Frage: Jamie, surreale neun Mal in Folge haben Sie nun die X-Games gewonnen. Das ist nicht mal Tony Hawk gelungen. Welcher war Ihr schönster X-Games-Triumph?
Jamie Bestwick: Das kann nur der aus dem Jahr 2000 sein. Es war meine erste Goldmedaille überhaupt. Die Dramaturgie des Rennens war einmalig. Es war ein heißer, sonniger Tag und das Finale lief auf zwei Piloten auf dem Zenit ihrer Fähigkeiten hinaus. Dave Mirra war seit Jahren ungeschlagen und hatte einen Mega-Run, doch am Ende konnte ich dieses einmalige Kopf-an-Kopf-Rennen für mich entscheiden. Es war definitiv der am härtesten erkämpfte Sieg und deshalb bleibt er immer ein Teil von mir.
Frage: Danny MacAskill, in diesem Jahr für den Laureus-Action-Award nominiert, wird neben seinen unglaublichen Fähigkeiten auf dem Bike vor allem auf Basis seiner starken Social-Media-Präsenz gehypt. Wie war das zu Ihrer Zeit?
Bestwick: Als ich anfing, gab es sowas wie soziale Medien gar nicht. Facebook, Instagram und Co. waren noch gar nicht erfunden. Wenn dann gab es mal eine VHS oder ein Foto von mir in einem Magazin. Das macht schon einen großen Unterschied. Trotzdem ist das, was MacAskill macht, großartig. Er hat die Kunst des bloßen Mountainbike-Fahrens in eine geografische Erlebnistour verwandelt. Der Kerngedanke bleibt bei ihm aber der gleiche wie bei mir: Geh raus und hab Spaß mit deinem Bike!
Frage: Das BMX-Feuer lodert auch nach 30 Jahren noch in Ihnen. Was ist Ihr Geheimnis?
Bestwick: Englischer Tee! Meine Mum schickt mir das in Massen (lacht). Ich liebe einfach den Fortschritt des Sports und mit dieser Entwicklung möchte ich Schritt halten. Dieses Pre-Contest-Gefühl, diese Aufregung, macht absolut abhängig. Und das hält auch mein Feuer für den Sport stetig am Leben.
Frage: Mittlerweile sind Sie 43. Da muss doch noch mehr hinterstecken...
Bestwick: Heute früh bin ich um sieben aufgestanden, um vor meinen Pflichten, die in einem Leben als Laureus-Botschafter so anfallen, noch mal ins Gym zu gehen. Warum ich das tue? Weil ich den BMX-Sport und wirklich alles, was dazu gehört, liebe. Und wenn das heißt, dass ich um sieben Uhr morgens aufstehen muss, dann ist das halt so. Ich will sehen, was für mich möglich ist auf dem Bike. Jeden Schweißtropfen investiere ich dafür gern. Es macht mich glücklich.
Frage: Hatten Sie je eine Verletzung, die Ihre Karriere ernsthaft gefährdet hat?
Bestwick: Oh ja, die hatte ich. Ich hatte eine ernsthafte Wirbelsäulenverletzung 2006. Es löste sich die Bandscheibe zwischen den Wirbeln C5 und C6. Für eine Notoperation musste ich ins Krankenhaus und der Doktor machte unmissverständlich klar: "There is no more bike ride for you".
Frage: Offensichtlich haben Sie den Rat des Doktors nicht befolgt?
Bestwick: Ich hab das schon sehr ernst genommen, aber ich wusste eigentlich, dass ich nicht auf ihn hören würde. Denn es ist nun mal meine Leidenschaft, mein Beruf, mein Ein und Alles. Ich wusste, dass ich wieder auf dem Bike sitzen werde, sobald ich mich bereit fühle.
Frage: Wie lange dauerte es, bis Sie endgültig wieder gefahren sind?
Bestwick: Ich ging zurück nach England zu meiner Familie und versuchte, mich mit dem Gedanken anzufreunden, dass es das endgültig war mit meiner BMX-Leidenschaft. Aber das gleiche Feuer, das mich heute noch zu Höchstleistungen treibt, steuerte mich geradewegs in den Kraftraum. Ich trainierte meinen Rücken und begann erneut an meiner Fitness zu arbeiten. Sechs Wochen nach der OP nahm ich schließlich schon am nächsten Wettbewerb teil und wurde Zweiter. Wäre ich bei diesem Wettbewerb oder denen danach auf den Rücken gestürzt, hätte das drastische Folgen haben können. Es war ein echter Gamble. Ich hab mein Leben aufs Spiel gesetzt. Aber das war es wert.
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