Lautes Geschrei hallt über das Gelände des Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks. Über dem Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg strahlt die Sonne, und als wir Journalisten auf den Sportplatz vor dem großen Stadion geführt werden, sehen wir auch strahlende Gesichter.
Wir sind zu Besuch bei dem Mädchen-Fußballturnier "Integration durch Sport". 16 Teams haben sich durch Vorturniere für den Showdown um die Berliner Stadtmeisterschaft qualifiziert. Mit dabei ist die Vineta-Grundschule, die als zweitbeste Mannschaft ihres Stadtteils Berlin-Mitte das Ticket für das Endturnier gelöst hat.
Berliner Vineta-Schule Teil der Kicking Girls
Besonders daran: Die Vineta-Grundschule ist künftig Teil des Projekts Kicking Girls der Laureus Sport for Good Stiftung Deutschland/Österreich, das sich zum Ziel gesetzt hat, die Teilnahme von Mädchen mit Migrationshintergrund im und am organisierten Sport zu fördern. Die Lebenssituation der Mädchen soll durch Fußball verbessert werden. Schirmherrinnen der Kicking Girls sind die deutsche Nationalmannschaftskapitänin Birgit Prinz und neuerdings auch Nia Künzer, WM-Heldin von 2003.
Kicking Girls wird auf ganz Deutschland ausgeweitet
Auf den beiden Kleinfeldern im Jahn-Sportpark eifern gleich mehrere Mädchen Prinz und Künzer nach. Im Unterschied zu den DFB-Aushängeschildern in Sachen Frauenfußball tragen viele von ihnen aber Kopftuch und lange Hosen, aus religiösen Gründen. Unter ihnen auch Nawraa (11 Jahre) und Alaa (12). Die Vineta-Schülerinnen sind in der 6. Klasse, genau wie ihre Teamkolleginnen Selin und Yülide (beide 12). Das Quartett kickt schon seit drei Jahren und trainiert einmal pro Woche auf einem extra eingerichteten Platz des Schulgeländes.
93 Prozent der Schüler mit Migrationshintergrund
"Es gibt bei uns einen Spielplan für die ganze Woche, damit jeder sehen kann, wann welche Klasse dran ist", berichtet Jürgen Faust, der Lehrer an der Vineta-Grundschule ist und beim Turnier als Betreuer fungiert. Mädchen und Jungs spielen dabei in gemischten Mannschaften. Die meisten von ihnen haben ausländische Wurzeln.
"93 Prozent der Vineta-Schüler haben einen Migrationshintergrund. Zudem kommen über 50 Prozent aus einem Hartz-IV-Umfeld", erläutert Dr. Ulf Gebken. Der Projektleiter Kicking Girls und Leiter des An-Instituts "Intergation durch Sport und Bildung" der Carl-von-Ossietzky Universität Oldenburg ist nach Berlin gekommen, um den Erfolg des Turniers zu messen.
Erfolg stellt sich langsam aber sicher ein
Gebken gibt zu, anfangs skeptisch gewesen zu sein, da die Unterstützung der Eltern noch zu wünschen übrig lässt. "Doch so langsam zeigen die Eltern Interesse und schauen sich mal ein Training an oder besuchen ein Turnier. Das ist eine ganz wichtige Entwicklung", freut sich der Projektleiter.
Bestes Beispiel für den "Aufwärtstrend" ist Selins Mutter, die erstmals ihre Tochter bei einem Fußballturnier begleitet. "Gerade in unserer Schule ist es wichtig, dass sich die Eltern engagieren", weiß sie. Durch den Sport würden sich die Kinder besser verstehen und durch das gemeinsame Trainieren wären bereits Freundschaften entstanden.
Migrantenvereine sollen angesprochen werden
Genau so soll es sein. Dennoch wartet noch viel Arbeit auf die Projektverantwortlichen, da macht sich Dr. Ulf Gebken nichts vor. Er will mit dem Kicking Girls Projekt auch vermehrt Migrantenvereine ansprechen, um so soziale Brücken zu schlagen und bestehende Mauern einzureißen.
Webtipp: fussball-ohne-abseits.de
Bei Selin, Nawraa, Yülide und Alaa ist dies nicht mehr nötig. Die Vier treten während des Turniers als echte Einheit auf, rennen und kämpfen füreinander und vergessen dabei auch nicht den Spaß und das Fairplay. Sie freuen sich über erzielte Tore und feuern sich an, wenn sie Gegentore kassieren. Am Ende springt Platz zehn für die Vineta-Mädchen raus, der Sieg in Berlin geht an die Heinrich-Seidel-Grundschule.
Doch das ist an diesem Tag nebensächlich. An diesem Tag haben alle Spaß gehabt, daher sind alle Gewinner.