FIFA-Weltmeister MoAuba im Interview: "Ich zocke im Jürgen-Klopp-Stil"

FIFA-Weltmeister MoAuba im SPOX-Interview
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Er ist der beste FIFA-Zocker der Welt. Mohammed "MoAuba" Harkous hat sich in London den Weltmeistertitel in FIFA 19 geholt. Damit ist der Werder-Profi der erste Deutsche überhaupt, der den FIFA eWorld Cup gewinnen konnte.

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Im Interview mit SPOX und Goal spricht der 23-Jährige darüber, wie er von Sonderregelungen während seiner Schulzeit profitierte, wie der Kontakt zu Pierre-Emerick Aubameyang zustande kam, warum eSports als olympische Disziplin anerkannt werden sollte und wer der beste Zocker der Bundesliga ist.

Herr Harkous, herzlichen Glückwunsch zum WM-Titel. Vor allem das Halbfinale wird als eines der besten FIFA-Spiele aller Zeiten in die Geschichte eingehen. Haben Sie das Spiel nochmal angesehen?

Mohammed "MoAuba" Harkous: Ich habe es schon acht Mal angeschaut und bin jedes Mal kurz vor einem Herzinfarkt. Ich habe nach dem Spiel gesagt, dass es eines der besten Spiele war, die es jemals in FIFA gab. Nach acht Mal schauen weiß ich, dass es spielerisch vielleicht nicht das beste war, aber sicher das aufregendste. Das war schon heftig, was da passiert ist. Last Minute Ausgleich, Verlängerung, Elfmeterschießen, da war alles dabei und ich bin froh, dass ich es am Ende gewonnen habe.

Wie wichtig war Ihr Coach Matthias "Stylo" Hietsch?

MoAuba: Das war das erste Turnier, bei dem der Coach Einfluss nehmen durfte, also im Spiel reden und mitentscheiden darf. Ich habe mich entschieden, den Coach mitzunehmen, weil ich ab und zu Konzentrationsschwächen habe und mich oft unnötig aufrege. Deswegen war es mir wichtig, dass ich jemanden dabei habe, der mich darauf hinweist, wenn ich Fehler mache. Ich glaube, das war der Schlüssel. Bei jedem Ballgewinn hat er mich angefeuert wie ein Verrückter, mehr als bei einem Tor. Meine Schwäche ist die Defensive, deswegen hat er immer gejubelt, wenn ich nach einem Angriff kein Tor kassiert habe.

Gab es sonst noch einen Schlüssel zum Erfolg?

MoAuba: Dadurch, dass FIFA schon seit einem Jahr auf dem Markt ist, das Spiel sich lange nicht verändert hat und nur wenige Updates kamen, kannte man das Spiel auswendig. Deswegen habe ich vor der WM so wenig gespielt wie noch nie. Bei so einem Turnier ist es einfach wichtig, sein Spiel durchzuziehen und locker zu bleiben. Gar nicht nervös zu werden, egal wie groß die Bühne ist und das hatte ich schon immer drauf. Bei den letzten beiden Weltmeisterschaften war ich im Halbfinale, jetzt habe ich gewonnen. Ich fühle mich einfach sehr wohl dort. Ich brauche nicht viel Training, weil die anderen Spieler oft schlechter spielen, wenn sie nervös sind.

Nach der Siegerehrung haben Sie gesagt, Ihre Mutter und Schwester haben die 250.000 Dollar Preisgeld bereits verplant.

MoAuba: Ich hatte direkt nach dem Gewinn einen Facetime Call mit meiner Familie und Freunden zuhause, dort waren ungefähr 80 Leute, die gefeiert haben. Dann haben sie Sachen gerufen wie "Dein ganzes Geld ist schon weg!" oder "Wir haben ganz H&M gekauft". Zuhause habe ich dann aber nicht viele Tüten gesehen. Ich glaube, sie haben sich doch zurückgehalten. Es werden hoffentlich auch ein paar Euro für mich übrig bleiben. (lacht) Ich möchte das Geld anlegen.

Sie haben Ihren auslaufenden Vertrag bei Werder Bremen nicht verlängert.

MoAuba: Es waren lange Gespräche über mehrere Wochen und am Ende des Tages konnte man sich nicht über eine Verlängerung einigen. Bereits vor der WM gab es sehr offene Gespräche über die jeweiligen Möglichkeiten und Ziele. Natürlich hätte ich mir auch vorstellen können, bei Bremen zu bleiben, weil das einfach ein toller Verein ist mit mega-geilen Fans. Jetzt mache ich aber erstmal Urlaub. Die vergangenen Wochen war sehr emotional und die ganze Saison hat viel Kraft gekostet. Anschließend werde ich dann verkünden, wie es weitergeht und mit dem neuen Team durchstarten.

MoAuba: "Innerhalb von zwei Wochen war ich Deutscher Meister"

Lassen Sie uns über die Anfänge sprechen. Wie wird man denn der beste FIFA-Spieler der Welt?

MoAuba: Ich habe immer schon richtig viel gespielt und war auch schon immer sehr gut. Wenn jemand in meiner Gegend gesagt hat, dass er richtig gut ist, musste er zu mir nach Hause kommen und zeigen, was er kann. Im Jahr 2016 fand dann ein kleines Turnier in meiner Stadt statt, der Preis für den Sieger war eine Playstation 4. Von professionellem eSport wusste ich damals noch gar nichts. Für damalige Verhältnisse war das ein sehr großes Turnier, bei dem die besten Spieler dabei waren, die den Preis abräumen wollten. Im Laufe des Turniers habe ich dann einige Profis geschlagen und bin bis ins Finale gekommen, bei dem ich gegen Dr. Erhano knapp verloren habe. Nach dem Spiel hat er zu mir gesagt, dass ich die Qualifikation für die deutsche Meisterschaft spielen soll. Die Quali habe ich dann gewonnen und eine Woche später die deutsche Meisterschaft. Das ging so schnell, dass ich gar nicht die Zeit hatte, mir zu überlegen, ob ich überhaupt Profi werden will. Innerhalb von zwei Wochen war ich Deutscher Meister.

Sie waren damals noch Schüler. Wie hat das mit der Schule funktioniert?

MoAuba: Das erste Jahr als Profi war mein letztes Schuljahr vor dem Abi. Das war nicht so einfach, weil ich natürlich besser werden und möglichst viele Turniere spielen wollte, aber gleichzeitig auch die Schule vernünftig beenden musste. Das Jahr war dann auch nicht so prickelnd, durch FIFA hat sich mein Notenschnitt leider verschlechtert. Die letzten Monate vor dem Abi habe ich dann aber die Playstation weggepackt und das Abi bestanden. Das war mir wichtig.

Wie haben die Lehrer in der Schule reagiert?

MoAuba: An meinem ersten Tag ist der Klassenlehrer mit mir in sein Büro gegangen, was ja eigentlich immer ein schlechtes Zeichen ist. Er meinte dann aber: "Ich habe in der Zeitung gelesen, was du machst, das muss sehr viel Zeit kosten", woraufhin wir direkt am ersten Tag einen Plan erstellt haben. Ich habe eine riesige Unterstützung bekommen, zum Beispiel wurde ich bei Turnieren von der Schule freigestellt und auch sonst gab es einige Sonderregelungen. Diese Unterstützung war notwendig, ohne sie hätte ich es nicht geschafft. Mein ehemaliger Klassenlehrer hat mich nach dem WM-Titel angerufen und mir gratuliert, das hat mich sehr gefreut.

Die klassischen "Lern lieber etwas Vernünftiges"-Sätze der Eltern gab es aber trotzdem, oder?

MoAuba: Natürlich kamen solche Sätze wie "Geh jetzt studieren" oder "Mach was Vernünftiges". Vor allem, wenn man ein paar Wochen hatte, in denen es nicht lief, dann kamen natürlich sofort die ganzen Sorgen. Aber je größer der eSport-Hype wurde, desto ruhiger wurde es. Als dann die Vereine eingestiegen sind und man ein monatliches Gehalt bekommen hat, waren sie schon erstaunt. Aber in der Anfangszeit, als ich gesagt habe, dass ich nicht studieren will, gab es sehr viele Diskussionen.

Was würden Sie Jugendlichen empfehlen, die FIFA-Profi werden wollen?

MoAuba: Wenn man viel Talent hat, muss man gar nicht so viel Zeit investieren, am Wochenende spielen reicht schon. In der Weekend League auf FIFA merkt man ja selbst, ob man besser spielt als die meisten Gegner und dann werden auch die Teams auf einen aufmerksam. Aber es gilt natürlich: Je früher man anfängt, desto besser sind die Chancen. Wichtig ist, dass die eSports-Teams eine Regel wie die meisten Fußballklubs finden und die angehenden Profis unterstützen. Ohne einen vernünftigen Schulabschluss sollten die Jugendlichen keinen Vertrag bekommen. Ein Leon Goretzka hat zum Beispiel mit 18 noch sein Abi gemacht, obwohl er schon Stammspieler bei Bochum war. Du kannst dir immer deine Hand brechen, man weiß nie, was passiert. Du brauchst immer einen Plan B.

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