Der Weltmeister musste nachsitzen. Während seine Rivalen Lewis Hamilton und Fernando Alonso längst wieder in der Heimat waren und das erste Rennen des neuen F1-Jahres kaum noch erwarten können, tuckerte Sebastian Vettel auch am Montag wieder durch die Wüste. Nach den letzten und wieder ernüchternden Testfahrten vor dem Saisonauftakt in knapp zwei Wochen in Australien blieb der 26-Jährige gleich in Bahrain.
Sein kriselndes Red-Bull-Team machte offiziell ein paar Werbeaufnahmen. Denselben Trick hatte Lotus angewandt, nachdem das Team die ersten Testfahrten in Jerez verpasste. Red Bull konnte so 100 Kilometer zusätzlich abspulen. Immerhin war Vettel so am Montag einmal der Schnellste auf der Piste, nachdem am Sonntag nur die 18. schnellste Zeit auf dem Tableau gestanden hatte.
An den vier Testtagen hatte es das Weltmeisterteam mit beiden Fahrern gerade mal auf 182 Runden gebracht. Nicht einmal 1000 Kilometer schaffte Red Bull und lag damit in der Distanzwertung auf dem vorletzten Platz. Spitzenreiter Williams schaffte in derselben Zeit fast zweieinhalb Mal so viel.
Vettel fährt nur noch hinterher - wenn er fährt
Der Konkurrenz fährt der Dominator der vergangenen Jahre sonst nur noch hinterher. "Bescheiden", nannte der Seriensieger aus Heppenheim die Bilanz der Probefahrten vor dem Auftakt in Melbourne (16. März). Und in Wahrheit hatte Vettel wohl ein ganz anderes Wort mit "Sch" im Kopf.
Immer wieder kam Red Bull quer aus den Kurven, die Räder drehten beim Beschleunigen viel zu oft durch. Das Setup schien nicht mehr zum restlichen Auto zu passen, als Red Bull hektisch wurde und dauerhaft neue Teile ans Auto schraubte. Umso wichtiger dürfte der Zusatztest am Montag gewesen sein.
Red Bull steckt in der Krise, und Vettel droht "Down Under" ein Debakel. Sein Wagen schafft es ohne Probleme kaum ein paar Meter aus der Garage, immer wieder streikt die komplizierte Renault-Technik im Heck. Das Zusammenspiel des 1,6-Liter-Turbo-Motors mit den Energierückgewinnungssystemen funktioniert nicht wie gewünscht. Der französische Hersteller scheint sich verkalkuliert zu haben.
Hat sich Newey verzockt?
Eine andere Erklärung ist, dass ausgerechnet das Design-Genie Adrian Newey sich verzockt hat. Der Technische Direktor der Bullen legte die Haut des RB10 extrem eng an die neue Technik an. Immer wieder brennt es unter der Motorhaube der Autos von Vettel und seinem neuen Teamkollegen Daniel Ricciardo.
Während Mercedes und Ferrari Kilometer um Kilometer abspulen, schleicht Red Bull förmlich um die Kurven. Teilweise scheint die komplizierte Technik komplett auszusetzen. Wegen fehlender Energie fehlen ab und an 80 der 160 PS des Elektromotors. Auf der Geraden fehlten auf Ferrari über 20 km/h. Selbst Hinterbänkler Caterham war fast 15 Stundenkilometer schneller.
"Ich sehe uns sicher nicht in der Favoritenrolle", sagte der Vierfachweltmeister später: "Es liegt noch ein langer Weg vor uns." Dem Überflieger droht in Australien ein Desaster. In der jetzigen Form könnte Vettel sogar die Qualifikation für das Rennen wegen der 107-Prozent-Regel verpassen.
Doch dieses Horrorszenario ist noch längst nicht seine größte Baustelle. "Im Moment haben wir größere Probleme zu lösen als die Geschwindigkeit", sagte Vettel, der in Australien wegen den anfälligen Motoren ein Ausfall-Festival erwartet: "Es wird chaotisch, sicher anders als die Jahre zuvor. Die Zuschauer können gespannt sein." Für Red Bulll wäre schon eine Zielankunft ein Sieg.
Hamilton mit großem Selbstvertrauen
Während die Truppe aus Milton Keynes alle Mühe damit hat, ihre aufkommende Panik in Grenzen zu halten, passt Lewis Hamilton vor lauter Selbstvertrauen und Ehrgeiz kaum noch in seinen Silberpfeil. "Alles in allem war es eine fantastische Winterpause. Wir sind so bereit, wie wir nur sein können", sagte der Ex-Weltmeister entzückt über die gelungenen Vorbereitung, in der sich Mercedes als stärkstes Team präsentierte.
Die Silberpfeile drehten bei den offiziellen Testfahrten 975 Runden, Ferrari 875 und Red Bull lächerliche 316. Für Vettel geht es bis Australien deshalb nur noch um Schadensbegrenzung. "Die zwei Wochen müssen wir gut nutzen, um dann ein bisschen besser auszusehen", sagte er.
Hamilton und sein Kollege Nico Rosberg spulten allerdings nicht nur die meisten Runden an den zwölf Testtagen ab und konnten so wichtige Daten sammeln, sie waren auch beim Tempo immer vorne mit dabei. Wer in der Stuttgarter Zentrale aktuell keine gute Laune hat, braucht Hilfe. Nicht nur das Werksteam liegt vorne. Auch Force India, McLaren und Williams greifen die Spitzenplätze an.
Ferrari sieht Mercedes und Williams vorn
Lediglich Ferrari konnte zuletzt die Mercedes-Dominanz aufbrechen. Iceman Kimi Räikkönen soll in Bahrain sogar zufrieden über die siebtbeste Zeit gelächelt haben - was ja nicht so oft vorkommt. Und sein Kollege Alonso, der im Gesamtklassement Fünfter wurde, tönte: "Wir werden eines der besten Teams sein."
Etwas zurückhaltender war da Teamchef Stefano Domenicali. "Mercedes und Williams sind knapp 1000 Kilometer mehr gefahren als wir. Das ist ein Vorteil für sie", sagte der Italiener: "Mercedes und Williams sind besser vorbereitet als wir. Sie haben mehr Kilometer abgespult und sind schneller. Ich sehe uns hinter den beiden. Aber unser Auto hat noch viel Potenzial. Jetzt ist unsere Entwicklungsabteilung gefragt."
Alles zur Formel 1