Johannes Voigtmann wechselte vor zwei Jahren von den Frankfurt Skyliners zu Baskonia Vitoria und etablierte sich dort zu einer tragenden Säule. Mit SPOX sprach er über die Nationalmannschaft, den Streit zwischen FIBA und EuroLeague und Mega-Talent Luka Doncic.
SPOX: Johannes, im Interview mit SPOX haben Sie vor eineinhalb Jahren gesagt, dass es Ihr erstes Ziel bei Baskonia sei, sich in Spanien zu etablieren. Das hat doch ziemlich gut geklappt, oder?
Johannes Voigtmann: Ja, es hat sogar relativ schnell geklappt. Die ersten Monate waren herausragend. Es gab also quasi gar keine Anlaufzeit.
SPOX: Inzwischen sind Sie jetzt seit knapp zwei Jahren bei Baskonia, einem sehr impulsiven Klub. Was waren die spannendsten Erlebnisse?
Voigtmann: Sportlich ist es relativ eindeutig zu sagen: Letztes Jahr die Copa del Rey bei uns in Vitoria. Die Stimmung in der Halle und in der Stadt war extrem euphorisch und positiv. Sowas kennt man in Deutschland - vor allem im Basketball, aber auch allgemein - nicht. Die Fans sind die ganze Woche singend durch die Stadt gezogen. Das werde ich nicht vergessen, weil es so war wie man sich Sport vorstellt: Emotion und Begeisterung.
SPOX: Und abseits des Parketts?
Voigtmann: Landschaftlich ist es hier extrem schön. Man kann tolle Ausflüge machen, obwohl ich dafür natürlich eher wenig Zeit habe, da der Liga-Betrieb und die Pokale logischerweise viel Zeit in Anspruch nehmen.
SPOX: Wenn Sie schon von der Liga sprechen: Was sind die spielerischen Unterschiede zwischen BBL und ACB?
Voigtmann: In der BBL ist das Tempo etwas höher und es wird athletischer gespielt. Dafür ist in Spanien die technische und taktische Ausbildung deutlich ausgeprägter. Das Spiel ist so schwerer zu lesen, in Spanien hilft man beispielsweise in der Defense häufiger aus.
SPOX: Bis zur vergangenen Saison war noch Andrea Bargnani im Team, auch ein Big, der werfen kann. Was konnten Sie von ihm lernen?
Voigtmann: Er war leider relativ häufig verletzt, aber sein Wurf war echt beeindruckend. Er hat so eine saubere Technik, dass er aus jeder Positionen einen guten Wurf abgeben kann. Da möchte man natürlich mit seinem eigenen Wurf hin.
SPOX: Ein Spieler, der ab der nächsten Saison höchstwahrscheinlich in der NBA spielen wird, ist Luka Doncic. Sie haben in dieser Saison bereits mehrere Male gegen Real gespielt. Wie schätzen Sie ihn ein?
Voigtmann: Er ist natürlich eine Sensation. In so jungem Alter spielt er auf extrem hohen Niveau. Das ist sehr beeindruckend. Er hat das nötige Verständnis und spielt mit einer Kaltschnäuzigkeit, die man sich schwer antrainieren kann. Sowas muss einfach angeboren sein. Hinzu kommen seine perfekten körperlichen Voraussetzungen. Er ist ein sehr interessanter Spieler für die NBA.
SPOX: Ein solches Mega-Talent wirft aber natürlich auch seinen Schatten...
Voigtmann: Ja, er versaut die Vergleiche mit jungen Spielern. Wenn man sich beispielsweise Talente aus der BBL anschaut, denkt man: 'Für ihr Alter sind die schon richtig weit und spielen auf hohem Niveau'. Beim Blick auf Doncic gerät der Vergleich aber aus allen Fugen. Das ist das Beeindruckendste.
Die Statistiken von Johannes Voigtmann im Überblick
Wettbewerb | Minuten | Punkte | 2PP | 3PP | Assists | Rebounds |
Liga ACB | 19,9 | 8,9 | 61,6 | 31,5 | 1,8 | 6,5 |
EuroLeague | 20,27 | 8,5 | 67,7 | 62,5 | 1,7 | 3,2 |
SPOX: Aktuell stehen Sie auf Platz 4 in der Liga: Wie schwer ist mit diesem Druck umzugehen? Beispielsweise, wenn es um die Quali für die Euroleague geht?
Voigtmann: Klar, man hat Druck. Ich glaube so ist das bei allen großen Vereinen. Der Druck der Fans ist aber nicht größer als der, den man sich selbst macht. Außerdem sind die Fans von Baskonia sehr fair. Sie können einschätzen, was möglich ist und das gibt den Spielern Sicherheit. Natürlich will man da auch was - in Form von Titeln - zurückgeben.
SPOX: In der EuroLeague stehen Sie nach fünf Siegen in Folge auf dem achten Platz der Tabelle. Maccabi sitzt ihnen im Nacken, doch mit einem Sieg am Donnerstag können Sie den Sack zu machen. Auch Bamberg spielt in der Euroleague. Hinspiel mussten Sie sich geschlagen geben. Haben Sie die Bamberger unterschätzt?
Voigtmann: Nein. Unser Trainer hatte zwei Tage vorher hingeschmissen. Da waren wir natürlich nicht auf dem Höchstpunkt unserer Saison. In Bamberg haben wir nicht die richtigen Mittel gefunden. Jetzt haben wir eine neue Chance.
SPOX: Bei der Revanche in der vergangenen Woche saß auch bei den Bambergern ein anderer Trainer auf der Bank, nicht mehr Trinchieri. Was sagen Sie zu seiner Entlassung?
Voigtmann: Davon bin ich kein großer Freund. Fast eine komplette Starting Five aus der Meistersaison hat Bamberg verlassen. Da ist es natürlich immer schwer. Die Ergebnisse haben gefehlt, aber wenn ein Trainer so viel leistet, ist es hart, ihn zu entlassen. Letzten Endes entscheiden das aber Offizielle, die natürlich näher am Geschehen sind als ich.
SPOX: Sie sprachen bereits von den vielen Abgängen in Bamberg. Welche Entwicklung muss die Liga machen, um solche Spieler zu halten?
Voigtmann: Sehr schwierig. Ich glaube, dass die Liga nicht viel machen kann. Das Ziel muss eine größtmögliche Ausgeglichenheit sein. Das ist in dieser Saison schon besser geworden, obwohl die Bayern sehr dominant auftreten. Auch Alba Berlin, medi Bayreuth und die MHP Riesen Ludwigsburg sind starke Mannschaften. Wenn man das noch ausgeglichener gestalten kann, wird das Ansehen der Liga immer weiter steigen. Dann wären Spieler wie Fabian Causeur und Janis Strelnieks haltbar.
SPOX: Eine Änderung könnte der Pokal sein. Diskussion über 16 Teams: Halten Sie das für sinnvoll? Wie läuft es in Spanien?
Voigtmann: In Spanien ist es ähnlich wie in Deutschland. Es ist aber ein Top 8 Turnier. In Spanien hat der Pokal aber ein ganz anderes Ansehen. Er ist fast gleichwertig zur Meisterschaft. In Deutschland ist es eher so: 'Der Pokal ist halt der Pokal'. Eine Änderung kann nur gut sein.
SPOX: Wie fühlt man sich als Spieler, im Streit zwischen der FIBA und Euroleague? Vor allem, weil das Spiel gegen Serbien in Frankfurt für Sie ein Homecoming gewesen wäre.
Voigtmann: Das ist natürlich ein sehr bescheidenes Gefühl. Das schlimmste ist, dass man in die Entscheidungsfindung als Spieler nicht eingebunden wird. Eigentlich sollten wir der wichtigere Teil sein. Im Endeffekt geht es bei dem Theater um uns. Die Nationalmannschaft hat auch nicht verdient, dass einige Spieler nicht mit an Bord sein können.
SPOX: Wie können die Spieler dagegen vorgehen?
Voigtmann: Wir sollten schleunigst eine Spielergewerkschaft gründen, um uns da besser einsetzen zu können. Da ist einiges in Gange. In dieser Saison war es leider noch nicht möglich, aber ich hoffe, dass es zur nächsten Saison klappt.
SPOX: Im nächsten Jahr steht dann die WM an. Dennis Schröder hat bereits angedeutet, dass eine Medaille her soll. Wie sieht Ihre persönliche Zielsetzung aus?
Voigtmann: Nach der letzten EM kann man natürlich zuversichtlich sein. Prinzipiell sollte das erste Ziel die Qualifikation sein. Eine Medaille ist ein hochgestecktes Ziel, aber man fährt nicht zu einem Turnier, um einfach nur mitzuspielen.
SPOX: Bei der EM 2015 wurde Dennis Schröder scharf kritisiert. Wie sahen Sie seine Leistungen?
Voigtmann: Ich habe schon damals die Kritik nicht verstanden. Er hat im Alter von 22 Jahren ein Team mit überragenden Leistungen durch die Gruppe getragen, die damals extrem stark war. Natürlich ist er kein Typ wie Dirk, was viele Leute aufregt. An sich ist das aber kein Problem.
SPOX: Wie hat er sich spielerisch weiterentwickelt?
Voigtmann: Er hat eine große Schippe draufgelegt. Sein Wurf ist besser geworden. Zudem spielt er kontrollierter und reifer. Auch wenn die Hawks keine große Rolle spielen in dieser Saison, ist er dort Leistungsträger.
gettySPOX: Einer Ihrer Nationalmannschaftskollegen, Daniel Theis, hat den Sprung über den Atlantik geschafft, und ist ein fester Bestandteil in Boston. Was macht ihn so stark?
Voigtmann: Er ist ein unglaublich athletischer Spieler. Er versteht das Spiel und weiß, was er machen muss. Er ist super stark im Pick'n'Roll, ein starker Rebounder und auch sein Wurf ist solider geworden. Für ihn war es der richtige Schritt zum richtigen Zeitpunkt.
SPOX: Im Interview mit SPOX haben Sie vor haben sie auch gesagt, dass sie an die NBA denken. Nach der Etablierung bei Baskonia wäre das doch der nächste Schritt, oder?
Voigtmann: Ich bin da ganz entspannt. Sollte sich was auf tun, werde ich mich damit befassen. Im Moment habe ich noch einen Vertrag bei Baskonia. Für mich gibt es grade keinerlei Gründe, unruhig zu werden.
SPOX: Inwiefern lässt man sich von einem eher negativen Beispiel wie Tibor Pleiß beeinflussen?
Voigtmann: Er kam zu einem Klub und wusste, dass er vermutlich nicht spielen wird. Dann musste er in die D-League und hat lange nicht im Profi-Bereich gespielt. Auf sowas habe ich einfach keine Lust. Wenn man keine richtige Chance hat, macht das keinen Sinn. Auch, wenn natürlich auch etwas Glück dazu gehört. Das ist natürlich ein Beispiel, bei dem man sich fragt: 'Gehe ich lieber in die NBA oder spiele ich eine sehr gute EuroLeague-Karriere'.