Sebastian Vettel hat jetzt schon geschafft, was für sein großes Vorbild Michael Schumacher wohl ewig ein Traum bleiben wird. Er ist beliebt - in England! Kein Witz, die Briten können den "Kraut" mit der blonden Mähne ziemlich gut leiden.
Natürlich nicht ganz so gut wie ihre Helden Lewis Hamilton und Jenson Button - besonders sein Vettel-Finger nach Erfolgen missfällt ihnen -, aber sie können sich mit seiner Art identifizieren. Vettel ist ehrlich, bescheiden, mag den britischen Humor a la Monty Python und liebt die Beatles. Was will man als Engländer mehr?
Das Zeug zum globalen Sympathieträger
Vettel hat das Zeug zum globalen Sympathieträger, obwohl - oder gerade weil - er es nicht darauf anlegt, der große Star der Massen zu sein. Ein Sport-Idol, gar eine Ikone? Der Gedanke ist ihm zuwider. "Es ist wichtig, sich selbst treu zu bleiben", lautet das Credo des seit kurzem 24-Jährigen, dessen Gedankenspiele manchmal so tiefgründig wirken, dass man ihn eher auf 48 Jahre schätzen würde.
Bestes Beispiel dafür ist ausgerechnet das, was er über das Erwachsenwerden sagt: "Ich mag es nicht, wenn man mir sagt, ich sei zu erwachsen. Der Bergriff hat für mich einen negativen Beigeschmack. Er bedeutet, dass man das Kind in sich verdrängt hat, die Verspieltheit, von mir aus auch die dazugehörige Fantasie. Das alles sollte man nicht verlieren bis zu seinem Lebensende."
Worte eines Testosteron-schwangeren PS-Protzes, der nur Benzin im Blut und Vollgas im Kopf hat? Eher nicht. "Ich bin ein ganz normaler Typ, der im Moment nichts lieber macht, als mit einem Formel-1-Auto Rennen zu fahren", sagt Vettel.
Kaum jemand kennt seine Freundin
Unnormal normal könnte man ihn nennen, denn es sind schon viele Sportler daran gescheitert, mit dem plötzlichen Ruhm nach einem großen Triumph wie dem WM-Titel in der Formel 1 fertig zu werden.
Dabei mag ihm helfen, dass ihm im Gegensatz zu einigen seiner Kollegen der Hang zum Glamour völlig fehlt. Popstar- oder Model-Freundin? Nein. Seit sechs Jahren ist er mit Jugendfreundin Hanna Sprater liiert.
Kaum jemand im Formel-1-Zirkus kennt sie, weil sie nie mit zu den Rennen kommt. "Andere nehmen ihre Frauen doch auch nicht mit ins Büro", argumentiert Vettel in seiner typisch verschmitzten Art. Als es Paparazzi einmal geschafft hatten, Hanna im Urlaub heimlich im Bikini zu fotografieren, ließ er die Veröffentlichung der Fotos verbieten.
Vettel: "Kein großer Fan von Homestorys"
Das Privatleben ist Vettel heilig. Über Hanna weiß man nicht viel mehr, als dass sie in Deutschland studiert und Vettel so oft es geht in dessen Haus in der Schweiz besucht. Homestory mit den beiden? Keine Chance.
Der Weltmeister wagt sich damit an den Spagat, sich abzuschotten, ohne unnahbar zu sein. Er erklärt: "Es gibt zwei Seiten: Die Auftritte in der Öffentlichkeit, die zu meinem Job gehören und die ich gerne mache und akzeptiere. Auf der anderen Seite gibt es mein Privatleben, das ich lieber mit meiner Familie und meinen Freunden verbringen will. Ich bin kein großer Fan von Homestorys."
Sponsorensuche mit Papa Norbert
Vettels Einstellung kommt nicht von ungefähr. Wer seinen Vater Norbert beobachtet, wenn er an der Strecke ist, dem springt auch dessen Bescheidenheit förmlich entgegen. "Verbiege losse ma uns net", hat er mal in seinem Heppenheimer Dialekt gesagt. Diesen Dialekt beherrscht übrigens auch Sebastian.
Das Vettel-Duo war schon früh unterwegs, um die Karriere im Motorsport voranzutreiben. Im Alter von gerade mal neun Jahren sprach Sebastian auf der Essen Motorshow potenzielle Sponsoren an, die ihm die Weiterführung seiner Karriere ermöglichen könnten.
Er fand den Heppenheimer Felgenhersteller AZEV, seinen ersten Geldgeber. Für 10.000 Mark leistete sich das Vettel-Team damals einen Anhänger für das Kart. "Mann, was waren wir stolz", erinnert sich Norbert Vettel. Er kommt zusammen mit seiner Frau Heike, Melanie, Stefanie und Fabian, den drei Geschwistern von Sebastian, häufiger zu Rennen und gilt als gute Seele im Red-Bull-Motorhome.
"Ich gebe kein Geld für Unfug aus"
Die Familie um sich zu haben, ist Sebastian Vettel extrem wichtig. Zu Freunden kann er sehr gut Kontakt via Telefon und Internet halten, aber zu Eltern und Geschwistern? "Zeit für mich, für Familie oder Freunde. Freizeit ist Luxus", sagt Vettel.
Dabei kann er sonst mit Luxus nicht viel anfangen. "Ich gebe kein Geld für Unfug aus. Ich brauche keine Yacht, nur weil ich jetzt Formel-1-Weltmeister bin", sagt Vettel. Aber über einen Privatjet denkt er nach, denn "der Faktor Zeitersparnis spielt irgendwann eine Rolle".
Er hat seine eigene Definition vom süßen Leben eines Stars: "Viele stellen sich vor, boah, der ist das ganze Jahr unterwegs, sieht viel und wohnt in den feinsten Hotels. Dabei ist es das Schönste für mich, zu Hause zu sein, im eigenen Bett zu schlafen und vorher auf dem Sofa eine DVD zu gucken."
Beatles statt Beyonce
Für Filme gebe er viel Geld aus, gibt er immerhin zu. "Forrest Gump" und "Das Leben ist schön" sind seine Favoriten. Und er kauft Schallplatten. Aus Vinyl, versteht sich. Andere 24-Jährige wissen überhaupt nicht mehr, was Vinyl ist. Sie hören Rihanna oder Beyonce. Vettel kann fast alle Beatles-Songs auswendig mitsingen.
Seine Meinung zu den "Fab Four": "McCartney war mehr der Beatle fürs Kommerzielle, die Hitfabrik. John Lennon aber hatte eine Botschaft. Er hat Millionen von Menschen beeinflusst. Auch heute noch." Klar, dass Vettel Lennon-Fan ist.
Ebenso wie Jochen Rindt-Fan übrigens. Mit der 1970 verunglückten österreichischen Formel-1-Legende würde er am liebsten Mal fahren, sagt er. Vettel ist eben ein Anhänger des Vergangenen.
Vettel: "Manchmal muss man ein Drecksack sein"
Außer in seinem Red-Bull-Cockpit. Dort kann es ihm gar nicht fortschrittlich und rasant genug sein. Dort flippt er auch einmal aus, wenn etwas nicht funktioniert und liefert sich Duelle bis hin zum Crash.
"Wenn man anfängt, Geschenke zu verteilen, ist man ein guter Weihnachtsmann, aber kein guter Rennfahrer", sagt der andere Vettel, der mit herunter geklapptem Visier. "Manchmal muss man ein Drecksack sein."
Als dieser Drecksack ist der nette Kerl aus Heppenheim aber nicht geboren worden, sondern: "Ich musste mir das hart erarbeiten."