Es schien ein Derby zur Unzeit zu werden. Nach fünf Niederlagen in Folge musste der FC São Paulo am Sonntagnachmittag bei den Corinthians antreten. Schon lange war der Erzrivale gegen den FC nicht mehr so klar in der Favoritenrolle gewesen.
Doch die Tricolor schlugen sich im feindlichen Estadio Pacaembu achtbar aus der Affäre. Dank Keeper Rogerio Ceni, der einmal mehr zum Helden avancierte. Der Kapitän rettete mit seinen Paraden ein 0:0.
Ceni lobte seine Mitspieler: "Das Team zeigte Klasse, Entschlossenheit und Hingabe. Das war wichtig. Auch ohne Sieg war ich erleichtert, zu sehen, wie gut das Team zusammenhält."
"Das Unentschieden ist kein Grund zum Feiern", bremst Trainer Paulo Autuori jene, die über den ersten Punkt seit seinem Amtsantritt Anfang Juli jubeln. Gewonnen hat São Paulo seit nunmehr neun Spielen nicht mehr. Und die Tormisere hält an.
Keine Tore und Verletzungspech
Gebeutelt von Verletzungspech und vielen Sperren findet sich der FC São Paulo mitten im Abstiegskampf wieder. Das größte Problem: Ganso, Osvaldo und Co. treffen auch unter Neu-Coach Autuori nicht.
Nur elf Tore (darunter ein 5:1-Sieg), aber 14 Gegentreffer in elf Spielen - das einst hochgelobte Mittelfeld hat gerade einmal einen Treffer durch Jadson aufzuweisen, genauso viele wie der für seine verrückten Aktionen geliebte Keeper Ceni.
Luis Fabiano und Aloisio führen die Torschützenliste mit je drei Treffern an. Der 32-jährige Nationalstürmer laboriert aber derzeit an einer Muskelzerrung im rechten Oberschenkel, Aloisio fehlte im Derby gelbgesperrt.
Kritiker fordern einen offensiveren Fußball. Doch Autuori kontert: "Demut ist zu diesem Zeitpunkt der Schlüssel für uns. Demut führt uns an viele Orte, Arroganz nirgendwohin." Es sei derzeit für sein Team besser, auch mal einen Schritt zurückzugehen.
Mit acht, neun Mann hatte São Paulo gegen Corinthians verteidigt und die Truppe um Paolo Guerrero daran gehindert, ihr druckvolles Spiel aufzuziehen.
Mitten im Abstiegskampf
In der Tabelle ist São Paulo nur noch 18., die beiden Teams dahinter haben zu allem Überfluss zwei Spiele weniger absolviert. Ein heftiger Absturz des Meisters von 2006, 2007 und 2008.
Und ein Aufschwung unter Autuori ist nicht in Sicht. Der Rausschmiss von Ney FrancoAnfang Juli nach nur einem Jahr Amtszeit hat dem Verein nichts als Unruhe gebracht. Nach einem Ersatz für den ebenfalls Anfang Juli geschassten Sportdirektor wird noch immer gesucht.
Autuori, der zuletzt Vasco da Gama trainierte und 1996/1997 Benfica unter seinen Fittichen hatte, hatte 2005 schon einmal beim FC São Paulo auf der Bank gesessen. Mit großem Erfolg: Von April bis Dezember in der Verantwortung führte er den Traditionsklub zum Triumph in der Copa Libertadores und dem Sieg bei der Klub-WM.
Stur im 4-4-2
Seit seiner "Heimkehr" vor knapp drei Wochen aber agiert Weltenbummler Autuori unglücklich. Trotz des Starts mit fünf Pleiten in Folge hält er stur am 4-4-2-System fest.
Ausgerechnet vor dem prestigeträchtigen Stadtderby gegen Corinthians griff Autuori personell durch. Weder Lucio noch der als Toptalent gepriesene Ganso durften im Corinthians-Tempel Pacaembu gegen den Erzrivalen ran. Paul Miranda rückte neben Rafael Toloi in die Innenverteidigung, für Ganso begann überraschend Fabricio. Maicon bliebt erneut nur die Jokerrolle.
"Uns fehlt die Qualität im Mittelfeld, aber ich kann immerhin die Spieler variieren", wurde Autuori unter der Woche zitiert. Die Abwehr ohne Lucio lobhudelte der Trainer nach dem 0:0 auffallend: "Am wichtigsten war, dass wir die Position halten. Unsere Abwehr hatte zu bleiben, wo sie war. Das war gut. Das will ich weiterhin sehen." Der Audi Cup kommt Autuori daher gerade recht.
Bloß kein Knatsch mit Ceni
Aus dem K.o. seines Vorgängers hat Autuori eine wichtige Lehre gezogen: Franco war neben den sportlichen Misserfolgen (Achtelfinal-Aus gegen den späteren Champion Atletico Mineiro in der Copa Libertadores, Halbfinal-Pleite gegen Corinthians im Campeonato Paulista) an den öffentlich ausgetragenen Querelen mit Ceni gescheitert.
Autuori versucht hingegen, eng mit dem Kapitän zusammenzuarbeiten. Der 40-jährige Ceni gilt als einer der verrücktesten Keeper im internationalen Fußball. Mehr als 100 Tore hat er bereits für Sao Paulo erzielt, nicht selten tritt der Goalie als erster Elferschütze seines Teams an. Die ungewöhnlichste Note seiner Karriere: Seit 21 Jahren steht er bei São Paulo im Tor. Er spielt seine letzte Saison.
Ceni stärkt Autuori denn auch gegen die Kritiker den Rücken: "Ich glaube, das Derby war ein wichtiger Schritt. Wir haben ein Spielsystem gefunden. Jetzt werden wir versuchen, den Plan von Autuori weiter umzusetzen. Mit diesem Punkt können wir in die Verschnaufpause von der Brasileirão gehen." Eine Verschnaufpause, die in München mit dem Duell gegen die Bayern beginnt.
Lucio nicht beim Audi Cup
Vor dem Vize-Kapitän macht Autuori trotz dessen Münchner Vergangenheit nicht halt: Lucio wird nach dem Derby auch den Audi Cup in München, den Eusebio Cup in Portugal und die Japanreise verpassen. Aus disziplinarischen Gründen, wie es heißt. Gegenwind aus den eigenen Reihen duldet der Trainer nicht.
Ganso steht hingegen nach seinem Denkzettel gegen Corinthians für das Turnier in München wieder im Aufgebot, auch der in der Liga gesperrte Aloisio ist an Bord. Dagegen bleibt Topscorer Luis Fabiano in Brasilien, um seine Muskelverletzung auszukurieren.
Sao Paulos Aufgebot für den Audi Cup:
Torwart: Rogerio Ceni, Denis, Renan
Verteidiger: Rafael Toloi, Paulo Miranda, Edson Silva, Lucas Silva, Douglas, Reinaldo, Lucas Farias
Defensives Mittelfeld: Wellington, Rodrigo Caio, Fabrizio, John Schmidt
Offensives Mittelfeld: Paulo Henrique Ganso, Jadson, Maicon, Lucas Evangelista, Roni
Stürmer: Ademilson, Aloisio, Osvaldo, Silvinho