Meisterschaft, Umbruch - und nun? Timo Pielmeier erklärt den neuen ERC. Außerdem: Ingolstadts Goalie über beleidigende Fans, die Rückkehr von Uwe Krupp und den Weg in die NHL.
SPOX: Timo, sagt Ihnen der im Freizeitsport bekannte Ausdruck "mit Fliege spielen" etwas?
Timo Pielmeier: Beim Fußball etwa? So wie Manuel Neuer?
SPOX: Genau. Das kann man auch auf Sie übertragen. Sie spielen sehr viel mit und verlassen oft ihr Tor.
Pielmeier: Das stimmt. Ich glaube, ich bin auch der einzige Goalie in der Liga, der so viel mitspielt. Aber der Trainer mag das und die Mannschaftskollegen finden es einfacher, weil die Verteidiger nicht in die Ecken gehen müssen. Und der Spielaufbau ist dadurch schneller, was ebenfalls gut für das Team ist.
SPOX: Haben Sie das während Ihrer Zeit in Amerika gelernt?
Pielmeier: Nein, nicht unbedingt. Ich mache das schon sehr lange. Das kommt wahrscheinlich vom Street-Hockey.Ich habe früher sehr viel Inline-Hockey gespielt, das hat mich geprägt.
SPOX: Trotzdem dürften Sie auch aus den Staaten die eine oder andere lehrreiche Erfahrung mitgenommen haben. Können Sie sich noch an den NHL-Draft 2007 erinnern, als Sie von den San Jose Sharks ausgewählt wurden?
Pielmeier: Natürlich, das war ein schönes Gefühl. Eigentlich sogar ein geiles Gefühl (lacht). Nur die Meisterschaft in der letzten Saison hat das noch getoppt.
SPOX: Ist es für junge Spieler der richtige Weg, frühzeitig den Weg nach Nordamerika zu suchen? Die aktuellsten Beispiele sind Tobias Rieder und Leon Draisaitl.
Pielmeier: Auf jeden Fall. Man spielt mit 16 Jahren schon vor 10.000, 15.000 Zuschauern, wohnt alleine und ist auf sich gestellt. Dadurch reift man immens und bekommt früh einen anderen Blick auf das Leben. Ganz zu schweigen von den Trainingsmöglichkeiten, die kann man nicht mit Deutschland vergleichen kann. Wobei man sagen muss, dass Teams wie Ingolstadt, Mannheim oder Köln heutzutage auch gute junge Spieler herausbringen. Mittlerweile liegt der Fokus in Deutschland wieder vermehrt auf der Jugendarbeit.
SPOX: Sie haben den DEL-Titel mit dem ERC angesprochen. Würden Sie dennoch - oder vielleicht gerade deswegen - bei einem passenden Angebot noch mal Ihr Glück in der NHL versuchen?
Pielmeier: Eine schwierige Frage. Da müsste schon ein Angebot kommen, das mich vom Stuhl haut und mir quasi keine andere Wahl lässt.
SPOX: Gab es denn nach Ihren starken Leistungen im letzten Jahr Angebote aus der NHL?
Pielmeier: Nein, aus Amerika hat sich niemand gemeldet. Dafür war ich in Deutschland und sogar in ganz Europa im Gespräch. Aber ich habe zum Verein gesagt, dass ich Interesse an einem neuen Vertrag habe und Ingolstadt mein erster Ansprechpartner ist.
SPOX: Das haben Sie im September mit einem neuen Vertrag über drei weitere Jahre in die Tat umgesetzt. Was hat Sie überzeugt?
Pielmeier: Die neue Schiene in Ingolstadt gefällt mir. Ich kenne Jiri Ehrenberger, unseren Sportdirektor, schon aus Landshut und bin ein großer Fan von seiner Philosophie. Auch Claus Gröbner als Geschäftsführer ist ein Grund. Wir haben uns getroffen und uns über das Konzept des Vereins unterhalten. Finanziell ist man mit vielen verschiedenen Sponsoren ausgestattet, das ist ebenfalls nicht ganz unwichtig. Ich bin ein Fan vom Ingolstädter Weg. Wir arbeiten mit vielen jungen Spielern und ich will helfen, den einen oder anderen groß herauszubringen.
SPOX: Auch wenn Sie dem Verein treu geblieben sind, hat der ERC einen bewegten Sommer hinter sich. Einige Spieler verließen nach der Meisterschaft den Klub, andere mussten neu integriert werden.
Pielmeier: Das war in der Tat ein großer Umbruch. Wir haben definitiv zwei, drei Monate gebraucht, um uns zu finden und einzuspielen. Vor allem defensiv hatten wir einige Baustellen, aber das ist inzwischen besser geworden.
SPOX: Auch Meistertrainer Niklas Sundblad nahm seinen Hut. War das ein Schock für die Mannschaft?
Pielmeier: Ich dachte schon, dass er bleibt. Aber jeder hat seinen eigenen Grund, wenn er den Verein verlässt, und den kennen wir nicht. So ist es im Sport einfach. Sobald du erfolgreich bist, bekommst du andere Angebote. Aber warum er nicht in Ingolstadt geblieben ist, kann ich nur vermuten.
SPOX: Wie war die Umstellung von Sundblad auf den neuen Head Coach Larry Huras?
Pielmeier: Sundblad war ein junger Trainer, der sehr viel gearbeitet hat. Aber auch er musste unter der Saison noch viel lernen. Larry kam dagegen mit viel Selbstvertrauen zu uns. Er weiß, wie man Meister-Teams übernimmt. Er ist ein erfahrenerer Trainer als Niklas. Larry hat selbst schon eigene Erfolge vorzuweisen und einige Titel in der Schweiz gewonnen.
Seite 1: Pielmeier über die NHL, seine Vertragsverlängerung und den ERC-Umbruch
Seite 2: Pielmeier über Peppi Heiß, Fan-Aufstände und Uwe Krupp
SPOX: Sie haben zudem einen weiteren neuen Mann an Ihrer Seite. Peppi Heiß, eine der größten deutschen Eishockey-Legenden, ist seit Sommer Ihr Torwarttrainer. Welche Erfahrungen machen Sie mit ihm?
Pielmeier: Es ist eine super Zusammenarbeit. Peppi war früher mein Idol, ich hab ihm oft im Fernsehen zugeschaut. Meine erste Maske war eine Haie-Maske, genau wie seine. Er ist besonders außerhalb des Eises sehr wichtig für mich. Der Style heutzutage ist natürlich ein anderer, wie der, den er früher gespielt hat. Aber er erkennt die Situationen. Mit Peppi geht mein Weg, den ich mit Jonas Forsberg begonnen habe, weiter.
SPOX: Forsberg war letzte Saison noch ihr Torwarttrainer. Wie wichtig war er für Ihren Leistungssprung?
Pielmeier: Immens wichtig. Er hat meinen Style geändert, er hat mich zu dem gemacht, der ich jetzt bin. Er ist sozusagen schuld daran, dass ich letztes Jahr so weit gekommen bin. Jonas war aus meiner Sicht der Grund für die Meisterschaft, ohne ihn hätte ich nicht dieser Rückhalt für die Mannschaft sein können, der ich war.
SPOX: Ein anderer Schlüsselmoment im Meisterjahr war die 1:7-Derbyniederlage gegen Augsburg. Nach dem Spiel sind die Spieler von einigen Fans hart angegangen worden, sie wurden sogar auf dem Parkplatz abgefangen. Was genau ist passiert?
Pielmeier: Es haben einige Fans vor dem Bus gewartet und uns, das darf man ja sagen, beschimpft und Sprüche zu uns gesagt wie "Ihr fahrt schöne Autos und bringt sonst nichts zusammen". Ich glaube nicht, dass einer von diesen in die Arbeit geht und absichtlich schlecht arbeitet. Wir machen das auch nicht mit Absicht und versuchen immer unser Bestes zu geben. So etwas muss man meiner Meinung nach ansprechen, weil ein richtiger Fan auch jemand ist, der hinter einem steht, wenn es mal nicht so gut läuft.
SPOX: Gab es damals einen Bruch zwischen Mannschaft und Fans?
Pielmeier: Wir haben erst mal nur noch für uns gespielt, für uns als Mannschaft. Aber man darf das nicht verallgemeinern. Es gibt solche Fans und solche Fans. Es gab viele Anhänger, die hinter uns standen, als es nicht gut lief. Und mit diesen haben wir sehr gerne gefeiert.
SPOX: Vergleichbare Szenen gab es im Herbst in Köln, als Uwe Krupp die Haie verlassen musste. Mittlerweile hat er die Eisbären übernommen. Wie wichtig ist er als Aushängeschild der Liga?
Pielmeier: Erst mal finde ich es toll, dass er wieder einen Job hat. Was bei ihm aber nicht schwer gewesen sein dürfte, denn er ist der Mann im deutschen Eishockey. Außerdem ist es wieder ein deutscher Trainer mehr in der DEL. Uwe tut der Liga definitiv gut.
SPOX: Haben Sie keine Angst vor der Rückkehr der alten Eisbären-Dominanz?
Pielmeier: Auf alle Fälle werden sie wieder stärker. Sie haben sieben oder acht Mal in kurzer Zeit die Meisterschaft gewonnen. Das Ganze ist ein Prozess, es gibt auch mal Phasen, wo es nicht so gut läuft. Sie waren mit Jeff Tomlinson schon nicht so schlecht. Aber jetzt mit Krupp werden sie wieder ganz vorne mitspielen.
SPOX: Gerüchten zufolge war Krupp ebenfalls ein Kandidat als DEB-Coach. Auch Sie sind in der Nationalmannschaft ein gefragter Mann. Wie sehen Sie Ihre Chance, der neue Goalie im deutschen Tor zu werden?
Pielmeier: Da gehört natürlich immer viel Glück dazu. Es gibt sehr viele gute deutsche Torhüter, deshalb musst du einen Trainer haben, der hinter dir steht. Aber im Endeffekt konzentriere ich mich auf Ingolstadt. Dort muss ich meine Leistung bringen, dann kommt der Rest von alleine.
SPOX: Sie sind in schweren Zeiten zur Nationalmannschaft gestoßen. Unter anderem wurden die Olympischen Spiele in Sotschi verpasst. Was muss sich im deutschen Eishockey ändern?
Pielmeier: Der DEB geht mit Franz Reindl jetzt einen neuen und vor allem richtigen Weg. Es muss viel Arbeit aufgeholt werden. Trotzdem glaube ich: Wenn das Ziel nicht Olympia ist, dann brauchen wir gar nicht erst spielen. Jeder hier in Deutschland will die Mannschaft bei den Spielen sehen, das stachelt an. Aber es wird nicht einfach.
SPOX: Eine Olympia-Teilnahme 2018 wäre ja eigentlich auch ein passender Moment für ein weiteres Tattoo. Den Meisterpokal haben Sie sich auf die rechte Wade stechen lassen. Ist die andere Wade bereits reserviert für die Titelverteidigung?
Pielmeier: Schwere Frage (lacht). Ich hoffe natürlich, dass noch einige Erfolge dazu kommen. Bei der nächsten Meisterschaft würde aber nur ein zweites Datum hinzukommen, auf beiden Waden derselbe Pokal wäre ja langweilig.
Seite 1: Pielmeier über die NHL, seine Vertragsverlängerung und den ERC-Umbruch
Seite 2: Pielmeier über Peppi Heiß, Fan-Aufstände und Uwe Krupp
Die aktuelle DEL-Tabelle