Aus den Boxen dröhnte ohrenbetäubend Allein in Amsterdam. Uwe Krupp und sein finnischer Kollege Jukka Jalonen sahen sich fragend an, standen auf und verließen das rappelvolle Zelt.
Laute "Uwe, Uwe"-Rufe holten den Eishockey-Bundestrainer zurück auf die Holzbühne. Als die Musik endlich verstummt war, ergriff Krupp das Mikro: "Wir haben letztes Jahr bei der WM vor 80.000 Zuschauern gespielt. Die Atmosphäre hier hat ein bisschen was von Schalke."
Uwe Krupp: "So was habe ich noch nicht erlebt"
Gut elf Monate nach dem Rekordspiel in der Gelsenkirchener Fußball-Arena, mit dem das WM-Wunder seinen Anfang nahm, fühlte sich der Bundestrainer an jene 17 Tage im Mai erinnert. Dabei hatten nur 2686 Zuschauer in Nordhorn nahe der niederländischen Grenze ein 4:2 der deutschen Nationalmannschaft im vorletzten WM-Test gegen Finnland gefeiert.
Das Wie weckte allerdings Erinnerungen: In der ausverkauften Halle verstand man sein eigenes Wort nicht, Krupps Team spielte beim ersten Sieg gegen seinen Angstgegner seit 16 Jahren wie entfesselt auf.
"So was habe ich noch nicht erlebt", gab Krupp nach der vermeintlichen Pressekonferenz im Partyzelt zu. Was durchaus bemerkenswert ist, hat der 45-Jährige doch in 810 NHL-Spielen und fast sechs Jahren als Bundestrainer schon so einiges mitgemacht.
"So eine Euphorie gab es vorher nicht"
"Ich glaube, das ist die Antwort auf die Frage, was sich durch die WM im letzten Jahr geändert hat", meinte er, "so eine Euphorie gab es vorher nicht, die Leute nehmen uns an, und die Spieler wachsen damit."
Der sensationelle vierte Platz bei der Heim-WM 2010 hat aber auch Begehrlichkeiten geweckt. "Letztes Jahr waren wir Vierter. Jetzt haben wir gegen einen der Topfavoriten gewonnen. Holen wir was in der Slowakei?", fragte ein Fan, und der Bundestrainer trat ganz schnell die Euphoriebremse: "Wir stehen in der Weltrangliste etwas tiefer. Du kannst immer mal wieder als Außenseiter einen Favoriten schlagen. Wir wollen Deutschland gut vertreten."
Deshalb bleibt bei der WM in Bratislava (29. April bis 15. Mai) zunächst die Zwischenrunde das vorrangige Ziel. "Man hat gesehen, was möglich ist, wenn alles stimmt", sagte Krupp, "aber das ist nicht die Norm. Zu denken, wir könnten Finnland jeden Tag schlagen, ist unrealistisch." Immerhin hatte die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes 17 Versuche in 16 Jahren benötigt, um endlich den ersten Sieg gegen den Ex-Weltmeister seit dem 19. April 1995 (3:2) einzufahren.
Sieg fürs Selbstbewusstsein
Sehenswert herausgespielte Tore von Christoph Gawlik (7.), Philip Gogulla (10.), Christoph Ullmann (11.) und Korbinian Holzer (21.) krönten eine herausragende Leistung und stärkten vor der WM das Selbstbewusstsein.
"Solche Spiele sind auch bei der WM möglich, wir kommen näher an die ersten Plätze heran", sagte Nordamerika-Profi Holzer und sprach angesichts der Begeisterung der Fans von Schalke light.
Die Gala seiner Mannschaft im sechsten von sieben Vorbereitungsspielen macht Krupp die Entscheidung über den WM-Kader nicht leicht. Bis zur Generalprobe am Ostermontag (16.15 Uhr) in Köln gegen Weißrussland sollen noch die Düsseldorfer Stürmer Daniel Kreutzer und Patrick Reimer sowie der eine oder andere DEL-Finalist vom EHC Wolfsburg und den Eisbären Berlin zum Team stoßen.
"Es wird immer schwerer, in die Mannschaft zu kommen, weil die Zeit zur Anpassung immer kürzer wird", hatte Krupp bereits vor dem ganz normalen Wahnsinn in der niedersächsischen Provinz gesagt. Es dürfte danach nicht leichter geworden sein.