Das war es dann wohl endgültig. Sebastian Vettel steht nach seinem überlegenen Sieg beim Italien-GP unmittelbar vor der Titelverteidigung. Da Teamkollege Mark Webber nach einem Crash mit Felipe Massa für den ersten Red-Bull-Ausfall der Saison sorgte, kann Vettel rechnerisch schon in zwei Wochen in Singapur zum zweiten Mal Weltmeister werden.
Sein achter Saisonsieg bringt ihm einen Punktestand von 284 Zählern ein. Zweiter ist nun Fernando Alonso mit 112 Punkten Rückstand (172 Zähler). Webber ist punktgleich mit Jenson Button nur noch Dritter (167 Zähler).
Vettel: "Wir haben sie weggeblasen"
"Wir haben sie weggeblasen", jubelte Vettel beim Überqueren der Ziellinie. Auf der Strecke, die Red Bull nie lag und auf der das Team noch nie auf dem Podium stand, gab der Deutsche dem Zweiten Button zwischenzeitlich mehr als 16 Sekunden mit.
Nach schwachem Start fuhr Vettel auf die Siegerstraße, indem er Fernando Alonso im Kampf um die Führung in einem spektakulären Manöver auf der Wiese überholte. "Viel Raum hat mir Fernando nicht gelassen. Keine Ahnung, ob er wusste, dass ich neben ihm bin. Aber es hat gerade so gereicht", sagte Vettel mit einem Schmunzeln.
Vettel mit Tränen auf dem Podium
Auf dem Podium waren Vettel an der Stätte, an der er 2008 sein erstes Rennen im Toro Rosso gewann, noch die Tränen gekommen. "Ich bin hin und weg. Das ist absolut überragend. Die Gefühle, die in einem nach der Zieldurchfahrt hoch kommen, all die Erinnerungen an meinen ersten Sieg hier 2008, all das ist etwas ganz Besonderes", sagte Vettel. "Das ist ein ganz großer Tag für das gesamte Team."
Alonso erkannte seine Niederlage an, freute sich aber auch über Platz drei beim Ferrari-Heimspiel: "Das ganze Team stand hier in Monza unter großem Druck. Aber ich denke, mit dem Podestplatz haben wir das Beste herausgeholt. Mein Start war natürlich optimal, aber ich wusste, dass ich nicht schnell genug sein würde, um Sebastian lange hinter mir zu halten."
Spektakuläres Rennen von Schumacher
Ebenfalls ein spektakuläres Rennen fuhr Michael Schumacher. Er hielt in einem sehenswerten Zweikampf Lewis Hamilton das halbe Rennen lang hinter sich und wurde letztlich hinter Button, Alonso und Hamilton Fünfter.
"Genau so werden Rennen gefahren. Das war ein Lehrstück, wie man sich verteidigt. Ich habe die ganze Zeit über gestanden", jubelte Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug. Schumacher sagte: "Ihn so lange hinter mir zu halten, das war mehr, als man erwarten kann. Ich habe die Regeln und meine Mittel zum Maximum genutzt und mich breit gemacht wie ein LKW - und das hat bis zu dem Punkt gereicht."
Rosberg nach Startcrash früh draußen
Nico Rosberg konnte leider nicht zeigen, ob seine Strategie, mit den härteren Reifen zu starten, aufgegangen wäre. Er schied schon in der ersten Schikane aus, als Vitantonio Liuzzi auf der Wiese herangerutscht kam und ihn und Witali Petrow abräumte. Der heftige Crash hatte eine Safety-Car-Phase zur Folge.
"Das war Pech und frustrierend, denn seine Strategie wäre heute ganz interessant gewesen. Er hatte einen sauberen Start, war in einer guten Position, aber dann ist er von der Seite gerammt worden - dafür konnte er nichts. Schade", sagte Teamchef Ross Brawn.
Schlüsselszenen des Rennens:
Start: Schlechter Start für Vettel. Am besten kommt Alonso weg. Vettel, Hamilton und Alonso rasen nebeneinander auf die erste Schikane zu - und der Spanier setzt sich durch. Die Tifosi toben, ein Ferrari liegt in Führung. Schumacher kommt überragend weg und liegt auf Rang vier hinter Hamilton.
Runde 1: Heftiger Crash in der ersten Schikane! Im Hinterfeld geraten beide HRT aneinander, Liuzzi rutscht auf die Wiese und ist ab diesem Moment nur noch Passagier. Er segelt auf die erste Schikane zu und räumt wie beim Kegeln Rosberg und Petrow ab. Barrichello rauscht ebenfalls noch in den Pulk herein - Massenkarambolage! Das Safety-Car kommt raus.
Runde 4: Hamilton verpennt den Restart und hat Schumacher im Nacken. Der nutzt den überragenden Topspeed seines Mercedes und geht vorbei auf Rang drei.
Runde 5: Führungswechsel! Sensationelles Manöver von Vettel: Er nutzt den besseren Grip seines Red Bull und geht in der Curva Grande außen und mit zwei Rädern auf der Wiese an Alonso vorbei. Danach kann sich Vettel sofort deutlich absetzen. Weiter hinten kollidiert Webber mit Massa in der ersten Schikane. Ein normaler Rennunfall, bei dem Massa einige Plätze, Webber aber den Frontflügel verliert. Der schiebt sich wenig später unter das Auto und sorgt dafür, dass Webber geradeaus in die Reifenstapel rutscht. Der WM-Zweite ist raus, der erste Ausfall eines Red Bull in der ganzen Saison!
Runde 13: Der Höhepunkt eines unfassbaren Duells zwischen Schumacher und Hamilton. Nach rundenlangem Druck muss Schumacher den McLaren auf der Zielgeraden passieren lassen. Doch direkt danach macht er es wie Vettel mit Alonso und geht in der Curva Grande außen wieder vorbei. Das Duell geht also weiter.
Runde 16: Hamilton greift Schumacher in der Curva Grande innen an, doch der macht die Tür zu. Hamilton kommt mit zwei Rädern auf die Wiese und verliert Schwung. Das nutzt Button, der mittlerweile aufgeschlossen hat, und geht am Teamkollegen vorbei. Im Gegensatz zu Hamilton macht Button in der Ascari-Schikane mit Schumacher kurzen Prozess und geht außen vorbei auf Rang drei.
Runde 28: Der Kampf zwischen Schumacher und Hamilton ist vorbei. Schumacher gibt nach mehrmaliger Warnung, Hamilton bei seinen Angriffen genügend Platz zu lassen, vor der Ascari-Schikane nach und lässt nun auch den zweiten McLaren ziehen. Anderenfalls hätte ihm womöglich eine Strafe gedroht.
Runde 36: Button ist schon seit einigen Runden an Alonso dran und geht vorbei. Damit ist er erster Verfolger von Vettel. Chance hat er gegen den Weltmeister aber keine. Er liegt mehr als 15 Sekunden zurück.
Ziel: Das Rennen ist vorbei. Vettel gewinnt in Monza haushoch und demoralisiert damit die Konkurrenz. Button wird Zweiter, Alonso rettet beim Ferrari-Heimspiel den dritten Podestplatz vor dem heranstürmenden Hamilton ins Ziel. Schumacher wird nach tollem Rennen Fünfter.
Mann des Rennens: Michael Schumacher. Je länger die Saison dauert, desto besser kommt der Altmeister in Schwung. Sein Start war fast schon gewohnt sensationell, aber das war nicht die Geschichte seines Rennens. Er hat Hamilton 28 Runden lang mit seiner herausragenden, aber auch knallharten Verteidigung zum Wahnsinn getrieben und für eine unglaublich kurzweilige erste Rennhälfte gesorgt. Aber auch als die McLaren dann weg waren, war er noch sehr stark unterwegs. Die Rundenzeiten haben gestimmt.
Flop des Rennens: Rosberg-Aus beim Startcrash. Ganz bitter. Es wäre sehr, sehr spannend gewesen zu sehen, ob Rosbergs Taktik mit dem Start auf den härteren Reifen aufgegangen wäre. Wenn man sieht, welchen Speed Schumacher aus dem Mercedes herausgeholt hat, und gleichzeitig an Perez beobachten konnte, wie lange die Medium-Reifen im ersten Stint gehalten haben, nämlich locker 30 Runden, dann kann man sich vorstellen, dass er eventuell in Podest-Reichweite hätte kommen können.
Manöver des Rennens: Duell zwischen Schumacher und Hamilton. Es war kein einzelnes Manöver zwischen den beiden, das begeistert hat, es war die komplette erste Rennhälfte. Offensichtlich war bei Hamilton der siebte Gang zu kurz übersetzt. Deshalb kam er auf der Zielgeraden nie am Mercedes vorbei. Er stieß jedes Mal an den Drehzahlbegrenzer. Als er es einmal doch geschafft hatte, konterte Schumacher außen herum in der Curva Grande, der Stelle, an der der Mercedes das ganze Wochenende über unfassbar schnell war. Gegen Ende wurde das Duell so hart und Schumacher machte sich so breit, dass eine Strafe drohte und Ross Brawn persönlich seinen Fahrer zur Besonnenheit mahnte. Kurz darauf ließ Schumacher Hamilton ziehen.
Analyse: Nach dieser Demonstration von Vettel könnten alle Gegner im Prinzip ihre Autos in die Garagen stellen und sie nie wieder herausholen. Wenn es noch eines Nachweises bedurft hat, dass es 2011 nur einen Weltmeister geben darf, dann war es diese Siegesfahrt.
Wenn Red Bull in Spa und in Monza das stärkste Auto hat, dann drohen McLaren und Ferrari in dieser Saison aller Voraussicht nach noch weitere dominante Vorstellungen von Vettel. Man denke nur an Suzuka, Abu Dhabi oder Brasilien. Vettel kann sich nun, da er den Titel so gut wie in der Tasche hat, schon mal Gedanken um eine Rekord-Saison machen.
Für die Verfolger McLaren und Ferrari geht es nur noch um die goldene Ananas. Im Kampf um die zweite Kraft scheint McLaren die Nase vorne zu haben.
Je länger die Saison dauert, desto besser wird Michael Schumacher. Er macht die Fehler, die er in der ersten Hälfte gemacht hat, nun nicht mehr und lässt immer wieder seine fahrerische Klasse aufblitzen. Seine Motivation ist vollkommen intakt.