"Rassistische Rufe mit Pfiffen antworten"

Von Interview: Fanreporter Jakob Kunz
Der INTERSPORT/adidas-Fanreporter Jakob Kunz interviewte Dr. Rainer Koch
© spox

Die Ukraine stand vor der EM am Pranger - doch DFB-Vizepräsident Dr. Rainer Koch appelliert für eine faire Berichterstattung. Der Jurist spricht im Interview mit dem INTERSPORT/adidas-Fanreporter Jakob Kunz über Rassismus, Vergleiche mit Südafrika und die Pyrotechnik-Debatte.

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SPOX: Die Berichterstattung im Vorfeld dieser Europameisterschaft, vor allem hinsichtlich der Ukraine, war oft negativ behaftet. Was ist Ihr Eindruck in diesen ersten Tagen?

Dr. Rainer Koch: Ich finde es schade, dass kein vollständiges Bild der Ukraine gezeichnet wurde. Das hat sicherlich einige Fans davon abgehalten, hierher zu kommen. Mein Eindruck ist, dass man sich hier völlig problemfrei bewegen kann. Die Menschen sind freundlich und freuen sich auf diese Europameisterschaft. Ich bin wirklich überrascht, wie unkompliziert alles abläuft. Für mich wieder einmal der Beweis, was Fußball alles bewirken kann: Völkerverbindung herstellen und Menschen zusammenbringen. Deswegen ist es wichtig, dass diese EM in der Ukraine stattfindet.

SPOX: Wurde die Austragung der EM in der Ukraine zu Unrecht kritisiert?

Koch: Natürlich ist es richtig, dass man im Sport nicht die Augen verschließen darf vor dem, was in einem Land, in dem ein so großes Sportereignis stattfindet, passiert. Natürlich ist es richtig, dass das politische System in der Ukraine nicht so ist, wie wir uns das in Deutschland vorstellen. Und natürlich ist es richtig, dass wir dem auch sehr kritisch gegenüberstehen. Aber genauso richtig ist es auch, hierher zu fahren und die Menschen bei diesem Sportereignis zu unterstützen.

SPOX: Auch die WM 2010 in Südafrika wurde im Vorfeld heftig kritisiert. Die Stadien waren am Ende trotzdem voll. Was erwarten Sie für die kommenden Spiele?

Koch: Das muss man abwarten. Bei den Spielen, die ich bisher im Fernsehen verfolgt habe, habe ich keine großen Lücken in den Zuschauerrängen feststellen können. Fakt ist, dass man sich hier in Lemberg wesentlich freier und unkomplizierter bewegen kann als in südafrikanischen Städten.

SPOX: Bei einem öffentlichen Training der niederländischen Nationalmannschaft haben sich polnische Fans daneben benommen und farbige Spieler rassistisch beleidigt. Im Falle einer Wiederholung will Kapitän Mark van Bommel beim Schiedsrichter einen Spielabbruch fordern. Ist ein solches Szenario denkbar?

Koch: Über solche Dinge sollte man nicht spekulieren. Es ist immer sehr theoretisch, sich darüber Gedanken zu machen, was zu tun ist, wenn eine bestimmte Situation eintrifft. Fakt ist, dass rassistische Äußerungen völlig inakzeptabel sind und in jeder Hinsicht geächtet werden müssen. Rassismus im Sport muss man die Rote Karte zeigen.

SPOX: Wie kann man gegen diese Fans vorgehen?

Koch: Da muss sich auch die Mehrheit der Zuschauer deutlich dagegen stellen. Rassistische Rufe können beispielsweise unterdrückt werden, wenn die große Masse mit einem Pfeifkonzert darauf antwortet. Dann hört man sie nicht mehr. Aber natürlich muss man diese Täter identifizieren und aus den Fußballstadien verbannen.

SPOX: Auch in der Bundesliga kam es in letzter Zeit immer häufiger zu Ausschreitungen, vor allem durch Pyrotechnik. Sind schon Lösungen, beispielsweise ein Sichtschutz, denkbar?

Koch: Wir wissen, dass das Pyroverbot nicht nur mit Reden durchgesetzt werden kann, sondern Handeln gefragt ist. Deswegen wird es noch vor Saisonbeginn eine Zusammenkunft aller Clubs der 1. bis 3. Liga geben, an der auch der Bundesinnenminister teilnehmen wird. Dort werden wir versuchen, eine gemeinsame Haltung der beiden Spitzenverbände, DFB und DFL, und der Klubs zu formulieren. Bis dahin ist Zurückhaltung gefragt, da die einzelnen Vorschläge erst intern entwickelt werden müssen.

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