Zu gut, um legal zu sein?

Von Alexander Mey
Ferrari und McLaren stritten sich beim Australien-GP um die Plätze hinter Sebastian Vettel
© xpb

Während Sebastian Vettel seinen Sieg beim Australien-GP in einem Kurzurlaub genießt, rauchen bei den Gegnern die Köpfe. McLaren wittert wieder mal Betrug, Fernando Alonso bleibt trotz Ferraris Fehlstart überraschend gelassen.

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Es ist ein Reflex, der jedes Jahr aufs Neue zum Saisonstart der Formel 1 zu beobachten ist. Ein Team hat ein besseres Auto gebaut als alle anderen und dabei womöglich noch Ideen gehabt, auf die andere nicht gekommen sind. Sofort ist das Geschrei groß, Betrug wird gewittert oder wenigstens die Dreistigkeit im Ausnutzen von Lücken im Reglement angeprangert.

Davon können in jüngerer Vergangenheit die Erfinder von Doppel-Diffusor und F-Schacht ein Lied singen. Nun ist wie schon im vergangenen Jahr der biegsame Frontflügel in Mode.

Hamilton moniert flexiblen Frontflügel

Den hat Lewis Hamilton am Red Bull von Vettel ausgemacht und die Klärung der Legalität gefordert. "Habt ihr Vettels Frontflügel gesehen? Er verbiegt sich an den Enden bis zum Boden, das bringt ihm mindestens eine halbe Sekunde", zitiert die "Bild"-Zeitung den Zweiten des Australien-GP. "Entweder schließen wir dieses Schlupfloch, oder wir bauen es irgendwie nach."

Schon 2010 beschwerte sich McLaren über die biegsamen Flügel von Red Bull und sorgte dafür, dass die Tests der FIA deutlich verschärft wurden. Aktuell muss der Flügel im Stand links und rechts neben der Mittelachse ein Gewicht von 100 Kilogramm aushalten und darf sich dabei um nicht mehr als 20 Millimeter verbiegen. Während der Fahrt ist die Biegsamkeit nicht zu kontrollieren. Ein Ärgernis für McLaren, denen es bereits in der vergangenen Saison nicht gelungen ist, den Red-Bull-Flügel nachzubauen.

Während sich Vettel nach seinem Auftaktsieg auf Bali sonnt, reagierte Red Bull eher gelangweilt auf die Vorwürfe. "Letztes Jahr ging es schon genauso. Sie versuchen es immer wieder, aber wir bestehen jedes Mal den Test", sagte Motorsportchef Helmut Marko der "Bild".

mySPOX-Community diskutiert über Technik-Trick

Es ist offensichtlich, dass der Red Bull nicht nur wegen eines vermeintlich biegsamen Frontflügels derart überlegen ist. Aber wo genau Stardesigner Adrian Newey so viel besser gearbeitet hat als seine Gegner, ist das große Geheimnis.

So wird in der mySPOX-Community zum Beispiel über Lufteinlässe am vorderen Ende des Unterbodens diskutiert, die zusätzliche Luft in den Diffusor leiten könnten. Einer von sicher unzähligen Ansätzen, die Red-Bull-Überlegenheit in Melbourne zu erklären.

Zwei Indizien für anhaltende Red-Bull-Dominanz

Die Angst, dass Vettel und Co. auf anderen Strecken mit schnellen Kurven noch besser sein könnten, ist gegenwärtig. Ein Indiz dafür ist der Verzicht des Weltmeisters auf KERS, das pro Runde noch einmal drei bis fünf Zehntel gebracht hätte. In Malaysia sollen die 82 Zusatz-PS auf jeden Fall an Bord sein.

Zweites Indiz ist der überlegene Speed, den der Red Bull in der schnellen Schikane in Melbourne hatte. Durch die fuhr Vettel sage und schreibe 19 km/h schneller als Hamilton. Wenn das ein Fingerzeig für die Straßenlage in schnellen Kurven ist, dann gute Nacht!

Alonso: "Müssen uns keine Sorgen machen"

Während man sich bei McLaren offenbar durchaus von solchen Rechenexempeln beunruhigen lässt, bleibt Ferrari trotz des enttäuschenden Starts mit den Plätzen vier und sieben gelassen.

Zum Thema flexibler Frontflügel sagte Teamchef Stefano Domenicali: "Solange niemand mir oder der FIA zeigen kann, dass etwas nicht korrekt ist, muss ich dem gratulieren, der einen guten Job gemacht hat. Das ist mein Grundsatz." Seine Gelassenheit hängt wohl auch damit zusammen, dass Ferrari 2010 wie Red Bull einen bei hoher Geschwindigkeit flexiblen Flügel einsetzte. Ob sie das auch 2011 tun, ist noch nicht bekannt.

Gelassenheit ist aber grundsätzlich die Maxime der Roten nach dem ersten Rennen. Auch bei Fernando Alonso. "Das war zwar nicht der Start in die Saison, den wir uns erhofft hatten, aber Sorgen müssen wir uns deshalb nicht machen", sagte der Vize-Weltmeister. "Zwölf Punkte liegen nicht weit unter dem Schnitt, den der Weltmeister 2010 hatte. Von daher war der Australien-GP alles andere als katastrophal für uns."

Wo ist Ferraris Speed geblieben?

Trotzdem ist es verwunderlich, wie weit Ferrari vor allem im Qualifying von dem weg war, was Vettel aus dem Red Bull herausgeholt hat. Dessen Teamkollege Mark Webber war an diesem Wochenende so schwach, dass er nicht als Maßstab gelten kann.

Bei den Testfahrten hatte man schon den Verdacht, dass der Red Bull im Qualifying schneller sein könnte als der Ferrari. Aber mehr als eine Sekunde? Zudem kamen die bei den Tests auf den Long-Runs so beeindruckenden Ferraris auch im Rennen nicht an die Zeiten von Vettel heran.

Ferrari zur Fehleranalyse zurück in Maranello

Grund zur Sorge gibt es also bei der Scuderia auf jeden Fall, auch wenn das Rennen in Melbourne kein so großer Reinfall war wie zum Beispiel bei Mercedes. Immerhin will Alonso Weltmeister werden und braucht dazu ein Auto, mit dem er Vettel auf der Strecke schlagen kann.

Damit man diesem Ziel schon in Malaysia zumindest deutlich näher kommt, sind die schlauen Köpfe allesamt zurück nach Maranello geflogen, um zu analysieren, was im Albert Park schief gelaufen ist.

"Wir sahen auf anderen Strecken gut aus, also müssen wir verstehen, was in Melbourne anders war als auf den Testkursen", sagte Felipe Massa. Dessen Speed war noch viel schlechter als der von Alonso, weil er mit den harten Reifen überhaupt nicht zurechtkam.

Siegfähigkeit bis zum Europa-Start fraglich

Die gleiche Mischung wird er aber bei den kommenden beiden Rennen in Malaysia und China wieder am Auto haben. Denn auch dort hat Pirelli die Varianten "soft" und "hard" im Gepäck.

Es könnte also schwierig werden mit der Siegfähigkeit noch vor dem Beginn der Europa-Saison. Aber auch hinter einem Vettel gibt es schließlich eine Menge Punkte zu sammeln.

Und wer, wenn nicht große Teams wie Ferrari, McLaren oder Mercedes sind in der Lage, während der Saison die Lücke zu Red Bull zu schließen? Auch wenn diese Lücke außergewöhnlich groß zu sein scheint.

Das Rennergebnis des Australien-GP

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