20 Japaner hat die Formel 1 in ihrer Geschichte hinter das Lenkrad eines Autos gesetzt, viel dabei herausgekommen ist selten. Kein Sieg, keine Pole-Position, gerade mal zwei Podestplätze. Die ersten 19 japanischen Piloten haben gerade mal 76 WM-Punkte geholt - zusammen.
Kamui Kobayashi, der 20. im Bunde, hat es in seinen bisher 21 Rennen schon auf 35 WM-Punkte gebracht. Okay, er profitierte natürlich von der neuen Punkteregel, aber er hat seinen Landsleuten trotzdem eine entscheidende Fähigkeit voraus: Er ist konstant. Konstant schnell, konstant aggressiv, aber auch konstant fehlerfrei.
Keine Spur von legendären japanischen Bruchpiloten der Marke Ukyo Katayama oder Toranosuge Takagi. "Kamikaze ist Old-Style", sagt Kobayashi im Gespräch mit SPOX. "Ich habe mein Handwerkszeug in Europa gelernt, und wenn ich ein Kamikaze-Fahrer wäre, hätte ich es nicht so weit gebracht. Ich weiß, wie ich ein Resultat ins Ziel bringe. Deshalb passe ich nicht zu diesem Klischee."
Rookie Kobayashi legt sich mit Weltmeister Button an
Zu Beginn seiner Formel-1-Karriere hätte man noch den Verdacht haben können, er sei ein Kamikaze-Fahrer, denn in den ersten beiden Rennen am Ende der Saison 2009 brachte er vor allem Weltmeister Jenson Button mit halsbrecherischen, aber nie unfairen Manövern zur Verzweiflung. "Irre", war das Wort, mit dem Button Kobayashis Fahrstil beschrieb.Aber der heute 24-Jährige war vom ersten Tag an respektlos und legte sich im Toyota mit den Besten an. Timo Glock hatte ihm den Einstieg in die Königsklasse ermöglicht, nachdem er sich bei einem schweren Crash in Japan verletzt hatte. In Brasilien und Abu Dhabi schlugen Kobayashis große Stunden. Er wurde Neunter in Sao Paulo und sogar Sechster beim Finale.
"Chance meines Lebens" dank Glock
Ein unverhoffter Segen. "Nach meiner GP2-Saison hätte ich keine Chance gehabt, ein Formel-1-Cockpit zu bekommen. Das ist einfach unglaublich schwierig", erzählt Kobayashi. "Dann kam durch Timos Ausfall plötzlich die Chance meines Lebens. Von denen hat man nur eine oder zwei. Ich habe meine sehr gut genutzt und dadurch den Stammplatz für 2010 bei Sauber ergattert. Das war bisher das wichtigste Ereignis meines Lebens."
So ein Stammplatz bringt einem aber nur etwas, wenn man auch die entsprechenden Leistungen bringt. Und das hat Kobayashi mit Bravour getan. Zwar offenbarte er im einen oder anderen Qualifying noch ein paar Schwächen, aber seine Aufholjagden in einigen Rennen waren legendär.
Kobayashi: "Ich überhole, weil ich es kann"
Kobayashi hat überholt wie ein Wilder. Knallhart, kompromisslos, aber nie über dem Limit. Ihm beim Heimspiel in Suzuka zuzusehen, wie er einen Star nach dem anderen in der Spitzkehre düpiert hat, war ein Hochgenuss. An seine Überholkünste kam höchstens noch ein Lewis Hamilton heran, sonst niemand.
Aber warum kann er das so viel besser als viele andere? "Ich bin Japaner und habe schmale Augen. Ich kann die Jungs um mich herum also gar nicht so gut sehen wie die Europäer", scherzt Kobayashi. Nach einem herzhaften Lacher ergänzt er: "Ich überhole einfach, weil ich es kann. Das ist alles."
De la Rosa und Heidfeld verschlissen
Mit diesem Talent zu spektakulären Rennen hat er bei Sauber gleich zwei Teamkollegen verschlissen. Pedro de la Rosa musste nach dem Italien-GP gehen, Nick Heidfeld hielt zwar mit Kobayashi deutlich besser mit, trotzdem war nach der Saison aber auch für ihn bei Sauber Schluss.
2011 wird Kobayashi neben Rookie Sergio Perez Teamleader bei Sauber sein. Eine Menge Verantwortung für so einen jungen Kerl. Zumal auch noch die Hoffnung ganz Japans auf seinen Schultern ruht. Kobayashi möge doch endlich der erste Japaner sein, der einen Grand Prix gewinnt.
Druck? "Überhaupt nicht", betont Kobayashi. "Ich bin zwar Japaner, aber lebe schon so lange in Europa, dass ich einfach nur meinen Job mache. Ich habe die gleiche Chance, ein Rennen zu gewinnen, wie jeder andere auch."
Japaner? Europäer? Oder Araber?
Generell hat Kobayashi nicht viel von einem Japaner, wie man ihn sich so vorstellt. Er hasst rohen Fisch, obwohl sein Vater einen Sushi-Lieferservice besitzt. Er besucht seine Eltern nicht einmal regelmäßig, wenn er in Japan ist.
Er kam eben schon mit 18 Jahren nach Europa und hat sich dort eingelebt. "Ich lebe sehr gerne in Europa", sagt er und ist bei der Frage, ob er sich eher als Japaner oder Europäer fühlt, wieder einmal zu Scherzen aufgelegt. "Ich fühle mich halb als Japaner und halb als Europäer. Nehmen Sie also die Mitte, dann bin ich Araber", sagt er und lacht.
Scherze sollten sogar einmal sein tägliches Brot werden. "Ich habe niemals davon geträumt, Formel-1-Fahrer zu werden. Ich wollte eigentlich ganz gerne Komödiant werden - viele gute japanische Komödianten kommen aus meiner Heimatstadt Amagasaki. Aber ich hatte nicht genug Talent", verrät Kobayashi.
"Ich glaube, ich kann um den Titel fahren"
Nun hat es ihn aber doch in ein Formel-1-Cockpit verschlagen, und dort hört der Spaß für ihn ganz schnell auf. Seine Zukunft in der Königsklasse hat er schon jetzt ziemlich genau vor Augen.
"Im Moment bin ich noch nicht so weit wie ein Vettel oder ein Hamilton. Aber ich glaube fest daran, dass ich dieses Level in der Zukunft erreichen und um den Titel fahren kann", sagt Kobayashi. "Ich muss nur hart genug arbeiten."