SPOX: Herr Rosberg, was haben Sie eigentlich am Sonntagabend nach dem Japan-GP gemacht?
Nico Rosberg: (überlegt kurz) Da bin ich nach Kyoto gefahren, in die Kulturhauptstadt Japans. Ein bisschen Sightseeing machen.
SPOX: Sie hätten auch mit ihrem Teamkollegen Michael Schumacher auf die WM-Party von Sebastian Vettel gehen können - mit Karaoke und allem drum und dran.
Rosberg: (lacht) Nein, auf keinen Fall.
SPOX: Weil Sie mit Vettel nicht viel zu tun haben oder weil Sie kein Karaoke mögen?
Rosberg: Sebastian und ich haben ein ganz normales Verhältnis und er hat den WM-Titel auf jeden Fall verdient. Aber viel miteinander zu tun haben wir in der Tat nicht.
SPOX: Und Karaoke?
Rosberg: Doch, ich mag das. Wir haben in Kyoto auch Karaoke gemacht. Das muss schon mal sein, wenn man in Japan ist.
SPOX: Was für Songs haben Sie denn gesungen?
Rosberg: "Where the Streets have no Name" von U2. Und noch ein paar andere. Das macht höllisch Spaß.
SPOX: Gute Wahl! Dabei haben Sie doch mit Musik gar nicht so viel am Hut, oder doch?
Rosberg: Ich investiere nicht so viel Zeit in Musik wie andere. Aber wenn Musik läuft, finde ich das auch cool.
SPOX: Ihre Saison mit Mercedes-GP kann man wohl kaum als cool bezeichnen.
Rosberg: Das stimmt. Die ganze Saison war für uns ernüchternd.
SPOX: Ihre Enttäuschendste bisher, wenn man bedenkt, mit welchen Erwartungen sie begonnen hat?
Rosberg: Nein, das würde ich auf keinen Fall sagen. Denn ich befinde mich mit dem Team ja trotzdem in einem tollen Prozess. Es ist ein tolles Projekt, als wichtiger Baustein das Team des Silberpfeils in Richtung Siege führen zu können. Das ist nicht enttäuschend, es dauert eben nur länger als gedacht.
SPOX: Waren Sie vor der Saison zu optimistisch?
Rosberg: Ich gehe immer sehr optimistisch in eine Saison rein und bin überzeugt von dem, was wir als Team im Winter auf die Beine gestellt haben. Das hat in diesem Jahr nicht geklappt. Klar kann man im Nachhinein sagen, dass wir zu optimistisch waren, aber es ist ja trotzdem eine gute Einstellung, solange man akzeptieren kann, wenn es nicht so kommt.
SPOX: Birgt dieser Optimismus nicht die Gefahr, bei Misserfolg in ein Loch zu fallen?
Rosberg: Nein, überhaupt nicht. Letztendlich bin ich ja zufrieden mit meiner Leistung. Das ist auch wichtig.
SPOX: Wann haben Sie gemerkt, dass Sie als Team 2011 nicht so weit sind wie erhofft?
Rosberg: Es war ein Auf und Ab. Zu Beginn der Wintertests sah es ganz schlecht aus, gegen Ende dafür dann richtig gut. Die ersten Rennen waren dann wieder weniger gut, bis ich in China sogar geführt habe. Das Auto hatte Potenzial, aber es ging ständig hin und her.
SPOX: Unter dem Strich waren die Ergebnisse aber für die Ansprüche von Mercedes zu wenig.
Rosberg: Wir haben gemerkt, dass das Team, so wie es dastand, noch nicht stark genug war, die Weltmeisterschaft zu gewinnen. Anfang des Jahres war klar, dass wir etwas machen müssen. Danach war es schön zu beobachten, was das Team alles ins Rollen gebracht hat. Die Message ist klar: Es wird sehr, sehr viel getan, um den WM-Titel zu gewinnen.
SPOX: Dabei helfen sollen Aldo Costa, der von Ferrari kommt, und Geoff Willis, der mit Honda und Red Bull Erfolge gefeiert hat. Wann soll es mit dem Titel soweit sein?
Rosberg: Ich möchte mich ehrlich gesagt nicht auf eine Zielsetzung festlegen. Wichtig ist, dass es nach vorne geht. Ich bin davon überzeugt, dass wir 2012 Fortschritte machen werden.
SPOX: Ende 2012 läuft Ihr aktueller Vertrag aus. Werden Sie verlängern?
Rosberg: Über den Stand der Verhandlungen kann ich nichts sagen. Aber wir haben schon darüber gesprochen, über 2012 hinaus miteinander zu arbeiten.
SPOX: Sie haben seit kurzem einen eigenen PR-Berater, Sie betreiben Ihr eigenes Video-Blog. Emanzipieren Sie sich gerade von Ihrem Arbeitgeber?
Rosberg: So würde ich das nicht sagen. Ich bin mit meinem Standing im Team auf jeden Fall zufrieden. Michael und ich sind komplett gleichberechtigt. Den PR-Berater habe ich engagiert, um mich selbst zu entlasten. Denn davor habe ich viel selbst gemacht, jetzt habe ich mehr Zeit, mich auf den Sport zu konzentrieren.
SPOX: Mussten Sie sich zu Beginn von Michael Schumacher emanzipieren, als er ins Team kam? Immerhin hat er die Aura eines Rekord-Weltmeisters.
Rosberg: Natürlich. Das war damals eine völlig neue Situation für mich. Daran musste ich mich erst einmal gewöhnen. Aber ich muss im Nachhinein sagen, dass das bei mir sehr schnell ging. Ich habe mich innerhalb kurzer Zeit im Team wohl gefühlt und auch die ersten Erfolge kamen sehr schnell.
SPOX: Solange Schumacher da ist, werden Sie nie der unumstrittene Leader im Team sein. Trotzdem haben Sie sich dafür ausgesprochen, dass er seinen Vertrag noch einmal verlängert.
Rosberg: Mercedes gibt mir die Möglichkeit, das Team mit anzuführen. In dieser Position fühle ich mich wohl. Es ist eine große Herausforderung, gegen Michael zu fahren, und wir arbeiten gut zusammen. Die Frage nach dem alleinigen Leader stellt sich für mich im Moment nicht. Das kann gerne so weitergehen wie bisher.
SPOX: Ist es gegen Schumacher für Sie 2011 enger als 2010?
Rosberg: Ich glaube, mein Vorsprung in der WM war 2010 eher den Umständen geschuldet. 2011 ist es von den Punkten her zwar enger, aber es war auch 2010 schon schwer, Michael zu schlagen. Und das wird es auch immer bleiben.
SPOX: Wie geht Mercedes mit Ihrer meistens sehr offenen und ehrlichen Kritik um?
Rosberg: Mercedes würde mir nie verbieten, in Interviews irgendwas Kritisches zu sagen. Ich arbeite sehr eng mit dem Team zusammen und, wenn es mal nicht so läuft, ist es mir wichtig, die Wahrheit rüberzubringen und authentisch zu bleiben. Wir sind ein Team und wir pushen uns gegenseitig - ich bin offen für Kritik und mein Team ist das auch, aber wir kritisieren uns immer konstruktiv. Denn nur so geht es nach vorne.
SPOX: Sie hatten mal einen Plan, wann Sie in Ihrer Karriere was erreichen wollen. Wie weit hinken Sie dem hinterher?
Rosberg: (lacht) Wie weit hinke ich dem denn hinterher? Nun ja, ich dachte natürlich schon, dass es mit den ersten Rennsiegen schneller gehen würde. Aber an diesen Plan denke ich eigentlich gar nicht. Ich akzeptiere, wie es jetzt ist, und bleibe gelassen. Ich glaube fest daran und bin mir sehr sicher, dass der Tag kommen wird, an dem auch ich einmal das richtige Auto habe.
Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM