Freifahrt in der Achterbahn

Von Alexander Mey
Nick Heidfeld wurde in seinem zweiten Rennen im Lotus-Renault Dritter
© Getty

Nick Heidfeld fährt seit seiner Verpflichtung durch Lotus-Renault auf einer Achterbahn. Völlig unverhofft sitzt er in einem Auto, mit dem er aufs Podium fahren kann. Das bringt aber auch großen Druck mit sich.

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Drei Qualifyings sind in diesem Jahr absolviert und Nick Heidfeld war in jedem davon für einen Ausreißer gut. Platz 18 in Australien, Platz sechs in Malaysia, Platz 16 in China. Das Jahr, das es in der Form ohne den Unfall von Robert Kubica gar nicht geben würde, geht turbulent los.

Höhepunkt war der Podestplatz in Malaysia, aber die Achterbahn, in der sich Heidfeld um diesen Podestplatz herum bewegt, steht als Sinnbild für seine Gesamtsituation.

"Die Wahrscheinlichkeit, diese Saison in der Formel 1 zu sein, und dann noch mit einem guten Team, war sehr gering, damit hatte ich nicht mehr gerechnet. Deshalb ist es schon sehr ungewohnt", erklärt Heidfeld im Interview mit dem "Motorsport Magazin" seine Gemütslage.

Heidfeld muss unbedingt alle überzeugen

Heidfeld war schon draußen aus der Formel 1, bevor ihn im Januar die Nachricht erreichte, dass sein alter BMW-Teamkollege bei einem Rallye-Start schwer verunglückt ist und die Formel-1-Saison nicht wird bestreiten können. Der Anruf von Lotus-Renault kam wenig später. Heidfeld wurde zu Testfahrten eingeladen und bekam den Job als Kubica-Vertreter.

Wahrscheinlich seine letzte Chance in einem Top-Team, auch wenn er selbst das nicht offen aussprechen will. "Ob es die letzte Chance ist, weiß man nicht. Ich hoffe, dass ich in dieser Saison eine gute Leistung zeigen kann und dass es deshalb nicht meine letzte Chance ist", sagt Heidfeld.

Aber es kann gut sein, selbst wenn Heidfeld die Fehler, die ihm im Moment noch recht häufig unterlaufen, abstellt. Denn alle im Formel-1-Zirkus hoffen, dass Kubica nach seiner Genesung ins Cockpit zurückkehren kann.

Heidfeld motivierter als früher

Käme es so, dann müsste Heidfeld seinen Platz im Lotus-Renault räumen. Für diesen Fall braucht er natürlich so viele gute Argumente für einen Platz in einem anderen Top-Team wie möglich. Eine besondere Ausgangssituation.

"Ich habe bis jetzt immer gesagt, ich sei immer gleich motiviert. Aber ich muss jetzt in dieser Situation sagen, dass ich doch noch ein bisschen motivierter bin als früher", sagt Heidfeld. "Ich weiß, das klingt ein bisschen blöd, weil das jeder immer wieder sagt, aber wenn etwas so unverhofft kommt und ich ja, obwohl ich seit 2000 in der Formel 1 bin, wirklich fast weg gewesen wäre, ist es wirklich so."

Heidfeld glaubt nicht mehr an Gerechtigkeit

Heidfeld kennt das Gefühl, fast weg zu sein, aus leidvoller Erfahrung. 2004 fand er nach dem Ende seiner Zeit bei Sauber kein gutes Cockpit und erlebte ein furchtbares Jahr im fast unfahrbaren Jordan. Zuvor musste er mit ansehen, wie seine Sauber-Teamkollegen Kimi Räikkönen und Felipe Massa bei Top-Teams unterkamen und er nicht. Ein Jahr später sicherte er sich erst im Shootout gegen Antonio Pizzonia das Williams-Cockpit.

"Ich glaube nicht mehr daran, dass alles irgendwie gerecht ist, dass sich alles ausgleicht und dass jeder irgendwie das bekommt, was er verdient", sagt Heidfeld ernst, aber ohne Groll, denn: "Ich möchte mich wirklich nicht über mein Leben beschweren."

Heidfeld kämpft gegen sein Image

Aber über sein Image in Fachkreisen hätte er allen Grund sich zu beschweren, schließlich erfuhr Heidfeld bei objektiver Betrachtung seiner Leistungen selten die Anerkennung, die er verdient hätte.

"Ich will nicht sagen, dass man einen Stempel kriegt, das wäre zu viel. Aber man hat irgendwann einen gewissen Ruf. Den zu ändern, ist sehr schwierig", sagt Hedifeld im Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Nehmen Sie meinen Start vom vergangenen Sonntag. Ich bin von Position sechs auf zwei vor. Keiner kann ernsthaft behaupten, dass ich nicht aggressiv genug fahre. Und trotzdem ist es schwierig, so ein Bild abzuschütteln."

Das ist das Dilemma, mit dem Heidfeld leben muss, gegen das er sich aber auch nicht mehr mit allen Kräften wehren will. "Ich würde nie meine Seele verkaufen, nur um beliebter zu sein", sagt er der "Sport-Bild".

Chancen bei Lotus-Renault größer als bei BMW-Sauber

So ist Heidfeld eben der, der er ist. Ein sehr guter Formel-1-Fahrer, der im Moment aber eben nicht mehr ist als der Vertreter eines in der öffentlichen Wahrnehmung noch besseren Fahrers - Robert Kubica.

Das kann er nur ändern, wenn er in dieser Saison glänzt. Das muss nicht unbedingt nur im Cockpit sein, auch sein unbestrittenes Talent als Entwickler kann ihm den Weg in die Zukunft ebnen. Darauf setzt auch Heidfeld selbst.

"Renault ist unter all den Teams, die ich kenne, gegenüber neuen Ideen am offensten, das hat mir den Einstieg mit Sicherheit etwas erleichtert", sagt Heidfeld und kritisiert im Vergleich dazu seinen alten Arbeitgeber. "Das war speziell bei BMW-Sauber anders. Sie waren extrem gut organisiert, aber auch ein bisschen fixiert auf bestimmte Wege. Da wurde nicht so viel nach links und rechts geschaut. Wenn man eine neue Idee hatte, wurde das oft nicht so wirklich beachtet."

Nicht beachtet zu werden ist das Schlimmste, was Heidfeld passieren kann. Er muss auffallen und er hat bei Lotus-Renault ausgezeichnete Chancen dazu. Er muss sie nur nutzen.

Das komplette Interview mit Nick Heidfeld, ein Interview mit Sebastian Vettel sowie ausführliche Analysen zur Formel 1 und der MotoGP lesen Sie in der April-Ausgabe des "Motorsport-Magazins" und auf "Motorsport-Magazin.com". Das "Motorsport-Magazin" ist im Handel erhältlich. Oder am besten gleich online zum Vorzugspreis abonnieren:

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