Eishockey-WM - Erich Kühnhackl im Interview: "Marco Sturm hat das Zeug zum NHL-Coach"

Felix Götz
03. Mai 201815:12
Erich Kühnhackl wird auch der Kleiderschrank auf Kufen genannt.imago
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Am Freitag beginnt für das DEB-Team die Eishockey-WM 2018 mit dem Spiel gegen Gastgeber Dänemark (20.15 Uhr im LIVETICKER und LIVE auf DAZN). SPOX hat zu diesem Anlass Deutschlands Eishockey-Legende Erich Kühnhackl zum Interview gebeten.

Der 67-Jährige lobte Bundestrainer Marco Sturm in den höchsten Tönen und ist von einer erfolgreichen Weltmeisterschaft überzeugt. Zudem sprach der "Kleiderschrank auf Kufen" über seinen emotionalen Ausbruch beim Olympia-Wunder, durchgemachte Nächte und seinen Sohn Tom, der in dieser Saison mit den Pittsburgh Penguins den dritten Stanley-Cup-Triumph in Folge anpeilt.

SPOX: Herr Kühnhackl, wie häufig schlagen Sie sich derzeit die Nächte um die Ohren, um die Spiele von Ihrem Sohn Tom und den Pittsburgh Penguins zu verfolgen?

Erich Kühnhackl: Erst die DEL-Playoffs mit den tollen Finals zwischen München und Berlin, die ich mit großer Begeisterung teilweise auch vor Ort in der Halle verfolgt habe. Nun steht die Weltmeisterschaft vor der Türe, und dann laufen auch noch die Playoffs in der NHL - es sind intensive Zeiten für einen Eishockey-Verrückten wie mich. Klar fiebere ich mit meinem Sohn mit und lasse mir kein Spiel entgehen. Wenn ein Spiel deutscher Zeit um 21 Uhr beginnt, ist das noch angenehm. Die Partien an der Westküste beginnen aber teils erst um 3 oder 4 Uhr morgens. Da lohnt es sich nicht mehr, um 7 Uhr ins Bett zu gehen. Ich hole dann für meine liebe Frau Brötchen und mache durch. (lacht)

SPOX: Werden Sie wieder in die USA fliegen, falls die Pens erneut die Stanley-Cup-Finals (LIVE auf DAZN) erreichen sollten?

Kühnhackl: Selbstverständlich werden wir rüber fliegen, falls es so kommen sollte. Wir waren in dieser Saison schon einmal in den USA. Die Penguins machen am Anfang des Jahres immer so eine Art Vatertag. Da werden die Väter eingeladen und sind mit der Mannschaft für zwei, drei Spiele unterwegs.

Erich Kühnhacklgetty

Erich Kühnhackl: Tom füllt seine Rolle bei den Pittsburgh Penguins gut aus

SPOX: Wie bewerten Sie die Saison Ihres Sohnes und seine Rolle im Team?

Kühnhackl: Er spielt in einer Topmannschaft, was nicht so einfach ist. Der Leistungsdruck ist enorm. Tom ist wie jeder andere Spieler in Pittsburgh gefordert, in jeder Situation - ob vor dem Spiel, im Spiel oder nach dem Spiel - sehr hart zu arbeiten. Anders hast du keine Chance, in so einem Team zu spielen. Das macht er und er ist dafür belohnt worden, in dem er zuletzt zwei Mal Stanley-Cup-Sieger geworden ist. Meiner Meinung nach füllt Tom seine Rolle gut aus. Er ist fester Bestandteil dieser unglaublichen Mannschaft, was ich toll finde und mich auch ein Stück weit stolz macht.

SPOX: Inwiefern können Sie ihm mit Ratschlägen helfen?

Kühnhackl: Schon als er mit Eishockey angefangen hat und seinen Weg über Landshut durch die Mannschaften des DEB gegangen ist, haben wir viel gesprochen. Er hat mich immer wieder nach Rat gefragt. Ich habe ihm immer gesagt, dass er seine eigenen Erfahrungen machen muss. Das ist der wichtigste Punkt, da kann der Vater noch so viel erzählen. Was ich ihm mit auf den Weg geben konnte, war, dass man in Sachen Trainingsfleiß und Einstellung immer am Maximum agieren muss. Wirklich alles dieser wunderschönen Sportart unterzuordnen, ist die Grundvoraussetzung, um erfolgreich zu sein. Das gilt für jede Liga der Welt, ob man nun in der DEL oder der NHL spielt.

SPOX: Die NHL ist der Traum eines jeden Eishockeyspielers, darüber müssen wir nicht diskutieren. Ist es nicht aber gleichzeitig unglaublich bitter für Ihren Sohn und die anderen NHL-Cracks wie Leon Draisaitl, dass Sie genau deshalb nicht beim größten Moment in der Geschichte des deutschen Eishockeys, nämlich dem Gewinn der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang, dabei sein konnten?

Kühnhackl: Das ist ein schwieriges Thema. Ich weiß, dass alle deutschen Spieler, die in der NHL unter Vertrag stehen, gerne dabei gewesen wären. Das wäre ein riesiges Erlebnis für jeden einzelnen dieser Jungs gewesen. Erinnern Sie sich nur mal an das Qualifikationsturnier für Olympia in Riga. Da waren alle da. Jeder war so stolz, für sein Land bei Olympia zu spielen. Es ist anders gekommen, was den Jungs nicht leicht gefallen ist. Trotzdem muss man sagen: Das sind Profis. Und wenn sich die NHL eben dazu entscheidet, ihre Spieler nicht an Olympia teilnehmen zu lassen, dann gilt das. Vertrag ist Vertrag, das gehört einfach dazu und das muss man respektieren.

Das ist Erich Kühnhackl

Geburtsdatum17. Oktober 1950
GeburtsortCitice (Tschechoslowakei)
SpitznameKleiderschrank auf Kufen
Größe1,96 Meter
PositionCenter
Vereine als SpielerEV Landshut, Kölner EC, EHC Olten (Schweiz)
Deutscher Meister1970, 1977, 1979, 1983
Bundesliga-Statistik1.431 Scorerpunkte in 774 Spielen
Erfolge NationalmannschaftBronze bei Olympia 1976

SPOX: Wenn wir aus deutscher Sicht ehrlich sind, müssen wir froh darüber sein, dass die NHL-Spieler nicht in Südkorea dabei sein durften. Andernfalls wäre Silber unmöglich gewesen.

Kühnhackl: Das haben jetzt Sie gesagt und ich lasse es einfach mal unkommentiert stehen. (lacht)

Erich Kühnhackl über seine Emotionen während Olympia 2018

SPOX: Dass die NHL-Spieler nicht dabei waren, schmälert die grundsätzliche Leistung des DEB-Teams ohnehin in keiner Weise. Die Mannschaft hat das ganze Land für Eishockey begeistert. Es gibt ein Video von Ihnen, das in der Sekunde des Sieges im Halbfinale gegen Kanada entstanden ist. Sie waren den Tränen verdammt nahe.

Kühnhackl: Sie wissen ja selbst, dass es das deutsche Eishockey nicht immer leicht hatte. Und ich bin jemand, der Eishockey lebt, der diesem Sport so viel zu verdanken hat, der mit der Nationalmannschaft immer mitgefiebert hat. Und dann passiert so etwas, gelingt diesen großartigen Jungs der Einzug ins Olympia-Finale. Gegen Kanada! Das muss man sich einmal richtig vorstellen! Ich habe es der Mannschaft so sehr gegönnt, habe mich unglaublich mitgefreut - ein äußerst emotionaler Moment. Dieser Erfolg war für unsere Sportart einfach unfassbar wertvoll.

SPOX: An was denken Sie dabei genau?

Kühnhackl: Eishockey ist durch Olympia in der deutschen Öffentlichkeit endlich mal wieder angekommen. So richtig angekommen! Ich denke nur an die Nachwuchsarbeit, die davon profitieren kann. Sponsoren finden Eishockey plötzlich spannend. Da gibt es 1000 Möglichkeiten. Solche Erfolge sind für die gesamte Sportart unglaublich wichtig.

SPOX: Was glauben Sie als ehemaliger Spieler, der 1976 selbst beim Wunder von Innsbruck mit der Bronzemedaille dabei war und mitbekommen hat, wie lange darüber gesprochen und geschrieben wurde, wie man diesen Silber-Coup in einigen Jahren einordnen wird? War Pyeongchang für das deutsche Eishockey so etwas wie das Wunder von Bern für den Fußball oder der sensationelle EM-Titel für die Basketballer 1993?

Kühnhackl: Ich hoffe und glaube, dass dem so ähnlich sein wird, wie Sie es beschrieben haben. Entscheidend ist aber natürlich, was wir im deutschen Eishockey daraus machen. Alle, die in irgendeiner Form mitwirken, müssen ihren Teil dazu beitragen. Wir brauchen weiterhin Ergebnisse. Da ist sehr viel positives Denken dabei, das weiß ich. Aber ich bin nun mal ein Mensch, der von negativen Gedanken nicht viel hält. Diese Einstellung hat mir persönlich in meinem Leben immer extrem geholfen.

SPOX: Genau das, also den Boom zu nutzen, fordert auch Marco Sturm. Der Bundestrainer hatte bereits vor Olympia durchblicken lassen, sich bei seiner Vertragsverlängerung schwer getan zu haben. Sind Sie wie Sturm der Meinung, dass in der Nachwuchsarbeit im deutschen Eishockey nicht genügend vorangeht?

Kühnhackl: Ich kann Marco an dieser Stelle nur beipflichten. Man ist zwar mittlerweile auf dem richtigen Weg, aber man kann für die Nachwuchsarbeit gar nicht genug tun. Die Nachwuchsarbeit ist das A und O im deutschen Eishockey. Je mehr Geld und Zeit man investiert - und ich rede dabei von einem Zeitraum von zehn bis 15 Jahren - desto mehr wird sich das in der Zukunft rechnen. Davon würden letztlich alle profitieren - die DEL und die Nationalmannschaft.

Erich Kühnhackl: Marco Sturm hat das Zeug zum NHL-Coach

SPOX: Apropos Sturm. Welchen Anteil hat er Ihrer Meinung nach an den jüngsten Erfolgen?

Kühnhackl: Das Erste, was mir zu Marco positiv einfällt, ist, dass er trotz des Erfolges unglaublich bescheiden geblieben ist. Das, was er mit der Mannschaft erreicht hat, ist ja nicht vom Himmel gefallen. Da steckt sehr viel und sehr gute Arbeit dahinter. Er hat sich ein gutes Team um sich herum aufgebaut, die Liga steht hinter ihm und hilft ihm. Denn ich finde schon - da sind wir wieder bei der Nachwuchsarbeit und Ausbildung -, dass in der DEL deutsche Spieler allmählich immer häufiger die Chance bekommen, auch wichtige Rollen einzunehmen. Unter dem Strich bleibt: Marco hat einen ganz, ganz großen Anteil am Erfolg der Nationalmannschaft.

SPOX: Er hat selbst mehrfach betont, gerne irgendwann in Nordamerika arbeiten zu wollen. Wird Sturm irgendwann NHL-Trainer?

Kühnhackl: Ich wünsche ihm, dass ihm das eines Tages gelingt und glaube auch daran, dass es so kommen wird. Er war über viele Jahre hinweg ein großartiger NHL-Spieler, hat nun diese fabelhaften Erfolge als Bundestrainer. Er ist ein guter Typ im Umgang mit den Spielern, arbeitet gleichzeitig sehr hart. Natürlich hat Marco das Zeug zum NHL-Coach.

Erich Kühnhackl: Deutschland wird eine gute WM spielen

SPOX: Einen weiteren Schritt in Richtung NHL kann Sturm durch ein erfolgreiches Abschneiden mit dem DEB-Team bei der anstehenden WM in Dänemark machen. Muss man nicht gleichzeitig die durch Olympia gestiegene Erwartungshaltung fürchten, wodurch die Mannschaft gehemmt werden könnte?

Kühnhackl: In der heutigen Gesellschaft hat man in allen Bereichen Druck. Da ist es wurscht, ob man Eishockey spielt oder wie Sie darüber schreibt. Ich bin davon überzeugt, dass die deutsche Mannschaft eine gute WM spielen wird. Eishockey-Spieler sind Typen, die solche Herausforderungen lieben. Ich bin mir sicher, dass die Jungs an dieser Situation weiter wachsen.

Eishockey-WM 2018: Der deutsche Kader

PositionSpielerTeam
TorhüterNiklas TreutleThomas Sabo Ice Tigers
TorhüterMathias NiederbergerDüsseldorfer EG
TorhüterTimo PielmeierERC Ingolstadt
VerteidigerKorbinian HolzerAnaheim Ducks
VerteidigerDennis SeidenbergNew York Islanders
VerteidigerOliver MebusThomas Sabo Ice Tigers
VerteidigerYannic SeidenbergEHC Red Bull München
VerteidigerBjörn KruppGrizzlys Wolfsburg
VerteidigerBernhard EbnerDüsseldorfer EG
VerteidigerMoritz MüllerKölner Haie
StürmerNicolas KrämmerKölner Haie
StürmerMatthias PlachtaAdler Mannheim
StürmerMirko HöfflinSchwenninger Wild Wings
StürmerSebastian UviraKölner Haie
StürmerLeon DraisaitlEdmonton Oilers
StürmerYasin EhlizThomas Sabo Ice Tigers
StürmerPatrick HagerEHC Red Bull München
StürmerMarkus EisenschmidLaval Rocket
StürmerManuel WiedererSan Jose Barracuda
StürmerMarc MichaelisMinnesota State Univ
StürmerDominik KahunEHC Red Bull München
StürmerDaniel PiettaKrefeld Pinguine
StürmerMarcel NoebelsEisbären Berlin
StürmerFrederik TiffelsWheeling Nailers

SPOX: Das Team hat sich verändert. Stützen wie Christian Ehrhoff oder Marcel Goc sind zurückgetreten, insgesamt fehlen viele Olympia-Helden. Dafür sind mit Leon Draisaitl, Dennis Seidenberg und Korbinian Holzer drei NHL-Spieler wieder dabei. Besteht die Gefahr, dass der Teamgeist von Pyeongchang in der Form gar nicht mehr da sein kann?

Kühnhackl: Darin sehe ich kein großes Problem, weil Eishockeyspieler im Normalfall von Haus aus Typen sind, die sich in den Dienst der Mannschaft stellen. Diese Euphorie, die rund um die Nationalmannschaft herrscht, wird helfen und nicht hemmen. Nochmal: Ich bin davon überzeugt, dass die Sache laufen wird.

SPOX: Abschließend hätten wir gerne eine Prognose von Ihnen: Wie weit geht es für Deutschland bei der WM?

Kühnhackl: Also hören Sie mal: Ich war Spieler, Trainer und Funktionär, kenne das Eishockey-Geschäft also von allen Seiten. Was mir aber gar nicht liegt, ist Tipps abzugeben. Wann immer ich das versucht habe, lag ich fürchterlich daneben. Ich habe gelernt, das lieber zu lassen. Am Ende denken die Leute noch, ich hätte keine Ahnung. (lacht)