Von Manuel Wachta aus Budapest
Dreieinhalb Jahre lang hatte er das Gefühl eines Turniersiegs nicht mehr verspürt, geschweige denn jenes eines Finaleinzugs. Doch beim schwersten Comeback seiner Laufbahn, nach seiner Schulteroperation im November 2015, ist ihm solch ein Coup wieder geglückt: Jürgen Melzer hat in Budapest am späten Sonntagnachmittag den vierten ATP-Challenger-Pokal der Karriere erobert. Der 35-jährige Niederösterreicher (ATP 257) setzte sich beim 64.000-Euro-Hartplatz-Hallenturnier im Syma Event and Congress Centre im Finale gegen den ungarischen Hausherr Marton Fucsovics (ATP 163) nach 1:41 Stunden Spielzeit mit 7:6 (6), 6:2 durch. Und auch im Doppel gab's aus österreichischer Sicht ein Happy End: Tristan-Samuel Weissborn durfte sich ebenfalls über seinen vierten Challenger-Triumph freuen. Der Niederösterreicher besiegte, mit seinem kroatischen Partner Dino Marcan, zuvor Blaz Kavcic (Slowenien) und Franko Skugor (Kroatien) nach einem wahren Tennis-Krimi im Finish mit 6:3, 3:6 und 16:14.
Mit Punktlandung zurück in die Top 200
Gegen geschätzte über 1000, fast ausschließlich Fucsovics anfeuernde Zuseher musste Melzer im Endspiel in der ungarischen Hauptstadt ankämpfen - und, nebst seinem Gegner, außerdem gegen körperlichen Probleme. Trotz Übelkeit im Semifinale hatte sich der Deutsch-Wagramer ins Titelmatch durchgekämpft und biss auch dort seine Zähne zusammen, obwohl immer noch nicht wieder völlig gesundet. "Es geht mir okay", hatte er im Voraus verraten, sein Spiel sollte dann allerdings mehr als nur okay sein. Mit einem 1:0 im Head-to-head (ein hauchdünnes 3:6, 6:4, 7:6 (10) beim ATP-Challenger in Bratislava 2014) war er in die Begegnung reingegangen und eröffnete sie gleich mit einem Break, das er jedoch postwendend zurückgeben musste. Im Anschluss stand der erste Durchgang auf Messers Schneide, besonders als Melzer bei 3:4 eine Breakgelegenheit abwehren konnte und sich in diesem Spiel mit seinen einzigen beiden Assen im ersten Satz zu helfen und sich aus dem drohenden Schlamassel zu ziehen wusste.
Im Tiebreak waren Minibreaks zum 1:0 und 5:4 - nach einer fragwürdigen Out-Entscheidung gegen ihn - sofort wieder dahin. Der ehemalige Weltranglisten-Achte erspielte sich aber einen Satzball, den er noch vergab. Schließlich nützte er dafür seinen zweiten. Im zweiten Abschnitt konnte Melzer seine zunächst leichte Überlegenheit bei 3:2 erstmals ummünzen, als er seinem Gegner nach mehreren Spielbällen mit seiner ersten Chance den Aufschlag abnahm. Nach der trotz drei Breakmöglichkeiten für Fucsovics hart erkämpften geschafften Bestätigung zum 5:2 breakte er letztlich nochmal zum Sieg und klatschte mit seinem Coach und Physiotherapeuten, dem Niederländer Jan Velthuis, in seiner Box ab. Auf diesem Turnierlevel hatte Melzer bisher nur in Mönchengladbach 2001, Boca Raton 2004 und Dallas im März 2013 triumphiert - auch durch sein über weite Strecken seiner Karriere lange gehaltenes Ranking von zumeist deutlich in den Top 100, das Starts bei Challenger-Turnieren äußerst selten nötig gemacht hatte.
Auf der ATP-Tour hatte er zum fünften und bis dato letzten Mal in Winston-Salem im August 2013 den Siegespokal in die Höhe gestemmt. Für seinen ersten Titelcoup im Einzel seit knapp dreieinhalb Jahren erhält Melzer 9200 Euro Preisgeld und 80 ATP-Zähler, mit Letzteren sollte er in der Weltrangliste am Montag exakt unter die Top 200 zurückkehren. In seiner Siegerrede gratulierte er zunächst Fucsovics - und Ungarn dazu, mit diesem endlich wieder einen starken Mann in den eigenen Reihen zu haben: "Ihr solltet sehr stolz auf ihn sein", sagte Melzer - und erntete dafür viel an Beifall von den Rängen. Gleichfalls für sein Lob für diese Veranstaltung: "Ich habe über all die Jahre viele Turniere bestritten. Das ist mehr nur als ein Challenger" und es sei ihm eine Ehre gewesen, hier zu spielen. Dies könnte im April wieder der Fall sein, dann findet in Budapest ein ATP-World-Tour-250-Sandplatzturnier statt. Er hat für eine Hauptfeld-Wildcard angesucht. Und dürfte nun noch bessere Karten besitzen, diese auch zu bekommen.
Marcan/Weissborn in Nervenschlacht mit besserem Ende
Vor Melzers Finalmatch hatte Weissborn bereits Grund zu jubeln gehabt, zum vierten Mal auf dieser Ebene nach Ortisei 2015, Ostrava und Heilbronn 2016. Der ebenfalls Linkshänder holte sich mit Marcan gleich eine 3:1-Führung, die beiden sahen sich jedoch rasch bei 3:3 und noch einmal Breakball gegen sich wieder. Die wichtigen Punkte gingen danach aber an sie - und so auch der hauchdünne erste Satz, von dem ein 27:26 nach Punkten zeugt. Im zweiten Abschnitt entschied ein nach 40:30 kassierter Serviceverlust zum 2:4 zu ihren Ungunsten, daran konnten auch zwei Breakgelegenheiten im letzten Spiel nichts mehr ändern. Als Marcan/Weissborn im Match Tiebreak auf 7:2 und 9:5 davonzogen, schien die Vorentscheidung schon gefallen, aber es entwickelte sich nach dem Ausgleich für Kavcic/Skugor schließlich noch eine unglaubliche Nervenschlacht. Drei Matchbälle konnten Marcan/Weissborn abwehren, bis sie selbst ihren in Summe sechsten Matchball nach 1:23 Stunden Spielzeit verwerteten und jubeln durften. Lohn dafür: pro Kopf 1975 Euro und 80 ATP-Punkte. Weissborn kehrt hiermit im Doppelranking in die Top 90 zurück, nahe an sein bisheriges Career High von Platz 84.
Hier die Ergebnisse aus Budapest: Einzel, Doppel, Einzel-Qualifikation.
Jürgen Melzer im Steckbrief
Tristan-Samuel Weissborn im Steckbrief