Das Spiel auf der roten Asche passte nicht allzu gut zu ihrem kraftvollen Spielstil. Davenport, die mittlerweile vier Kinder hat, ist zudem eine von wenigen Spielerinnen, die als Mutter Titel auf der WTA-Tour gewinnen konnte .