Diese unermüdliche Einsatzfreude rief bei den Fans große Bewunderung hervor. "Er ist kein Mensch, er ist kein Tier, er spielt bei Köln mit der Nummer vier", lautete der ehrfurchtsvoll gemeinte Gesang der Haie-Anhänger. Das Trikot mit der "4" hängt inzwischen unter dem Hallendach der Kölner Arena und wird seitdem nicht mehr vergeben.
Am Donnerstag feiert Udo Kießling seinen 60. Geburtstag. Er blickt auf eine außergewöhnliche Karriere zurück, die mit Titeln, Rekorden und historischen Premieren unvergessen bleibt, auch wenn der öffentlichkeitsscheue Kießling selbst an seinem Geburtstag nicht gerne darüber redet. "Er ist ein Held des deutschen Eishockeys", sagt Franz Reindl, früher Kießlings Mitspieler und heute Präsident im Deutschen Eishockey-Bund (DEB).
Vater helfende Hand
Begonnen hatte alles im Alter von gerade einmal zwei Jahren. Die Familie Kießling war 1957 aus dem sächsischen Crimmitschau in den Westen geflohen, doch selbst hier gab es keine Schlittschuhe in Größe 22 für den kleinen Udo zu kaufen. Also bestellte Vater Gerhard, erst Nationaltrainer in der ehemaligen DDR und später auch in der BRD, in Kanada Schlittschuhe für seinen Sohn.
Beim Eistraining fuhr der Vater oft breitbeinig über seinen zweijährigen Filius gebeugt und feuerte ihn an: "Hau druff, mei Gudd'sder. Vorhand! Rückhand! Feuer!". Gerhard Kießling sagte einmal: "Als Talent war Udo immer nur mittelmäßig. 70 Prozent hat er sich erarbeiten müssen."
Doch die harte Arbeit zahlte sich aus. Mit den Kölner Haien war Udo Kießling an den ersten sechs deutschen Meistertitel maßgeblich beteiligt. Seine 320 Spiele in der Nationalmannschaft bleiben womöglich für immer unerreicht. Kießling war auch bei Olympia 1976 dabei, als die DEB-Auswahl mit Bronze die bislang letzte Medaille bei großen Turnieren gewonnen hat. Bei der WM 1987 wurde er zudem ins Allstar-Team gewählt.
Sprung in NHL
Geschichte schrieb der Abwehrspieler, als er 1982 als erster Spieler mit einem deutschen Pass in der NHL auflief. Für die Minnesota North Stars absolvierte er zwar nur ein Spiel, ehe es ihn wieder zurück in die Bundesliga zog, doch das hatte es in sich. "Auf der Strafbank gesessen, an den Pfosten geschossen, einer Massenschlägerei durch Zufall entgangen - alles erlebt", sagte Kießling.
Zum Karriereende wurde der nimmermüde Verteidiger 1996 gezwungen. Kießling bekam im Trikot des EV Landshut ausgerechnet in einem Spiel gegen "seine" Kölner Haie den Puck ins Gesicht geschossen. Er verletzte sich schwer und musste vier Wochen im Krankenhaus behandelt werden. "Es war ein Explosionsbruch. Innen war alles kaputt, wie eine zersprungene Tasse. Zwölf kleine Knochen und drei große waren gebrochen", sagte Kießling einmal der B.Z.: "Ich habe von hinterm Ohr bis zum Kinn eine dreißig Zentimeter lange Narbe."
Heute lässt es Kießling ruhiger angehen. Brüche und offene Wunden muss er an seinem Arbeitsplatz, einer Kölner Immobiliengesellschaft, jedenfalls nicht mehr fürchten.