Am Sonntag fällt der Hammer. Ab dann wird in den Fabriken der Formel-1-Teams die Entwicklung stillstehen. Für zwei Wochen kein Schrauben, keine Produktion von Teilen, keine Simulationen. Nicht einmal E-Mail-Verkehr unter den Ingenieuren ist gestattet.
So haben es die Teams in einem freiwilligen Abkommen festgelegt. Einem Gentlemen's Agreement also, dessen Einhaltung auf gegenseitigem Vertrauen beruht. "Es gibt keinen Kontrollmechanismus. Wenn jemand an einem Computer arbeiten möchte, dann können wir nichts dagegen tun", gesteht Mercedes-Teamchef Ross Brawn ein. Aber: "Es gibt in dieser Beziehung eine sehr große Disziplin, eine umfassende Solidarität."
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Mag sein. Trotzdem wird niemand in Reihen der Top-Teams, die um Siege und WM-Titel kämpfen, so naiv sein, sich wirklich zwei Wochen lang keine Gedanken über Weiterentwicklungen der Autos zu machen. Und sei es irgendwo in einem Strandhaus oder an einem Hotel-Pool. Ein Laptop funktioniert immer und überall.
Vettel kann Niederlagen "nicht akzeptieren"
Schließlich wollen Red Bull, McLaren und Ferrari schon beim Rennen in Spa Ende August mit runderneuerten Autos am Start stehen, die das Kräfteverhältnis für die letzten acht Rennen vorgeben.
Dort hat sich in den vergangenen Wochen eine ganze Menge getan. Red Bull ist im Qualifying zwar immer noch ungeschlagen, aber im Juli hatten Sebastian Vettel und Mark Webber in keinem einzigen Rennen das schnellste Auto.
Ferrari und McLaren sind mindestens auf Augenhöhe, vielleicht sogar schon vorbeigezogen. "Red Bull sollte sich wirklich Sorgen machen", betonte Jenson Button nach seinem Sieg in Ungarn. "Wir haben jetzt drei der letzten fünf Rennen gewonnen. Es sieht also ziemlich gut für uns aus."
Vettel sagte nach seinem zweiten Platz in Ungarn: "Ich mache mir zwar keine Sorgen, aber ich kann nicht akzeptieren, dass McLaren und Ferrari in den Rennen schneller sind als wir."
Konkurrenten kopieren Red Bull
Angesichts von 85 Punkten Vorsprung in der Fahrerwertung sieht Vettel den vielleicht wichtigsten Grund, warum die Gegner so rasant auf Red Bull aufgeholt haben, noch relativ gelassen. "Wenn ich mich im Parc Ferme so umsehe, kommen mir einige Sachen sehr bekannt vor, die ich bei den anderen Autos sehe", zitiert "Spiegel online" Vettel.
Die Rede ist von mehr oder weniger gelungenen Kopien des Red Bull RB7. Den flachen Auspuff hat mittlerweile ein ganzes Teil Teams adaptiert. Aber vor allem Ferrari und Force India haben nach "Spiegel online"-Informationen das komplette angehobene Heck, das vor allem in schnellen Kurven den Anpressdruck erhöht und dadurch den Red Bull schon seit Jahren so schnell macht, übernommen.
Ferrari: Rasanter Aufschwung seit Valencia
Der Ferrari zum Beispiel wurde im Laufe mehrerer kostspieliger Entwicklungsschritte in den Bereichen Unterboden, Auspuff, Flügel und Motorabdeckung sukzessive an den Red Bull angenähert, bis er in Silverstone in Sachen Abtrieb auf einem vergleichbaren Level war. Prompt hat dort Fernando Alonso gewonnen, wenn auch unter widrigen und damit nicht repräsentativen Bedingungen.
Der rasante Aufwärtstrend der Scuderia seit Valencia war trotzdem zu diesem Zeitpunkt schon offensichtlich. In der Zeit zwischen Valencia und Ungarn hat Alonso mit 76 die meisten WM-Punkte geholt. Drei mehr sogar als Vettel.
"Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir nach der Sommerpause alle Chancen auf einige erfreuliche Ergebnisse haben werden", sagte Teamchef Stefano Domenicali. "Ohne Vettel wäre die WM sehr offen, aber solange der Titel mathematisch noch möglich ist, werden wir weiterkämpfen."
McLaren mit bestem angeblasenen Diffusor
Genauso wie McLaren, für die Button nun nach eigener Aussage "Vettel in jedem Rennen schlagen" will. Die Engländer haben in Sachen angeblasener Diffusor die größten Fortschritte gemacht und dort Red Bull überholt. Wohl auch deshalb traf das Team das zwischenzeitliche Verbot des Systems in Silverstone am härtesten.
"McLaren hat da den größten Sprung gemacht", sagte Red-Bull-Teamchef Christian Horner. "Dort haben wir aber auch noch Potenzial nach oben."
Red Bull in Spa drei Zehntel pro Runde schneller
Was er damit meint: Red Bull arbeitet in den letzten verbleibenden Tagen bis zum Beginn der Sommerpause mit Hochdruck an einem neuen Unterboden und einem neuen Diffusor. Diese Verbesserungen sollen angeblich bis zu drei Zehntelsekunden pro Runde bringen."Weil ich weiß, was wir noch alles in der Hinterhand haben, bin ich mit Blick auf die nähere Zukunft optimistisch", orakelte Vettel in Ungarn und machte deutlich: "Durch das schnelle Aufholen von McLaren und Ferrari sind bei uns alle wieder gewarnt."
Das gilt garantiert vor allem für Technikchef Adrian Newey. Er wird mit Sicherheit kaum einen Urlaubstag ohne Laptop oder Zeichenbrett verbringen.
Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM