Was ist passiert?
Die Meldung über die Wutrede von Lewis Hamilton nach dem Monaco-GP verbreitete sich via Twitter wie ein Lauffeuer. Schnell war klar, dass etwas Ungewöhnliches passiert sein musste, als sich vor allem die englischen Journalisten mit noch so kleinen Updates zu dem, was Hamilton gesagt hatte, überschlugen.
Für "BBC"-Reporterin Lee McKenzie war ihr Interview mit Hamilton sicher ein Höhepunkt der Karriere. Für den Weltmeister von 2008 nicht. Er hat seine Kollegen beleidigt, indem er sie als "lächerlich" bezeichnet hat. Er hat die Rennkommissare angegriffen, indem er ihre Entscheidungen als Witz und sie als ihm gegenüber voreingenommen bezeichnet hat. Und er hat mit der Anspielung auf seine Hautfarbe auch noch eine Rassismus-Debatte losgetreten.
"Hamilton Racism Row", titelte zum Beispiel die "Sun" in riesigen Lettern. Sogar die seriöse "Times" stellte diese Analogie her, obwohl Hamilton den Ali-G-Spruch "Vielleicht liegt es daran, dass ich schwarz bin" nur als Scherz gemeint hatte. Sie schrieb: "Frustrierter Hamilton lenkt mit seinem rassistischen Spruch die Aufmerksamkeit von Vettel auf sich."
Ex-Formel-1-Fahrer wie Martin Brundle und Jackie Stewart haben Hamilton weniger für den Inhalt seiner Rede gerügt als für den Anlass. Denn Hamilton wies jegliche Schuld an den Crashes mit Felipe Massa und Pastor Maldonado weit von sich. Im Gegenteil. Er war der Meinung, dass alle anderen nur im Sinn hätten, ihm im Rennen zu schaden.
Dazu sagte Brundle klipp und klar: "Das Problem von Lewis ist, dass er immer anderen die Schuld gibt. Er sollte sich mal Gedanken darüber machen, wie er solche Dinge einschätzt."
F-1-Experte Hans-Joachim Stuck verteidigte dagegen auf Nachfrage von SPOX grundsätzlich Hamiltons Fahrweise: "Er ist eben ein sehr aggressiver Fahrer. Wenn dann so etwas passiert, ist es klar, dass er kritisiert wird."
Hamilton hat sich bei den Rennkommissaren entschuldigt und wird damit wohl einer Disziplinarstrafe entgehen. Er bleibt aber der wahrscheinlich streitbarste Pilot im Feld. Nicht umsonst ist er der am häufigsten bestrafte Fahrer der letzten Jahre.
Das meint SPOX:
Lewis Hamilton hat einen Fehler gemacht. Und zwar den, dass er nach dem Rennen seinen Mund nicht halten konnte. Hätte er sich erst einmal ins Motorhome zurückgezogen, um einige Minuten runter zu kommen, und sich dann der Weltpresse gestellt, hätte er sich eine Menge Ärger erspart.
Denn was er vor laufenden Kameras gesagt hat, war dumm. Vor allem sein Ali-G-Spruch und die Beleidigung der Kollegen. Das kann er denken. Das kann er ihnen, wenn er mutig ist, gerne auch persönlich an den Kopf werfen. Aber vor Millionen von Zuschauern ist das wenig clever.
Das hat er mittlerweile auch selbst zugegeben. Schwamm drüber heißt das für jeden, der nicht direkt betroffen ist. Nicht jedoch für Massa zum Beispiel, denn dass Hamilton ihn als "lächerlichen Piloten" bezeichnet hat, will er sicher noch einmal persönlich klären. Härtere Strafen gegen Hamilton hat er öffentlich schon gefordert.
Unabhängig vom sicher diskussionswürdigen Inhalt von Hamiltons Wutrede ist in der Formel 1 dank Typen wie ihm oder Fernando Alonso, die in Interviews kein Blatt vor den Mund nehmen, immerhin wieder mehr Zündstoff drin als in einigen Jahren zuvor. Die Tatsache, dass sie polarisieren, bietet immer neuen Gesprächsstoff und hat durchaus seinen Reiz, solange es nicht unter die Gürtellinie geht.
Auch fahrerisch ist ein Typ wie Hamilton grundsätzlich eine Bereicherung. Denn bei allen grenzwertigen Aktionen, die er einstreut, hat er auch viele geniale Momente und sorgt durch seine aggressiven Überholmanöver für viel Action auf der Strecke. All das ist gut für den Zuschauer.
Was er aber überhaupt nicht tun darf, ist nach Ausreden zu suchen und keine Verantwortung für die eigenen Fehler zu übernehmen.
So, wie er fährt, ist er häufiger als andere in Unfälle verwickelt. Umso wichtiger ist es, sein Handeln immer wieder selbstkritisch zu hinterfragen. Das scheint er zurzeit nicht zu tun. Denn daran, dass er zumindest an dem Maldonado-Crash in Monaco schuld war, besteht kein Zweifel.
Das sagen die mySPOX-User:
Optik_Boom: Also ich kann ihn schon verstehen. Sicherlich hat er eine Teilschuld, aber hier komplett IHM alles in die Schuhe zu schieben, finde ich lächerlich. Schaut Massa in den Spiegel, bleibt er außen und muss sich halt überholen lassen. Durch das nach innen Ziehen war eine Kollision unvermeidbar. Da konnte Hamilton nichts machen. Auf der anderen Seite muss Hamilton auch mal seine aggressive Fahrweise überdenken, schließlich ist es nicht das erste Mal. Im Endeffekt wäre es am besten gewesen, NIEMANDEN von beiden zu bestrafen, denn dann würde sich auch keiner benachteiligt fühlen.
Red_7: Harter Tobak Lewis. Ich kann ja verstehen, dass er nach dem Wochenende gefrustet ist, denn es hat nicht geklappt. Die rote Flagge in der Quali, die nachträgliche Bestrafung fürs Abkürzen, einen Platz beim Start verloren, den verpatzen Stopp, die Unfälle. Aber wenn er in solcher Stimmung ist, dann sollte man keine Interviews geben. Den Hautfarbenwitz hätte er sich auch sparen können.
Er ist ein großer Fahrer, aber hier hätte er besser darauf verzichtet, sich zu äußern. Für mich hat er beide Kollisionen verursacht. Man kann nicht immer die Nase reinhalten und hoffen, dass der andere zur Seite fährt. Di Resta ist für genau dieselbe Situation auch bestraft worden.
t33mu: Großkotzig, übermotiviert und null selbstkritisch. Er hat Glück, dass er nach diesem Rennen nicht aus der Wertung genommen wurde, so wild, wie er gefahren ist.
Dr_D: Hamilton sollte seine Aussagen nach Rückgang des Adrenalins mal relativieren. Die Strafen gegen ihn im Rennen waren in meinen Augen zwar hart, aber regelgerecht. Besonders Massa sollte sich nicht beschweren. Wer so früh in die Loews einlenkt, hat nichts anderes vor als zu blockieren. Bei dem Manöver von Hamilton gegen Maldonado sah es etwas anders aus. Aber für Lewis gab es da kein Zurück.
Problematisch wird es erst, wenn Lewis wirklich meint, alle wären gegen ihn. Und wenn er schon 5 mal bei den Stewards war, dann waren wohl nicht immer andere schuld, oder? Andererseits mögen ihn viele aber eben, weil er spektakuläre Manöver durchführt. Die gehen manchmal eben schief.
Sebastinho: Was einige Bestrafungen in der Vergangenheit angeht, kann man sicherlich diskutieren, aber grundsätzlich präsentiert er sich in den vergangenen Tagen eher unsympathisch: Erst die Anfeindungen gegen Schumacher und die Toro Rosso-Fahrer, die sich beim Überrunden angeblich pro Vettel verhalten, und nun dieser pauschale Rundumschlag.
Bei aller fahrerischen Brillanz, Hamilton ist oft in strittige Situationen involviert. Dies liegt an seinem angriffslustigen Verhalten auf der Strecke, was ich hinsichtlich der Action ausdrücklich befürworte, aber er braucht sich nicht wundern, wenn er dann öfter als andere bestraft wird.
Manül: So wie ich das sehe, sind sich hier alle einig, dass die Manöver gegen Schumacher, Massa und Maldonado hart waren und er für letztere zwei auch zurecht bestraft wurde. Das war zu viel, und hätte Schumi nicht auch zurückgezogen, hätte es da schon gekracht.
Das Interview brauchen wir nicht zu analysieren, das ist ein frustrierter, emotionaler Lewis, das darf man ohnehin nicht inhaltlich ernst nehmen, macht er auch selbst nicht. Aber dass man nun seine Fähigkeiten kritisiert hat, finde ich schlicht lachhaft. Er ist Weltmeister! Seit er in der Formel 1 ist, immer vorne dabei. Er ist absolut zu den Top 3 zu zählen und daran gibt es nichts zu zweifeln.
Seine Aussagen mögen nicht richtig sein, aber sie polarisieren. Der Mann ist wenigstens nicht so ein langweiliger Medienschüler, der alles und jeden lieb hat und immer nett ist. Mein Gott, der Mann ist Racer, hat ein scheiß Wochenenede erlebt und wütet jetzt ein bisschen rum. Ist doch toll, dass wir was zum Aufregen haben! Legenden und große Fahrer müssen Bad Boys sein und polarisieren!
imbecils: Ich bin kein Hamiltonfan, ich finde ihn arrogant und großkotzig, aber diesmal muss ich ihn in Schutz nehmen: Beide Kollisionen wurden nicht von Hamilton begangen, sondern von seinen Gegnern, die "die Tür zuschmissen". Interessanterweise hat Hamilton in der ersten Runde ein ähnlich ambitioniertes Überholmanöver von Schumacher nicht mit Tür zuschmeißen und Jammern beantwortet, sondern er hat Schumacher Platz gelassen.
Man kann nicht Jammern, dass in Monaco das Überholen so schwierig ist, und dann jedes riskantere Manöver bestrafen.
So steht's in der WM-Wertung