Nichts war es mit dem erträumten Sieg von Sebastian Vettel beim Heimspiel auf dem Nürburgring. Nach einem mäßigen Rennen, in dem ihm lange Zeit der Speed fehlte und in dem er sich zudem einen Dreher leistete, betrieb er mit Rang vier bestmögliche Schadensbegrenzung.
Erst in der letzten Runde schob er sich beim Wechsel auf die Medium-Reifen dank seiner schnellen Red-Bull-Crew noch an Felipe Massa im Ferrari vorbei.
"Mit dem heutigen Tag können wir nicht zufrieden sein. Wir wollen besser sein als Platz vier, aber heute war das unser Maximum", sagte Vettel und warnte: "Die anderen haben große Schritte nach vorne gemacht. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht stehen bleiben sondern mitziehen."
Hamilton 47 Sekunden vor Vettel
Auf Sieger Lewis Hamilton fehlten Vettel am Ende mehr als 47 Sekunden. Der McLaren-Pilot münzte einen Blitzstart, zwei starke Überholmanöver im direkten Duell um die Spitze gegen Mark Webber und Fernando Alonso sowie einen grandiosen Endspurt in den zweiten Saisonsieg um. Hinter ihm landeten Alonso und Webber auf den Plätzen zwei und drei.
Gut für Vettel, der dank dieses Einlaufs nur drei WM-Punkte auf seinen härtesten Verfolger verloren hat. Mit 216 Zählern liegt er 77 Punkte vor dem Zweiten Webber (139 Punkte).
Hamilton: "Könnte mich nicht besser fühlen"
Das kümmerte den neuen WM-Dritten Hamilton aber zunächst wenig: "Der Sieg ist emotionaler als der erste in China. Wir hätten niemals damit gerechnet, hier so schnell zu sein, aber das Team hat unglaublich hart gearbeitet. Ich könnte mich nicht besser fühlen. Das war eins der besten Rennen, die ich jemals gefahren bin."
Auch Alonso war sehr zufrieden: "Ich konnte am Ende auf den Medium-Reifen nicht mehr mit Lewis mithalten. Alles in allem war das aber wieder ein fantastisches Rennen für uns. Wir sind in einer guten Phase der Saison und können mit der Spitze mithalten."
Sutil schlägt beide Mercedes-Piloten
Vor vollen Rängen fuhren drei weitere Deutsche in die Punkte. Adrian Sutil begeisterte mit einer Zweistopp-Strategie und einem tollen sechsten Platz. Nico Rosberg und Michael Schumacher landeten in ihren Silberpfeilen auf den Plätzen sieben und acht.
"Ich freue mich sehr, dass es hier zu Hause am Nürburgring so gut geklappt hat. Die Strategie hat gut gepasst, aber auch das Auto war toll. Wir haben diesmal alles richtig gemacht", freute sich Sutil. Schumacher haderte mit einem Dreher an der gleichen Stelle, an der Vettel abgeflogen war: "Ohne meinen Dreher hätte ich vor Sutil bleiben können. Ich war auch schneller als Nico. Von daher schade um die zwei Plätze."
In einem actionreichen Rennen mit vielen Überholmanövern schied Nick Heidfeld nach einem Crash mit Sebastien Buemi aus. Der Schweizer wurde dafür bestraft und muss in Ungarn fünf Plätze weiter hinten starten. Timo Glock wurde 17.
Schlüsselszenen des Rennens:
Start: Hamilton kommt bei leicht feuchter Strecke auf den weichen Slicks am besten weg und beschleunigt Webber aus. Die Führung für den McLaren-Piloten. Vettel wird zwischen beiden Ferrari eingeklemmt und verliert einen Platz gegen Alonso. Massa hält er gerade so hinter sich. Der Brasilianer wird weit raus gedrängt und fällt daher noch hinter Rosberg zurück. Heidfeld erwischt einen katastrophalen Start und liegt am Ende des Feldes. Er ist mit di Resta aneinander geraten.
Runde 2: Fahrfehler von Alonso in Kurve 2! Er kommt weit raus auf eine feuchte Spur und muss Vettel innen durchschlüpfen lassen. Weiter hinten schnappt sich Schumacher erst Button und dann Petrow und ist Achter hinter Sutil.
Runde 8: Vettel kann das Tempo von Hamilton und Webber an der Spitze nicht mitgehen. Alonso saugt sich auf der Zielgeraden an den Weltmeister heran und bremst sich mutig daneben. Vettel spielt mit und gibt den dritten Rang an den Spanier ab.
Runde 10: Dreher von Vettel! Der Weltmeister kommt beim Anbremsen von Kurve 10 mit den rechten Reifen aufs Nasse und schmiert heftig ab. Zum Glück ist die Auslaufzone groß und asphaltiert, sodass Vettel keinen Platz verliert und weiter fahren kann. Das Spitzentrio ist aber enteilt.
Runde 11: Crash zwischen Buemi und Heidfeld! Heidfeld setzt sich vor der NGK-Schikane außen neben den Schweizer, der sieht ihn aber nicht und drängt ihn raus. Heidfeld fliegt heftig ab und ist draußen.
Runde 12: Massa presst sich nach langem Kampf auf der Zielgeraden an Rosberg vorbei.
Runde 13: Grandioses Duell zwischen Hamilton und Webber um die Spitze. Webber fährt bei Gelber Flagge einen Tick schneller durch die NGK-Schikane als Hamilton und setzt sich vor der Zielkurve daneben. Er geht vorbei, Hamilton nutzt aber den Schwung und kontert auf der Zielgeraden. Alonso ist dadurch nun dran.
Runde 16: Massa presst sich in der NGK-Schikane an Vettel vorbei, Webber kommt dahinter ran und zieht gleich mit, weil Vettel an die Box abbiegt.
Runde 17: Hamilton und Alonso gleichzeitig an der Box, Hamilton bleibt vorne. Beide kommen neben Massa und Webber zurück auf die Strecke, genau in dem Moment greift Webber Massa an. Es wird ganz eng, Webber steckt gegen Massa zurück, ist an der Box aber an Hamilton vorbeigegangen.
Runde 24: Schumacher dreht sich an der Vettel-Stelle. Genau der gleiche Fehler, genau die gleichen Folgen. Schon kurios, dass es ausgerechnet die beiden deutschen Aushängeschilder erwischt. Schumacher verliert zwei Plätze gegen Sutil und Button.
Runde 31: Hamilton stoppt eine Runde nach Webber zum zweiten Mal, kommt aber vor dem Australier raus und übernimmt hauchdünn die Führung. Die kann er auch in den ersten Kurven verteidigen.
Runde 32: Alonso kommt noch eine Runde später rein und kommt seinerseits vor Hamilton und Webber zurück auf die Strecke. Die Führung währt aber nur bis in die zweite Kurve, in der Hamilton mit den wärmeren Reifen außen an Alonso vorbeigeht. Starke Duelle um den Sieg!
Runde 35: Button klebt im Heck von Rosberg. Der Mercedes-Pilot bremst vor der ersten Kurve zu spät und rutscht nach außen. Button ist durch und damit Sechster.
Runde 36: Nur eine Runde später muss Button mit einem Hydraulikproblem aufgeben.
Runde 57: Nach der Runde der letzten Boxenstopps ist Hamilton deutlich vorne, weil er auf den Medium-Reifen klar die schnellsten Zeiten fahren konnte. Hinter ihm bleibt Alonso vor Webber.
Runde 60: Auf den allerletzten Drücker kommen Massa und Vettel zum notwendigen letzten Boxenstopp rein. Red Bull arbeitet einen Tick schneller und hievt Vettel damit noch auf Rang vier nach vorne.
Ziel: Hamilton gewinnt deutlich vor Alonso und Webber. Vettel rettet Rang vier ins Ziel. Sutil ist hervorragender Sechster vor Rosberg und Schumacher in den beiden Mercedes.
Mann des Rennens: Lewis Hamilton. Der verdiente Sieger des Deutschland-GP. Er hat gegen Webber und gegen Alonso entscheidende Überholmanöver im Kampf um die Spitze gezeigt und war vor allem am Ende auf den härteren Reifen klar der schnellste Mann auf der Strecke. Den Weg zu diesem Sieg hat er sich zudem durch seine perfekte Quali-Runde und den großartigen Start geebnet. Eine Wiederauferstehung des zuletzt so sehr gescholtenen Engländers.
Flop des Rennens: Sebastian Vettel. Ausgerechnet beim Heim-GP lief für ihn nicht viel zusammen. Sein Fehler, der zum Dreher geführt hat, ist anno 2011 sehr ungewöhnlich. Dazu kam aber, dass Vettel nie den Speed hatte, um mit der Spitze mithalten zu können. Gegen Webber, Alonso und Hamilton war er jederzeit chancenlos. Daran mögen auch seine zwischenzeitlichen Bremsprobleme eine Teilschuld gehabt haben. Immerhin gut, dass Vettel noch 12 WM-Punkte ins Ziel gebracht hat.
Manöver des Rennens: Webber vs. Hamilton in Runde 13. Es hat eine Menge großartige Manöver gegeben, die es in diese Rubrik hätten schaffen können, aber wir haben uns für das Doppel-Manöver um die Führung entschieden. Nach dem Heidfeld-Crash werden in der NGK-Schikane Gelbe Flaggen geschwenkt. Deswegen geht Hamilton etwas mehr vom Gas als Webber dahinter. Der nutzt das aus und setzt sich in der Zielkurve daneben. Webber führt auf der Zielgeraden, aber Hamilton hat mehr Schwung und kontert. Webber drängt ihn fast bis an die Boxenmauer, aber Hamilton lässt sich davon nicht abhalten. Er geht wieder vorbei auf Platz eins.
Analyse: Ein großartiger Deutschland-GP - auch ohne Regen. Auffällig war, dass die meisten der zahlreichen Überholmanöver nicht am Ende der DRS-Zone stattfanden, sondern Ende der Zielgeraden. Ein Nachweis, dass die Action auf der Strecke in diesem Jahr eher mit den Reifen als mit dem verstellbaren Heckflügel zu tun hat.
Leider hatte das starke Rennen kein deutsches Happy-End. Vettel stand zum ersten Mal in dieser Saison nicht auf dem Podium. Das wird ihn gerade vor den eigenen Fans sehr ärgern, aber er hatte im Titelrennen noch Glück im Unglück.
Da Hamilton vor Alonso und Webber ins Ziel gekommen ist, haben die direkten Verfolger nicht voll gepunktet. Somit verringert sich sein Vorsprung auf Webber nur unwesentlich. So glimpflich dürfen die schwachen Saisonrennen gerne ausgehen.
Eine grandiose Vorstellung hat Sutil abgeliefert. Seine Zweistopp-Strategie hat ihn vor beide Silberpfeile gespült. Mercedes stagniert im Rennspeed nach wie vor.