Taylor Rochestie servierte seinen vielleicht wichtigsten Assist nicht auf dem Basketball-Court.
Als 2008 die Anzahl möglicher Stipendien der Washington State University bereits gefüllt war, hatten die Cougars die Chance, mit Marcus Capers ein weiteres vielversprechendes Talent ins Programm zu holen. Nur ging das eben nur mit einem Stipendium - doch die waren alle blockiert. Bis ein Stipendiat namens Taylor Rochestie freiwillig beiseite trat.
"Es passiert nicht jeden Tag, dass dir jemand ein Stipendium schenkt", sagte der überglückliche Profiteur Capers. "Das zeigt Taylors Qualitäten als Führungsspieler und Teamkollege", lautete der Kommentar von WSU-Coach Tony Bennet.
Der Angesprochene selbst legte seine akademische Karriere fortan nicht etwa ad acta, er ging eben einen anderen Weg. Rochestie verkaufte seinen Ford Expedition und finanzierte sich den Rest seines Studiums über Nebenjobs zum Großteil selbst.
Die Explosion - unverhofft kommt oft
Damals stand Rochestie jedoch noch am Anfang einer langen Entwicklung. Eine Reise, die ihn letztendlich zum internationalen Top-Spieler formte - allerdings erst im Alter von 30 Jahren. Erst in der Saison 2014/15 bei Nizhny Novgorod gelang es ihm, sich endlich auf Topniveau durchzusetzen. "Taylor hat dieses Jahr bewiesen, dass er auf das nächste Level gehört", lobte Ex-Coach Ainars Bagatskis.
Die Verantwortlichen von Maccabi Tel Aviv sahen es ähnlich - und so wagte Rochestie im Sommer erstmals den Sprung zu einem europäischen Spitzenklub. Dort will er sich weiterentwickeln und nochmals steigern: "Ich lerne immer weiter von diesem Spiel und wachse als Spieler. Ich will dieses Jahr besser werden", stellte Rochestie gegenüber RealGM klar.
Die Gelegenheit hat er nun bei einem der renommiertesten und erfolgreichsten Klubs Europas. Maccabi ist mit 51(!) Titeln selbstverständlich Rekordmeister in Israel, darüber hinaus stehen fünf Euroleague-Trophäen in den Klub-Vitrinen. Die Anforderungen sind dementsprechend hoch - aber Rochesties Shooting und Timing stehen der Mannschaft gut zu Gesicht. Er ist ein absoluter Teamplayer und trifft häufig die richtigen Entscheidungen.
Besser spät als nie
Zudem ist er effizient - das stellte er in der vergangenen Saison eindrucksvoll unter Beweis: Mit durchschnittlich 18,9 Punkten pro Spiel wurde er Top-Scorer der Euroleague und nebenbei der erste Spieler der Liga-Geschichte mit einer 50-50-90-Saison: Seine 52 Prozent aus dem Feld, 50 Prozent von Downtown und 93 Prozent von der Freiwurflinie weckten Erinnerungen an Steve Nash zu besten Zeiten.
Seine Erklärung für den plötzlichen Leistungssprung im "hohen" Alter ebenfalls: "Die Coaches, Spieler und Assistenten haben hier eine Atmosphäre mit großartigem Konkurrenzkampf geschaffen", schob er seinen Erfolg auf Team und Trainerstab ab. Er habe einfach viel Vertrauen erfahren und seine Rolle als sehr passend empfunden.
In der Tat passt die Rolle des Scoring Point Guards optimal zu ihm - das zeigte schon seine erste Station in Europa. 2009 wurde Rochesties Name beim NBA-Draft nicht aufgerufen, worauf der Gang nach Deutschland folgte. Die BG Göttingen hatte zugeschlagen und sollte die Entscheidung nicht bereuen: Rochestie wurde Newcomer of the Year und das Team EuroChallenge-Sieger, obendrauf gab's den MVP-Award des Final Four - in seinem ersten Jahr in Übersee.
Plötzlich Wandervogel
Der Start einer Erfolgsgeschichte? Nicht wirklich. Bei der nächsten Station Galatasaray blieb er nur wenige Monate, dann folgten binnen weniger Jahre mehr oder weniger erfolgreiche Stops bei Alba Berlin, Le Mans, Caja Laboral, Angelico Biella und Montepaschi Siena - insgesamt sechs Vereine zwischen 2010 und 2014.
Sein Wandervogel-Dasein will der Rochestie in Retrospektive nicht großartig kommentieren. "Ich mag es nicht, nach Gründen oder Entschuldigungen zu suchen. Ich habe Erfahrungen gemacht und viel über mich und das Spiel gelernt", sagt Rochestie. Eine verständliche Perspektive, da er im Anschluss bekanntlich endlich das richtige Team für sich fand.
Bei Novgorod avancierte er nach seinem Wechsel 2014 schnell zum absoluten Leader und führte das junge Team schon in seiner ersten Saison ins Finale der VTB League. Dort unterlag Novgorod zwar ZSKA Moskau, dennoch kristallisierte sich die neue Rolle als Erfolgskonzept heraus.
Von Level zu Level...
Rochestie hat sich zurück gekämpft. Erstmals in seiner Karriere blieb er länger als eine Saison beim selben Verein und belohnte sich mit einer überragenden zweiten Saison - und dem Wechsel zu Maccabi. "Ich habe vor, jeden Tag hart zu arbeiten", sagte er bei seiner Vorstellung, auch Coach Guy Goodes zeigte sich vollends überzeugt von seinen Qualitäten: "Er verfügt über einen fantastischen Wurf. Er bringt viel Energie mit sich und kann einen großen Beitrag für Maccabi leisten."
Das ist auch nötig. Maccabi gewann in der letzten Saison ausnahmsweise nicht die israelische Liga, auch in der Euroleague schied der damalige Titelverteidiger zum Staunen Aller bereits im Viertelfinale aus. Ein Umbruch war die Folge, neben Rochestie kamen beispielsweise auch Jordan Farmar und Ex-Bamberger Trevor Mbakwe nach Tel Aviv.
Trotz der neuen Stars verlief der Saisonstart indes nicht optimal - im Gegenteil. Die ersten beiden Euroleague-Partien gegen ZSKA und Unicaja Malaga gingen deutlich verloren, bevor gegen Sassari der erste Saisonsieg eingefahren wurde. Auch in Israel steigt die Formkurve langsam aber sicher nach oben - und Rochestie findet nach und nach seine Rolle.
Seine Wurfquoten vor dem Spiel gegen den deutschen Meister Bamberg (48-57-100) weisen in jedem Fall darauf hin, dass er sich auf dem nächsten Level endgültig etabliert hat. Es hat lange genug gedauert.
Taylor Rochestie im Steckbrief