"Wir haben ihm ein Angebot gemacht", sagte der ehemalige Teamchef nach der vergangenen Saison. "Aber Michael wollte nicht."
Michael wollte sich als ehemaliger Fahrer nicht mit dem Wust aus Politik und Technik sowie der Gefahr, den Mythos des Rennfahrers Schumacher zu beschädigen, herumärgern.
Der furchtlose Stefano
Stefano Domenicali wollte. Klar, der studierte Ökonom hat keinen Ruf als siebenmaliger Weltmeister zu verlieren, höchstens den als Ski- und Fußballfan, dennoch gehört eine Menge Mut dazu, in die großen Fußstapfen des eigentlich so kleinen Todt zu treten. Immerhin war der Franzosen 14 Jahre an der Macht.
"Ich fürchte mich vor nichts und niemandem", zitiert der "kicker" den 42-jährigen Domenicali. Geteiltes Leid ist eben halbes Leid - auch wenn man die Leitung des besten F-1-Teams des vergangenen Jahrzehnts kaum als Leid bezeichnen kann. Denn Stefano Domenicali ist nicht alleine, er ist Teil eines Quartetts an der sportlichen Spitze der Scuderia.
Wer macht was?
Zusammen mit Mario Almondo, Aldo Costa und Gilles Simon läutet Domenicali eine neue Zeitrechnung ein. Das System Ferrari funktioniert ab sofort nicht mehr als Diktatur sondern als Kollektiv.
Jede Führungsperson gleicht einem Zahnrad, das im perfekten Zusammenspiel mit den anderen die roten Renner am Laufen halten soll. "Die Aufgabe ist so komplex geworden, dass man sie auf mehrere Spezialisten verteilen muss", zitiert die Fachzeitschrift "auto, motor und sport" Domenicali.
Doch wer hat welche Aufgaben?
Stefano Domenicali - Teamchef:
Schon in der vergangenen Saison stand der ehemalige Teammanager mit der Stoppuhr in der Hand am Ferrari-Kommandostand und nahm Einfluss auf das Renngeschehen. Doch an seiner Seite stand immer Jean Todt, quasi als Libero, der jederzeit einspringt, wenn es wirklich ernst wird. Jetzt ist Todt als Generaldirektor weg vom täglichen Geschäft, sagt, dass er nur zu drei oder vier Rennen kommen wird.
Bühne frei also für seinen Nachfolger Domenicali. Ab sofort muss er entscheiden, welcher Fahrer mit welcher Strategie ins Rennen geschickt wird, ab wann man sich im WM-Kampf auf einen Nummer-1-Fahrer festlegt, was gerade noch den Regeln entspricht und was nicht mehr und wie man sich im Kampf gegen die Konkurrenz verhält.
Eine Menge Verantwortung, aber Domenicali ist schließlich nach eigener Aussage furchtlos - und: "Ich sehe alles positiv."
Mario Almondo - Sportdirektor:
Der 43-Jährige könnte für seinen Job auch einen Diplomaten-Pass beantragen, denn seine Hauptaufgabe ist, zwischen den Technikern und den Geschäftsleuten zu vermitteln. "Die Ingenieure müssen begreifen, dass ihre Kreationen kein Spielzeug sind, sondern ein Produkt, mit dem die Firma Geld verdienen will", beschreibt Almondo sein tägliches Tun.
Kurioser Weise wurde Almondo 1991 exakt am gleichen Tag bei Ferrari eingestellt wie Domenicali. Dass sie 17 Jahre später gemeinsam an der Spitze des Klassenprimus der Formel 1 stehen würden, hätten sie sich damals sicher nicht träumen lassen.
Aldo Costa - Technikchef:
Der Zögling des ehemaligen Chefdesigners Rory Byrne ist in seiner neuen Funktion nicht mehr nur für die Konstruktion des Autos verantwortlich. "Ich treffe heute strategische Entscheidungen, statt über technische Lösungen nachzudenken", beschreibt Costa die Folgen seines Aufstiegs.
Was mit dem Wunsch eines 15-Jährigen, irgendwann einmal ein Formel-1-Auto für Ferrari zu bauen, begonnen hat, hat sich anno 2008 zur Leitung von 300 Ingenieuren entwickelt.
Gilles Simon - Motorenchef:
Der einzige Nicht-Italiener in der neuen Führungsriege ist in der vergangenen Saison vom Stellvertreter zum Chef der Motoren- und Elektronikabteilung aufgestiegen, zeichnet also für alles verantwortlich, was mit Getriebe, Motor, Traktionskontrolle und in Zukunft auch Energierückgewinnung zu tun hat.
Simon baut lieber Motoren als ganze Autos, "weil Motoren komplizierter sind". Er kam über Renault und Peugeot 1993 zu Ferrari - gemeinsam mit seinem Landsmann Jean Todt.
Wie störungsanfällig ist das System?
Das ist sie, die Viererkette an Ferraris Spitze, die beweisen soll, dass ein modernes Formel-1-Team nicht mehr nur mit einem Alleinherrscher a la Flavio Briatore funktioniert, wie Bernie Ecclestone gerne behauptet. Sie soll zudem beweisen, dass eine italienische Führungscrew den Karren nicht zwangsläufig an die Wand fahren muss, wie das vor der Ära Todt/Brawn schon einmal vorkam.
Die Mission lässt sich nach den Eindrücken der Testfahrten gut an, Ferrari ist großer Favorit auf den WM-Titel.
Doch eine 18 Rennen dauernde Saison wird auch für die ruhmreiche Scuderia nicht ohne Rückschläge verlaufen. Erst nach den ersten Durststrecken wird man sehen, wie anfällig das neue System Ferrari für Störungen ist.