Das DBB-Team steht nach einem rauschenden 107:96-Sieg über Griechenland im Halbfinale der EuroBasket 2022. 17 Dreier trafen die Deutschen dabei - zu diesem Anlass gibt es nun ebenso viele Gedanken zu einem verrückten Basketball-Spiel.
1. Halbfinale, Halbfinale, hey, hey!
2.Kein schlechter Zeitpunkt, um sein bestes Offensivspiel bei diesem Turnier zu zeigen! Also, mindestens ... Über 35 Jahre hat Deutschland bei einer EuroBasket nie über 100 Punkte erzielt. Dies war nun bereits das dritte Spiel bei diesem Turnier, in dem diese Marke fiel. Einmal gegen Ungarn, einmal gegen Montenegro ... Und nun auch gegen Griechenland? Das Team, das den wohl besten Verteidiger der Welt in seinen Reihen hat und über 74 EM-Spiele nie mehr als 100 Punkte zuließ? Ja, offensichtlich! "Das war ein besonderer Abend", sagte Andreas Obst. Fair.
3. Obst hatte einen großen Anteil an dieser offensiven Explosion. Wieder Teil der Starting Five, eröffnete der Mann mit dem goldenen Arm den Dreierregen mit einem Wurf übers Brett, den er so nicht angesagt hatte. "Der erste war ein bisschen glücklich, er ist mir nicht so gut aus der Hand gekommen und dann übers Brett rein. Gehört aber auch dazu", erklärte Obst. Seine restlichen vier Treffer (insgesamt 5/7) sahen dann alle sauberer aus. So wie ein sehr großer Anteil aller Dreier, die sein Team in diesem Spiel auf den Weg brachte ... 17/31 hieß es am Ende, zum Start waren es sogar 8/10. Ein Feuerwerk, genau zum richtigen Zeitpunkt.
4. Neben Obst war Franz Wagner in dieser Hinsicht der Hauptverantwortliche. Auch der Berliner traf 5/7, nachdem sein Einsatz bis kurz vor Spielbeginn noch als "fraglich" bezeichnet worden war. Der lädierte Knöchel sah okay aus, insbesondere bei seinem späten Stepback-Dreier über Giannis Antetokounmpo, der den Coup seines Teams endgültig besiegelte.
5. Was ihm bei diesem Wurf durch den Kopf ging, wurde Wagner gefragt: "Hoffentlich geht der rein." Okay.
6. Es war jedoch nicht eine Szene, nicht ein Wurf, der entscheidend war - es waren unzählige Momente, ganz unterschiedlicher Art. Bei sehr vielen davon hatte Dennis Schröder seine Finger im Spiel. Der Kapitän (26 Punkte, 8 Assists), der im letzten Viertel ausfoulte, zeigte eins der besten und definitiv wichtigsten Spiele seiner Karriere. Sein Wurf ist endgültig zurück (3/6), aber es war auch der Drive, die Übersicht, die Defense ...
7. ... und nicht zuletzt war es Schröder, der die griechischen Guards unter Druck setzte und ihnen Foulprobleme bescherte. Nick Calathes, Kostas Sloukas und Giannoulis Larentzakis (der beste Grieche neben Giannis) standen alle früh bei 3 Fouls, was mit dazu führte, dass Griechenland zu Beginn des dritten Viertels offensiv nahezu gar keine Linie hatte. Gerade Calathes sollte eigentlich derjenige sein, der Giannis entlastet und auch mal in Szene setzt, das war in diesem Spiel kaum zu sehen.
getty8. Apropos Giannis: 31 Punkte sammelte der Greek Freak insgesamt, gerade mit den Punkten aus der zweiten Hälfte konnte das DBB-Team aber gut leben. "Wir haben ihn kontrolliert", sagte Jonas Wohlfahrt-Bottermann, und das war in Halbzeit zwei durchaus richtig. Es gab kaum ein Durchkommen für Giannis, der im vierten Viertel nach zwei unsportlichen Fouls ausfoulte. Er musste bisweilen zum Dreier greifen, weil der Weg zum Korb so gut dicht gemacht wurde.
9. Wie wurde das erreicht? "Jeder, der das Tschechien-Spiel gesehen hat, der konnte seine Schlüsse daraus ziehen, was das Mittel gegen Giannis ist", erklärte Johannes Thiemann. "Wir haben uns da einiges abgeguckt. Wir waren sehr diszipliniert, hatten immer mehrere Verteidiger in der Zone. Er ist ein Weltklasse-Spieler, den man nicht bei 5 Punkten halten kann, aber wir haben es größtenteils sehr gut gemacht." Alles richtig. Durch den ersten Thiemann-Satz fühlte sich der Autor direkt angesprochen.
10. Auffällig war dabei unter anderem, dass es weitestgehend ohne Fouls funktionierte. Antetokounmpo ging achtmal an die Linie, das ist wenig und zeugte auch davon, wie schwer es den Griechen fiel, ihn mal als Roll-Man beziehungsweise in Bewegung in Szene zu setzen. Er kam kaum ins Laufen, der Court war sehr eng. "Wir wollten ihm maximal den Wurf geben. Davon hat er ein paar getroffen, aber er hat uns damit nicht geschlagen", sagte WoBo.
11, Mehrere Spieler erwähnten nach dem Spiel das kollektive Selbstvertrauen des DBB-Teams. Es war zu sehen, gerade zu Beginn des dritten Viertels. Eigentlich war die vorige Halbzeit nicht gut geendet - es gab ein paar Turnover, es gab ein (knappes, aber richtiges) Goaltending gegen Daniel Theis, es gab einen Buzzerbeater von der Mittellinie durch Sloukas. Und es gab einen knappen Rückstand, obwohl das DBB-Team das offensiv beste Viertel seiner EM-Geschichte hingelegt hatte (31 Punkte). Es wirkte zu diesem Zeitpunkt, als hätte Griechenland das Momentum auf seiner Seite.
12. Und dann gab es stattdessen: Einen 20:1-Lauf der Deutschen. "Wir haben sehr gut verteidigt", sagte Schröder. "Das haben wir Ende des zweiten Viertels nicht gut gemacht. Dann haben wir noch ein bisschen mit den Referees gequatscht und haben uns ein bisschen ablenken lassen. Im dritten Viertel haben wir uns wirklich nur auf uns konzentriert, aufs Team ... Das war der Schlüssel zum Erfolg."
13. Zu einem großen Anteil war es eben auch Schröder selbst. "Sein größter Impact ist das, was er dem Team mental gibt", sagte Wagner. "Er geht super als Leader voran, nimmt alle mit und bringt Selbstbewusstsein und diese Selbstverständlichkeit, dass wir in jedes Spiel gehen und daran glauben, dass wir das gewinnen." Das war erneut ersichtlich - auch für das Publikum. Schröder wurde, nachdem er sein zweites Technical kassiert hatte, von allen in der Halle gefeiert, die es mit dem DBB-Team hielten. Sollte selbstverständlich sein, war es in der Vergangenheit nur eben nicht.
14. Richtig, das Publikum: Das war eine riesige Steigerung gegenüber Montenegro. Volles Haus, laute Fans auf beiden Seiten, eine besondere Atmosphäre - genau so muss das aussehen bei einem Spiel, an das sich alle Beteiligten und sehr viele Zuschauer sicherlich noch lange erinnern werden.
15. Wir sind schon weit gekommen, ohne groß über Theis zu sprechen. Das sollte nicht sein. Denn auch der Big Man zeigte vielleicht sein bestes Spiel überhaupt im Nationaldress. Er traf seinen Jumper, er rieb sich gegen Giannis auf, er half immer wieder als Weakside-Ringbeschützer und war defensiv generell überall zu finden. Und er war essenziell dafür, dass Deutschland eins seiner größten Probleme aus Halbzeit eins gut in den Griff bekam.
16. 16 Rebounds holte sich Theis, 6 davon offensiv. Es war bemerkenswert, wie sich diese Kategorie drehte: In der ersten Hälfte holte Griechenland mehr Offensiv-Rebounds (9) als Deutschland defensive (6), die zweiten Chancen waren ein riesiges Problem. Nach der Pause kamen nur noch 2 dazu ... und Deutschland dominierte an den Brettern. 46:32 insgesamt, 16:11 bei den Offensiv-Rebounds. Es wurde mit einer unheimlichen Energie gespielt, mit der auch die vermeintliche körperliche Überlegenheit der Griechen neutralisiert werden konnte. Ein Sieg des Willens, unter anderem.
17. Und jetzt? Halbfinale, Halbfinale, hey, hey ... Freitag, 20.30 Uhr gegen Spanien. Noch ein Sieg, dann gibt's tatsächlich Edelmetall. Und wenn das DBB-Team so spielt, dann ist nun wirklich gar nichts mehr auszuschließen.