Damit beendete der 32-Jährige das langjährige Dogma von Ferrari. Seit Michael Schumacher sich 1996 den Italienern anschloss, gab es stets einen Piloten für die Fahrer-WM und einen Helfer, der ihm die Konkurrenz vom Leib hielt und nebenbei Punkte für die Konstrukteurswertung sammelte. Eigentlich sollten erst 2014 mit Räikkönen und Alonso zwei gleichrangige Fahrer in Rot gegeneinander fahren, Massa hat die teaminterne Hackordnung nun aber verfrüht aufgehoben.
Für den Brasilianer geht es aktuell um seine Zukunft. Die Karriere stockte spätestens seit seinem schweren Unfall in Ungarn 2009, als ihn eine Feder im Gesicht traf und Massa danach ein halbes Jahr aussetzen musste. Nach eigenem Bekunden verhandelt der Vizeweltmeister von 2008 derzeit mit Lotus und McLaren. Um eines der Cockpits zu bekommen, muss er aber beweisen, dass er mehr als die Nummer zwei hinter einem Toppiloten ist.
Dabei könnte Singapur ihm helfen. Massa lieferte bei seinen fünf Starts auf dem 5,065 Kilometer langen Marina-Bay-Street-Circuit zweimal eine Glanzleistung ab. Sowohl 2010 als auch 2012 kämpfte er sich vom Ende des Feldes auf Platz acht und zeigte damit, dass Überholmanöver in Singapur möglich sind, auch wenn die Strecke ein Stadtkurs ist.
Di Montezemolo pfeift Massa zurück
Für Ferrari sind die neuentdeckten Sieggelüste von Massa dagegen unerwünscht. "Es heißt, er wird Fernando nicht helfen?", fragte Scuderia-Präsident Luca di Montezemolo die "Gazzetta dello Sport" verwundert und schob den Ambitionen einen Riegel vor: "Er wird das definitiv tun und uns dabei helfen, dass wir die Konstrukteurs-WM holen und Fernando die Fahrer-WM gewinnt."
Zwar hat Ferrari beim Heimrennen in Monza Platz zwei bei den Herstellern von Mercedes zurückerobert, 103 Punkte fehlen aktuell aber auf Red Bull. Die Silberpfeile geben sich trotz der Verlagerung des Entwicklungsschwerpunkts auf das Auto für 2014 unterdessen selbstbewusst, den Vizetitel noch zu holen.
Fährt Mercedes wieder um den Sieg?
"Ich glaube, wir haben ein sehr, sehr schnelles Auto", erklärte Nico Rosberg: "Wir fahren wieder mit viel Abtrieb. Mit dem Paket hat Lewis in Ungarn gewonnen. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir an diesem Wochenende wieder sehr schnell sein werden." Zudem spielt Mercedes die Stärke bei der Traktion aus langsamen Kurven in die Karten.
Besonders Teamkollege Lewis Hamilton hat beste Erinnerungen an das Nachtrennen, bei dem die Piloten die Zeitverschiebung nicht mitmachen und weiter in europäischem Schlafrhythmus leben - trotz sechs Stunden Zeitverschiebung. Der Engländer gewann 2009 von der Pole Position, wurde aber nur Fünfter in der WM.
In diesem Jahr steht er als Dritter zwar besser da, Vettels einziger Konkurrent mit einer Minimalchance ist aber Alonso, den 53 Punkte vom Weltmeister trennen. Um den Titel doch noch nach Maranello zu holen, setzt der Spanier auf Fehler der Konkurrenz - am besten schon an diesem Wochenende.
Alonso: "Der Risikofaktor ist sehr hoch"
"Da es sich um einen Straßenkurs handelt, ist der Risikofaktor auf dieser Strecke sehr hoch, also besteht immer die Gefahr, einen Fehler zu machen", macht der Spanier sich Mut: "Der letzte Sektor mit den Kurven 18 und 19, wo man unter der Tribüne durchfährt, dürfte der kritischste Punkt der Strecke sein. Da kann eine kurze Konzentrationsschwäche das Rennende bedeuten."
Alonso weiß selbst am besten, wie sehr ein solcher Unfall ein ganzes Rennen durcheinanderbringen kann. Bei der Premiere in Singapur 2008 fuhr sein Renault-Teamkollege Nelson Piquet Jr. absichtlich gegen die Wand, Alonso sicherte sich durch "Crashgate" den Sieg. Doch auch ohne dieses unrühmliche Kapitel der Formel-1-Geschichte ist die Bilanz des 32-Jährigen beeindruckend: 2010 gewann er, bei fünf Starts stand er viermal auf dem Podest und wurde einmal Vierter.
Noch besser ist nur die Bilanz von Sebastian Vettel. Der Heppenheimer schlug bei seinen fünf Starts jedes Mal seinen Teamkollegen. Sogar mit dem unterlegenen Toro Rosso schaffte er 2008 einen fünften Platz. Danach verbesserte er sich von Platz vier auf Rang zwei und gewann zuletzt zweimal in Folge das Rennen.
Vettel: "Am Ende kommt es doch anders"
In der Saison 2013 steht er vor dem 13. Lauf mit 222 Punkten souverän an der Spitze der Weltmeisterschaft, der vierte Titel scheint zum Greifen nahe. "Ich schaue nicht auf Zahlen oder den Vorsprung", weist Vettel sämtliche Gedankenspiele von sich: "Ich rechne nicht nach, wo ich oder die Gegner landen müssen, was gut oder schlecht für uns ist, oder wie viele Punkte ich holen oder die anderen verlieren sollten. Letztlich sind das alles eine Million Theorien und am Ende kommt es doch anders als gedacht."
Die Erfahrung von 2010 und 2012 als er selbst im Saisonfinale Ferrari schockte und den Rückstand in zwei Titel verwandelte, hat auch beim 26-Jährigen Spuren hinterlassen. "Wir sollten nicht blauäugig in die Rennen gehen und denken, dass schon alles im Sack ist", beteuert Vettel.
Der Heppenheimer fokussiert sich nur auf die Anforderungen des anstehenden Grand Prix: "Es ist mit mehr oder weniger zwei Stunden Dauer das längste Rennen der Saison - und dazu bei Flutlicht." Wirklich fordernd wird der GP allerdings durch das Klima. Die Meteorologen prognostizieren 30 Grad am ganzen Wochenende, die Luftfeuchtigkeit ist extrem hoch. Abkühlung bietet nur Regen, der zumindest am Samstag während des Qualifyings möglich ist.
Singapore-Sling-Schikane wird einfache Kurve
Dabei muss er sich in diesem Jahr jedoch umgewöhnen. In den letzten Jahren war Turn 10 eine Dreifachschikane, die die Geschwindigkeit drastisch reduzierte. Weil die Autos durch die Kerbs oftmals in die Luft stiegen, wurde die Streckenführung in diesem Jahr verändert. Singapore Sling ist nur noch eine einfache Linkskurve und wird rund 40 Stundenkilometern schneller durchfahren. Die Rundenzeit soll allein dadurch in diesem Jahr um eine Sekunde fallen.
Durch die Änderungen könnte der bisherige Rundenrekord von Felipe Massa aus dem Jahr 2008 an diesem Wochenende fallen. Statt sich mit solchen Gedankenspielen zu beschäftigen, lässt sich Vettel übrigens lieber von der nächsten Saison ablenken. "Kimi wird sich nichts scheißen und stehen lassen", erklärte der Dreifachweltmeister am Donnerstag. Mit anderen Worten: Der Finne wird gegen Alonso bei Ferrari nicht zurückziehen. Vielleicht dient der selbstbewusste Massa dem Iceman künftig als Vorbild.
Der Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM