"Ich will nicht Zehnter werden"

Von Interview: Alexander Mey
Nico Hülkenberg absolvierte im Januar Testfahrten für seinen neuen Rennstall Williams
© Imago

Selbstbewusstsein pur: Nico Hülkenberg zeigt bei SPOX keine Angst vor dem F-1-Debüt. Hülkenberg über Schönwetterfahrer, Streber und den Unterschied zwischen Motorsportlern und Fußballern.

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Nico Hülkenberg betritt 2010 als sechster Deutscher die große Formel-1-Bühne. Und das am liebsten mit einem Knall, denn von Bescheidenheit hält Hülkenberg wenig.

Im SPOX-Interview präsentiert sich der 22-Jährige furchtlos. Zudem spricht er über Schönwetterfahrer, ein Praktikum in England, das Erfolgsgeheimnis der deutschen Rennfahrer und Gründe dafür, warum Motorsportler selbständiger sind als Fußballer.

SPOX: Herr Hülkenberg, wir haben zum letzten Mal miteinander gesprochen, als Sie die A1-GP-Serie gewonnen haben. Das war Anfang 2007. Seitdem ist für Sie alles perfekt gelaufen, oder?

Nico Hülkenberg: Wenn man sich nur die Resultate in den Meisterschaften ansieht, ist bestimmt einiges perfekt gelaufen. Es gab zwar im einen oder anderen Rennen einen Fehler, aber alles in allem war das schon sehr gut.

SPOX: Kart, Formel BMW, A1 GP, Formel 3, GP2 - eine Karriere, wie am Reißbrett entworfen.

Hülkenberg: Ach, ich weiß nicht. Das müssen wohl eher Sie beurteilen (lacht). Aber es stimmt schon, dass ich mit Ausnahme der Saison 2006 immer zu den Top-Leuten gezählt habe.

SPOX: Trotzdem klappt der Sprung in die Formel 1 erst jetzt mit 22 Jahren. Hätten Sie sich diesen Schritt schon früher zugetraut?

Hülkenberg: Ich hätte es mir fahrerisch auch schon nach der Formel 3 zugetraut. Man will eben immer so schnell wie möglich in die Königsklasse. Aber im Nachhinein war der Weg über die GP2-Serie der Richtige. Dieser Kampf in einer hochklassigen Serie im Umfeld der Formel 1 mit starken Gegnern, der gibt mir den letzten Schliff für die Formel 1.

SPOX: Zukünftige Gegner wie Sebastian Vettel oder Lewis Hamilton waren allerdings jünger als Sie. Ein Nachteil?

Hülkenberg: Nein. Sebastian ist eben etwas früher vom Kart in den Formelsport gegangen und war deshalb ein bisschen früher da. Aber es gab bei mir keine Regel, dass ich mit 20 Jahren in der Formel 1 sein muss.

SPOX: Was unterscheidet den Nico Hülkenberg von 2007 von dem von 2009?

Hülkenberg: Ich bin erwachsen geworden. Natürlich habe ich nun mehr Erfahrung, aber als Mensch bin ich noch der gleiche wie damals, denke ich.

SPOX: Sie haben den Sommer über freiwillig in der Williams-Fabrik gearbeitet, ohne auch nur einen einzigen Cent dafür zu sehen. Sind Sie ein Streber?

Hülkenberg: Nein, ich bin kein Streber. Ich bin einfach so gestrickt. Ich bin neugierig und interessiere mich sehr für die Technik. Ich will eine Vorstellung davon haben, was die Ingenieure mit meinem Auto machen.

SPOX: Auf so eine Idee wäre zum Beispiel ein Kimi Räikkönen jedoch sicher nie gekommen.

Hülkenberg: Okay, aber ich muss ja nicht machen, was die anderen tun. Ich mache mein eigenes Ding.

SPOX: Wie sah das Praktikum bei Williams aus? Was haben Sie alles gemacht?

Hülkenberg: Ich habe mehrere Abteilungen durchlaufen, war im Windtunnel und in der Karbonabteilung. Der Windtunnel hat aber am meisten Spaß gemacht.

SPOX: Haben Sie die Mechaniker richtig ran gelassen oder waren Sie eher der Mann zum Kaffee holen?

Hülkenberg: Nein, nein, ich durfte schon in jeder Abteilung meine eigenen kleinen Sachen machen. Zwar immer unter Aufsicht, aber die Teile, an denen ich mitgearbeitet habe, sind dann auch an Rennwochenenden eingesetzt worden.

SPOX: Motorsportler sind im Vergleich zum Beispiel zu Fußballern generell schon in jungen Jahren sehr selbständig. Woran liegt das?

Hülkenberg: Gute Frage. Ich denke, es liegt daran, dass der Sport sehr teuer ist und man von Anfang an die Verantwortung für das Material trägt. Dazu muss man sehr viel reisen. Motorsport ist in der Jugend schon viel internationaler als Fußball. Vielleicht liegt es daran.

SPOX: Wie passend, dass Sie seit einiger Zeit einen Zweitwohnsitz in England haben.

Hülkenberg: Stimmt. Ich bin seit ungefähr acht Monaten da und fühle mich sehr wohl. Ich komme sehr gut mit den Engländern klar.

SPOX: Sie sind der sechste Deutsche in der Formel 1. Warum sind deutsche Rennfahrer so gut?

Hülkenberg: Die deutschen Tugenden passen generell sehr gut in den Motorsport. Disziplin, Fleiß, Perfektionismus und all das. Made in Germany passt sehr gut in die Formel 1 rein. Dazu haben wir natürlich auch ein sehr gutes Nachwuchssystem. Zufall ist das jedenfalls nicht.

SPOX: Hat sich Ihr Weg in der Jugend einmal mit einem der anderen Deutschen gekreuzt?

Hülkenberg: Nein. Die einzigen, die ich aus den Nachwuchsklassen ganz gut kenne, sind Sebastien Buemi und Romain Grosjean.

SPOX: Der Formel-1-Einstieg bei Williams hat Nico Rosberg offenbar sehr gut getan. Warum ist das Team auch für Sie genau das Richtige?

Hülkenberg: Ich arbeite ja nun schon seit zwei Jahren mit Williams zusammen und es ist mein Wunschteam. Ich bin dort gut aufgehoben. In diesem Jahr haben sie schon ein gutes Auto gebaut, und ich sehe noch mehr Potenzial. Der Trend geht wieder zu den Privatteams.

SPOX: Ihr Teamkollege Rubens Barrichello könnte fast Ihr Vater sein. Werden Sie "Onkel Rubens" zu ihm sagen?

Hülkenberg: (lacht) Ich denke, ich werde ihn wohl doch lieber einfach nur Rubens nennen.

SPOX: Ist Barrichello Ihr Lehrmeister oder einfach nur der Kerl, den Sie auf der Strecke schlagen müssen?

Hülkenberg: Mein Lehrmeister ist er sicher nicht. Er ist mein Teamkollege, mit dem ich gut auskommen will, damit wir beide dem Team helfen. Am Ende des Tages ist er aber auch mein Gegner.

SPOX: Müssen Sie ihn im ersten Jahr gleich schlagen?

Hülkenberg: Die Ambition muss ich haben. Aber nicht nur ihn zu schlagen, sondern alle anderen auch. Sonst hätte ich die falsche Einstellung für den Job. Trotzdem muss ich aber auch realistisch sein und erst einmal sehen, welches Material ich zur Verfügung habe. Ich werde jetzt nicht sagen, dass ich 2010 Weltmeister werde. Aber ich will auch nicht Zehnter werden. Klar muss ich lernen, aber das Team setzt mich nicht ins Auto, um ein Schönwetterfahrer zu sein. Es wird etwas von mir erwartet, und ich erwarte von mir selbst auch eine Menge. Ich will in der Formel 1 erfolgreich sein.

SPOX: Wenn Sie im März beim ersten Rennen in Bahrain am Start stehen, und um sie herum tummeln sich die Großen der Szene. Werden Sie nervös sein?

Hülkenberg: Glaube ich nicht. Natürlich ist Respekt da, aber letztlich haben die alle den gleichen Weg hinter sich wie ich. Jetzt bin ich auch da und werde sicher keine Geschenke verteilen.

SPOX: Wie oft treffen Sie bei Ihrem Manager Willi Weber auf Michael Schumacher?

Hülkenberg: Ganz selten.

SPOX: Aber verglichen werden auch Sie wie vor Ihnen Sebastian Vettel in der Presse bereits mit ihm. Sie scheint das jedoch weniger zu nerven als Vettel.

Hülkenberg: (lacht) Sebastian hat ja den ganzen Schwall dieser Aussagen schon abgekriegt. Zum Glück, da bleibt weniger für mich übrig. In dieser Hinsicht hat er mir einen großen Gefallen getan.

SPOX: Laut Willi Weber sind Sie von der Arbeitsweise her Schumacher sehr ähnlich. Ist er Ihr Vorbild?

Hülkenberg: Klar. Als ich ein kleiner Junge war, habe ich mit ihm gefiebert und ihm die Daumen gedrückt. Aber jetzt bin ich ja schon groß und mache mein eigenes Ding.

SPOX: Jetzt orientieren Sie sich eher an Roger Federer. Warum?

Hülkenberg: Ich bewundere vor allem seine Einstellung zum Sport und wie er sich menschlich gibt - bodenständig, normal, nicht abgehoben. Das ist für mich vorbildlich.

SPOX: Welche drei positiven Eigenschaften schätzen Sie denn an sich selbst?

Hülkenberg: Zielstrebig, selbstkritisch, lustig.

SPOX: Gibt es auch drei negative Eigenschaften?

Hülkenberg: Ungeduldig, ungeduldig - und ungeduldig. Sonst fällt mir nichts ein (lacht).

Das ist die Zukunft der Formel 1