Jenson Button: Der Übermensch

Von Alexander Mey
Jenson Button fing beim Kanada-GP Sebastian Vettel in der letzten Runde noch ab und gewann
© Getty

Auch in der Formel-1-Saison 2011 bewertet SPOX-Redakteur Alexander Mey nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen der Piloten und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 7: Kanada-GP.

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What a Race! Ich schaue seit Mitte der 80er Jahre Formel 1, aber an so ein Rennen wie das in Kanada kann ich mich kaum erinnern. Das hatte wirklich alles - auch wenn ich auf die zweistündige Pause hätte verzichten können.

Klar, dass so ein Rennen Helden produziert. Aus meiner Sicht sind das Jenson Button und Michael Schumacher.

Meine Wertung für den Kanada-GP:

Platz 1, Jenson Button: Okay, er war an zwei Kollisionen beteiligt, hat Hamilton und Alonso aus dem Rennen befördert und war zudem noch hinter dem Safety Car zu schnell. Alles Punkte, die in einem normalen Rennen gegen einen Sieg im Ranking sprechen würden. Aber was war in Montreal schon normal? Die Aufholjagd von Button nach all diesen Unwägbarkeiten jedenfalls nicht. Ich glaube ihm, dass er Hamilton beim Crash nicht gesehen hat, und die Kollision mit Alonso war für mich ein stinknormaler Rennunfall. Dagegen war sein Speed gegen Rennende übermenschlich. So etwas habe ich ganz, ganz selten gesehen. Es ist ein Platz eins mit kleinen Schönheitsfehlern, aber über die sehe ich sehr gerne hinweg. Denn Button hat mir eines der besten Rennen meines Lebens geschenkt.

Platz 2, Michael Schumacher: Ich hätte ihm den Podestplatz so sehr gegönnt. Er hätte ihn verdient gehabt und er hätte ihn auch fürs Ego gebraucht, denke ich. Aber auch so hat er endlich mal wieder allen gezeigt, was für ein Rennfuchs er ist. Er hat bei extremen Bedingungen abgesehen vom ersten Wechsel auf Intermediates nur richtige Entscheidungen getroffen. Ein Talent, das ihm ab und zu abhanden gekommen zu sein schien. Besonders gut gefallen hat mir sein doppeltes Überholmanöver gegen Massa und Kobayashi. Ich bin kein Freund des verstellbaren Heckflügels und fand es deshalb sehr schade, dass sich Schumacher am Ende wehrlos seinem Schicksal ergeben musste.

Platz 3, Mark Webber: Zum ersten Mal in dieser Saison setze ich ihn vor Vettel. Aus folgenden Gründen: Webber war im Qualifying schon relativ dicht an Vettel dran, wenn man bedenkt, dass er auf den langen Geraden kein KERS zur Verfügung hatte. Im Rennen musste er sich von Platz 14 nach vorne kämpfen, nachdem er Opfer von Hamilton geworden war. Das hat er mit der goldrichtigen Mischung aus Aggressivität und Besonnenheit getan. Platz drei ist der gerechte Lohn, auch wenn er den im Duell mit Schumacher wie bereits erwähnt nur dem verstellbaren Heckflügel zu verdanken hat.

Platz 4, Sebastian Vettel: Vorneweg das Positive: Sein Qualifying war perfekt wie immer. Seine Souveränität im Rennen war beeindruckend. Bei jedem Restart hat er die Ruhe behalten und sich immer wieder direkt vom Feld abgesetzt. Ein einziges Mal hat er das Wasser auf der Strecke falsch eingeschätzt und musste in die Wiese. Mir hat auch seine Reaktion auf die Hetzjagd von Button noch gefallen, als er urplötzlich seine Rundenzeiten um fast zwei Sekunden drücken konnte. Doch dann hat er leider einen kleinen Fahrfehler begangen, der ihn den Sieg gekostet hat. Das ist unter dem unglaublichen Druck beim besten Willen nicht dramatisch, aber es ist eben ein Fleck auf der sonst oft weißen Weste. Ebenso wie das Kleinholz, das er im Training an der Wall of Champions fabriziert hat. So reicht es für den Überfahrer der Saison ausnahmsweise mal nicht zum Podium. Sein Vorsprung in der Gesamtwertung bleibt aber auch bei mir riesig.

Platz 5, Witali Petrow: Das hätte der Platz von Nick Heidfeld sein können, wenn er nicht kurz vor Schluss übermotiviert in das Heck von Kobayashi geknallt wäre und sein Rennen dadurch weggeworfen hätte. Petrow war zwar nicht schneller als sein deutscher Kollege, aber er hat den entscheidenden Fehler nicht begangen. Deshalb Rang fünf für den Russen.

Platz 6, Kamui Kobayashi: Er hat sich nach seinem durchwachsenen Qualfying sicher gefragt, in welchem Film er ist, als er plötzlich hinter Vettel auf Platz zwei gespült wurde. Er hat sich gegen die überlegene Konkurrenz gut verteidigt, wurde aber gegen Ende dann doch noch etwas durchgereicht. Besonders spektakulär war sein Zielsprint gegen Massa, den er um läppische 45 Tausendstel verloren hat.

Platz 7, Felipe Massa: Da ist Massa auch schon. Der Ferrari-Pilot erwischte eins seiner besten Wochenenden seit langem. Er war genauso schnell wie Alonso und hätte in einem Trockenrennen sicher aufs Podium fahren können. Für seine Verhältnisse war er auch im Nassen gar nicht schlecht, aber den einen entscheidenden Fehler hat er eben doch drin gehabt. Nämlich den Rutscher in die Leitplanken, der seinen Ferrari die Nase kostete. Er kann von Glück sagen, dass er danach überhaupt weiterfahren konnte.

Platz 8, Jaime Alguersuari: Natürlich hat er am meisten von den Safety-Car-Phasen profitiert, aber aus der Boxengasse zu starten und dann Achter zu werden, das muss man erst einmal schaffen. Der junge Spanier ist durch das ganze Chaos ohne nennenswerten Fehler durchgekommen und darf sich zu Recht für sein vielleicht bestes Rennen feiern lassen. Eine bessere Platzierung im Ranking verhindert sein miserables Qualifying, in dem er nicht einmal Q1 überstand.

Platz 9, Fernando Alonso: Zwei Trostpunkte für den Spanier, der nach starkem Qualifying im Rennen jede Menge Pech hatte. Erst war es die falsche Reifenwahl, die ihn weit zurückgeworfen hat, und dann der Crash mit Button, an dem er genauso viel Anteil hatte wie der McLaren-Pilot. Aber auch das wäre noch nicht so tragisch gewesen, hätte sein Ferrari nicht nach dem Dreher auf einem hohen Randstein aufgesessen. Das war es dann, ein Wochenende zum Abhaken.

Platz 10, Rubens Barrichello: Ein Punkt für den alten Mann, weil auch er es mit all seiner Routine geschafft hat, fehlerfrei durch das Chaos zu kommen und für Williams heiß ersehnte WM-Punkte zu holen.

Härtefall 1, Nico Rosberg: Eigentlich eine Bank in meinen Punkterängen, aber wie Heidfeld hat auch er sich einen entscheidenden Fehler geleistet. Kurz vor Schluss ist er wie Heidfeld Kobayashi ins Heck gefahren und hat sich den Frontflügel so stark beschädigt, dass er in der letzten Runde abfiel. Danach gab es kein Halten mehr und Rosberg wurde durchgereicht.

Härtefall 2, Lewis Hamilton: Letzter Platz im Ranking. Das sieht deutlich schlimmer aus, als es ist. Ich kreide ihm die Kollision mit Webber am Anfang an, die hätte er sich sparen können. Zudem hat mich sein Qualifying nicht überzeugt. Button war an diesem Wochenende insgesamt der Bessere der beiden. Was die Kollision der beiden anbetrifft: So ist Hamilton eben. Er hält rein, auch wenn es riskant ist. Aber überhart fand ich seine Aktion nicht. Und ihn deshalb zu verteufeln und an seinem Verstand zu zweifeln, ist völlig lächerlich. Er hat eine schlechte Phase. Das ändert sich auch wieder, solange er sich von der Kritik nicht verrückt machen lässt.

Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM

Meine Punkte für das Montreal-Wochenende:

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