"Die NHL ist mehr Entertainment"

Michael Graßl
09. März 201514:23
Jochen Hecht spielt seit 2013 wieder in der DEL bei den Adlerngetty
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Playoff-Time in der DEL - und Jochen Hecht ist mittendrin. Vor dem Viertelfinal-Duell mit den Nürnberg Ice Tigers (19.30 Uhr im LIVE-TICKER) spricht Mannheims Routinier im Interview bei SPOX über die Titelchancen der Adler, Hausarbeit und die Unterschiede zur NHL.

SPOX: Herr Hecht, mit dem Playoff-Start beginnt für Sie die schönste Zeit des Jahres. Ihre Frau dürfte das aber anders ganz sehen, oder?

Jochen Hecht: Das stimmt (lacht). Auf die Spielerfrauen wartet zuhause nun eine ganze Menge Arbeit. Die Männer haben für Hausarbeit erst mal keine Zeit mehr.

SPOX: Sie hatten nach der letzten Partie in der DEL-Hauptrunde drei Tage frei. Haben Sie diese Zeit noch mal intensiv für Ihre Familie genutzt?

Hecht: Es hat gut getan, vor der Vorbereitung auf das erste Playoff-Spiel genügend Zeit mit der Familie zu haben. Wir haben außerdem mit der Mannschaft einen Kasinoabend veranstaltet. So konnten die Trainer, Betreuer, Spieler und unsere Frauen einen schönen gemeinsamen Abend verbringen.

SPOX: Im Gegensatz zu Ihnen hat Ihr Gegner, die Nürnberg Ice Tigers, bereits drei Spiele durch die Pre-Playoffs in den Knochen. Ist es ein Vorteil für Sie, dass Sie ausgeruhter ins Viertelfinale gehen können?

Hecht: Nein, das glaube ich nicht. Sie können sich von Sonntag bis Mittwoch erholen, das ist ausreichend. Ich glaube sogar, dass die Ice Tigers in den ersten beiden Spielen einen Vorteil haben.

SPOX: Inwiefern?

Hecht: Sie starten mit einem Hoch in die Serie und haben gerade die Pre-Playoffs erfolgreich überstanden. Gegen uns haben Sie jetzt nichts mehr zu verlieren. Von Vorteil für sie ist sicherlich, dass sie durch die drei Spiele bereits im Playoff-Feeling sind und keinerlei Nervosität mehr haben. Wir dagegen haben nur trainiert. Ingolstadt im letzten Jahr war das beste Beispiel, welche Signalwirkung von einer erfolgreichen Pre-Playoff-Serie ausgehen kann.

SPOX: Ingolstadt hatte bei seinem Siegeszug von den Pre-Playoffs bis zur Meisterschaft nicht ein einziges Mal Heimrecht, gewann im Finale sogar drei von vier Spielen in Köln. Sie haben sich mit den Adlern den Heimvorteil für die Playoffs gesichert, aber ist das wirklich noch so ein großer Vorteil?

Hecht: Der Heimvorteil ist nicht mehr das, was er früher einmal war. Der Vorteil besteht hauptsächlich daraus, dass man eine gewisse Routine vorfindet. Das heißt, man schläft in seinem eigenen Bett und weiß, was man zu essen bekommt. Die Auswärtsmannschaften sind aber genauso erholt, da sie meistens ein Tag vorher anreisen und am Spieltag schon vor Ort sind. Zuhause ist zusätzlich der Druck vorhanden, gewinnen zu müssen.

SPOX: Dieser Druck ist in den Playoffs noch viel größer als in der Hauptrunde. Ist das der Grund, warum die Intensität des Spiels in den Playoffs so zulegt?

Hecht: In den Playoffs zählt einfach jedes Spiel und jeder Fehler kann den Genickbruch und somit das Aus bedeuten. Wir arbeiten das ganze Jahr für diese Partien, deshalb kitzelt jeder Spieler weitere zehn bis 20 Prozent aus seinem Körper. Auch mental, denn Playoffs sind vor allem eine Kopfsache. Am Ende geht es nur darum, dass der Gegner mehr Fehler macht. Und Fehler passieren oft, wenn die geistige Frische fehlt.

SPOX: Sie sprechen aus Erfahrung, haben nicht nur in Deutschland einige Playoffs gespielt, sondern auch in der NHL 59 Postseason-Begegnungen absolviert. Wo liegt der Unterschied zwischen Deutschland und Amerika?

Hecht: Die Vorbereitungen der Teams laufen sehr identisch ab, in Amerika steigt allerdings die Intensität auf dem Eis noch mehr an, alles wird schneller und aggressiver. In der NHL wird zudem im Scouting-Bereich akribischer gearbeitet. In den Scouting-Reports, die die Spieler bekommen, wird so ziemlich alles festgehalten, was man über die Stärken und Schwächen seiner Gegner wissen muss. SPOX

SPOX: Werden in den Scouting-Reports auch besondere Rituale oder Macken der einzelnen Spieler festgehalten? Die Playoffs sind bekanntermaßen nicht nur die Zeit der langen Bärte.

Hecht: Nicht im Speziellen. Aber das ist auch nicht notwendig, denn jeder Spieler hat dieselben Ticks, die er schon während der Vorrunde hatte. Das läuft in den Playoffs genau so weiter, kein Spieler ändert etwas am Tagesablauf oder beim Aufwärmen. Man ändert ja auch nicht während der Saison seine Trikotnummer (lacht).

SPOX: Spieler verbinden oft besondere Zahlen oder Ereignisse mit Ihren Rückennummern. Sie haben während Ihrer Karriere mehrmals die Rückennummer gewechselt. Warum sind Sie bei der 55 hängen geblieben?

Hecht: Die ersten drei NHL-Spiele in meiner Karriere habe ich mit der Nummer 55 absolviert. Als ich endgültig den Sprung in den NHL-Kader schaffte, habe ich mir die 17 ausgesucht, weil ich diese schon in Deutschland trug. Als ich zu Buffalo getradet wurde, war die 17 schon vergeben und weil ich mit der 71 viel Verletzungspech hatte, wurde es wieder die 55.

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Seite 2: Hecht über die Unterschiede zur NHL, Kölns Albtraum und das Karriereende

SPOX: Sie sind nun seit zwei Jahren zurück in Deutschland. Hatten Sie zwischendurch den Gedanken, in den Staaten sesshaft zu werden?

Hecht: Meine Frau und ich haben lange darüber nachgedacht.Unsere Kinder sind in Mannheim geboren, außerdem leben ihre Großeltern hier. Buffalo ist eine sehr kalte Stadt und hat einen langen Winter, zudem wollte ich nach meinem Karriereende in der NHL nicht mit dem Eishockey aufhören. Deshalb war eine Rückkehr nach Mannheim die optimale Wahl.

SPOX: Was vermissen Sie am meisten, wenn Sie an Ihre Karriere in der NHL denken?

Hecht: Oft erwische ich mich dabei, dass ich sonntags Einkaufen gehen will (lacht). Am meisten fehlt mir in der DEL jedoch die hohe Anzahl an Spielen. Ich hätte nichts dagegen, drei Mal die Woche zu spielen und dafür weniger zu trainieren. Andererseits ist Eishockey in den USA vor allem für die Fans mehr Entertainment, hier dagegen identifizieren sich die Menschen voll und ganz mit Ihrem Verein.

SPOX: Können Sie diesen Unterschied genauer erklären?

Hecht: Die deutschen Fans gehen zum Eishockey, weil sie sich dort austoben und feiern können. Deshalb unterstützen sie die Mannschaft lautstark, in Amerika kann man es besser mit einem Kinobesuch vergleichen, bei dem man etwas isst und trinkt und dann wieder nach Hause geht. Laute Stimmung kommt nur dann auf, wenn viele Tore fallen oder sich die Spieler prügeln. Aber natürlich gibt es Ausnahmen wie die kanadischen Hallen, in denen es vor allem in den Playoffs ziemlich abgeht.

SPOX: Ist es auf dem Eis nicht hinderlich, wenn die laute Kulisse die Kommunikation zwischen den Spielern erschwert?

Hecht: Ich persönlich liebe die Playoff-Atmosphäre. Vor allem in den kleineren Hallen wie in Ingolstadt, Iserlohn oder früher am Friedrichspark ist es wie in einem Hexenkessel, dann muss man auf dem Eis eben etwas lauter schreien. Wir legen noch mal einen Zahn zu und die Fans auch, dafür spielt man doch Eishockey.

SPOX: Nicht in den Playoffs sind in diesem Jahr die Kölner Haie dabei, die sich durch den 11. Platz nach der Hauptrunde nicht einmal für die Pre-Playoffs qualifiziert haben.

Hecht: Das Kölner Aus ist ein Verlust für die DEL. Einerseits wirtschaftlich, weil die Haie einen großen Marktanteil haben, besonders bei Zuschauern und Fernseheinschaltquoten. Und natürlich sportlich, auch wenn sie die Qualifikation verpasst haben. Die letzten beiden Jahre standen sie noch im Finale und man musste davon ausgehen, dass sie auch dieses Jahr ein wichtiges Wörtchen um den Titel mitspielen.

SPOX: Hat der immense Druck, der durch die lange titellose Zeit aufgebaut wurde, einen zu negativen Einfluss auf den Verein?

Hecht: Das ist aus der Ferne schwer zu beurteilen. Aber es ist klar, dass man diese beiden Niederlagen nicht einfach vergessen kann. Besonders als junger Spieler machen einem die Höhen und Tiefen, die durch einen Sieg oder eine Niederlage ausgelöst werden, mehr aus. Dabei ist es, insbesondere in den Playoffs, völlig egal, ob man das letzte Spiel 10:0 gewonnen oder 0:1 verloren hat. Bei jedem Spiel wird das Gesetz neu geschrieben.

SPOX: Sie selbst haben einige Höhen und Tiefen erlebt und sind mittlerweile 37 Jahre. Trotzdem haben Sie bereits im Winter Ihren Vertrag um ein weiteres Jahr verlängert. Was gab den Ausschlag für die frühzeitige Verlängerung?

Hecht: Ich habe mit der Mannschaft unglaublichen Spaß, die Jungs sind immer für einen Scherz zu haben. Zudem spielen wir erfolgreiches Eishockey. Das will ich nicht aufgeben und gut spielen kann ich ja auch noch.

SPOX: Haben Sie sich denn schon mal mit der Zeit nach dem Karriereende befasst?

Hecht: Ich möchte dem Eishockey und den Adlern auf jeden Fall verbunden bleiben, aber konkrete Pläne habe ich noch nicht. Vielleicht ist ein Job als Nachwuchstrainer eine Option für mich. Mein Sohn steht mittlerweile auf dem Eis und es bereitet mir große Freude, die Jungs zu coachen und zu verbessern. Das ist allerdings Zukunftsmusik, jetzt zählen erst einmal die Playoffs.

SPOX: In die Sie als großer Favorit gehen. Was muss passieren, dass die Adler Mannheim nicht Deutscher Meister werden?

Hecht: Eine andere Mannschaft muss uns schlagen. Aber wenn wir dem Gegner unser Spiel aufzwingen können, unser Überzahl und unser hervorragendes Unterzahl aus der Vorrunde auch in den Playoffs funktionieren, dann haben wir gute Chancen auf den Titel. Wir sind uns bewusst, dass wir als Favorit der Gejagte sind.

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