1. Die WM ist schon entschieden
Mal ganz im Ernst: Warum gucken sich Millionen von TV-Zuschauern eigentlich jeden zweiten Sonntag ein Formel-1-Rennen an. Der Tipp für die nächsten vier Rennen: Mercedes-Pilot vor Silberpfeil-Fahrer und einem unbedeutenden Dritten. Das ganze wäre noch nicht mal schlimm, würden Lewis Hamilton und Nico Rosberg nicht derart vorsichtig zu Werke gehen, dass sie jedes Risiko einer Kollision vermeiden.
Die Formel 1 ist nicht spannend, weil zwei Fahrer in einem Rennstall gegeneinander kämpfen. Sie ist spannend, weil mehrere Mannschaften gegeneinander kämpfen. Ferrari gegen McLaren, McLaren gegen Williams, Williams gegen Benetton, Williams gegen Ferrari, Ferrari gegen McLaren und Red Bull - die Teamduelle sind das, was die Königsklasse des Motorsports wirklich ausmacht.
Warum die Saison 2014 besser ist als gedacht: Genau so muss Formel 1 sein!
Spannung sucht der langjährige Fan mittlerweile allerdings vergebens. Das, was aktuell passiert, ist schlimmer als die Dominanz von Ferrari zu Schumacher-Zeiten und Red Bull in den letzten Jahren zusammen. Wenn nach fünf Saisonrennen schon sämtliche Fahrer ab Platz 3 der Gesamtwertung den Kampf um die WM abschreiben, dann stimmt etwas nicht. Der Formel 1 droht jahrelange Langeweile.
"Wenn es um eine Evolution des diesjährigen Autos ginge, wäre es sehr schwierig, Red Bull zu stürzen. Sie waren so weit voraus ", sagte Hamilton gegenüber "Autosport" nach der Saison 2013: "Ich bin glücklich, dass nun alle Uhren auf null gestellt werden, ansonsten hätte Red Bull bald fünf, sechs oder sieben Weltmeisterschaften."
Der aktuelle Vorsprung von Mercedes ist aber noch größer, kein anderes Team kann mit dem deutschen Werksteam auch nur annähernd mithalten. "Wir müssen schauen, was die Öffentlichkeit sagt. Wenn die Show ihnen gefällt, ist das fantastisch - wenn nicht, müssen wir uns Gedanken machen", sagte Red-Bull-Technikdirektor Adrian Newey nach dem Saisonstart.
2. Das beste Team wird bestraft
Eins muss man festhalten: Geht es um die Arbeit des Rennstalls, ist Mercedes bei weitem nicht so überlegen, wie es aktuell den Anschein hat. Die Arbeit der Designer und Techniker, die das Auto entwickeln, wird nicht mehr gewürdigt. Stattdessen geht es ausschließlich darum, dass man den richtigen Motor im Heck hat.
Warum liegen drei Mercedes-Kunden hinter den drei Top-Teams auf den Plätzen 4 bis 6 der Konstrukteurswertung? Weil sie einen Mercedes-Vertrag haben. Force India, Williams und McLaren haben kein überragendes Chassis, Lotus dürfte locker mitspielen können. Trotzdem steht das frühere Weltmeisterteam mit läppischen vier WM-Punkten nur auf Platz 8, weil Renault geschlampt hat.
So wie Lotus zum Hinterherfahren gezwungen ist, sind auch die anderen Kunden der Franzosen benachteiligt. Selbst die Marussia und Sauber, die mit dem Ferrari-Aggregat fahren, haben deutlich Probleme. Das liegt nicht nur am geringeren Budget, sondern am Übergewicht der Powerunit.
Der einzig interessante Kampf zweier Piloten bleibt daher weiter das teaminterne Duell. Statt die Formel-1-Teams noch enger zueinander zu bringen, fährt eigentlich jedes Team für sich allein. Hinter Mercedes folgt mit deutlichem Abstand Red Bull, dahinter Ferrari. Von den Überraschungen, die vor der Regelumstellung aus dem Mittelfeld und von ganz hinten versprochen wurden, ist keine Spur.
3. Selbstkritik ist Selbstzerstörung
Hat Sepp Blatter schon mal von sich aus eine Debatte über Korruption bei der WM-Vergabe angestoßen? Nein. Also warum brachte Bernie Ecclestone schon vor der Saison das Thema Lautstärke auf die Tagesordnung? Der 83-Jährige ist - solange nicht in München verurteilt wird - für die Vermarktung der Formel 1 zuständig. Statt im Hintergrund das Produkt zu verbessern und es öffentlich anzupreisen, konterkartiert Ecclestone die Absichten eines Geschäftsmannes.
Warum? Weil er das Geld nicht mehr braucht und noch immer seinen persönlichen Krieg mit FIA-Präsident Jean Todt ausficht. Sicher, der Franzose hat ebenfalls Interessen. Allerdings verfolgt er das Ziel, die Formel 1 zu modernisieren. Ecclestone ist dagegen sauer, dass er den Motorenkampf verloren hat: "Diese Motoren wollte ich nie. Also macht mich dafür nicht verantwortlich."
Dazu kam die Kritik von Red Bull und Ferrari. Auch sie posaunten öffentlich Kritik am neuen Reglement heraus, wo es nur ging. Das Weltmeisterteam ließ es sogar beim Saisonauftakt auf die Disqualifikation von Daniel Ricciardo ankommen, sie kannten schließlich das Reglement und wussten daher, was bei mehrmaliger Warnung durch die technischen Delegierten droht.
Also warum das Risiko und die lautstarke Kritik? Um der Formel 1 zu schaden? Wohl eher, um sie unter Druck zu setzen. Zu groß schien der Leistungsrückstand auf die Mercedes-Triebwerke. Der Kollateralschaden beim Image der Rennserie wurde da gerne in Kauf genommen, um das eigene Ansehen nicht zu belasten. Diese Denkweise muss aufhören, womit wir beim nächsten Punkt sind:
4. Die Formel 1 hat immer noch keinen Plan für die Zukunft
Künstliche Erhöhung der Lautstärke, gescheiterte Kostenreduzierung und eine Beratungsresistenz in Sachen Medien - es ist fast unglaublich, wie sich die Formel 1 präsentiert. Eine offizielle Facebook-Seite? Nicht vorhanden. Interessante Informationen im Internet? Nur in Englisch und auch nur in begrenztem Maße. Die Königsklasse ist noch immer vollkommen abhängig von Fernsehsendern, statt sich eine eigenes Modell zurechtzulegen, mit dem auch bei fehlender TV-Präsenz Einnahmen möglich sind.
Insgesamt verstrickt man sich auf zu vielen, zu kleinen Nebenkriegsschauplätzen. Ein Beispiel? Zur Saison 2014 wurden feste Nummern für die Fahrer eingeführt. Bei ständig wechselnden Helmdesgins könnten sie auch dem Durchschnittsfan Orientierung liefern. Und wo sind die Nummern? Auf dem Helm. Bei mindestens 75 Prozent der Autos ist auf der Seite genug Platz für eine große, klar erkennbare Nummer.
Warum die Saison 2014 besser ist als gedacht: Genau so muss Formel 1 sein!
Viel wichtiger für die Zukunft des Sports ansich wäre jedoch der Kostendeckel, der seit Jahren angedacht ist und förderlich wäre. Ein Team mit fast 1000 Mitarbeitern ist Realität. Vor 40 Jahren reichten knapp 20 Angestellte, um mitzufahren. Mittlerweile würde damit nicht mal mehr die Qualifikation zum Rennen gelingen. Die Konsequenz: Mit Ausnahme der reichen Top-Teams kämpft der Großteil des Feldes Jahr für Jahr, Monat für Monat ums Überleben. Talentierte Fahrer wie GP2-Champion Fabio Leimer bekommen kein Cockpit. Dabei hätte der Schweizer eine Mitgift von über 10 Millionen Euro mitgebracht.
Der einfachste Weg für eine effiziente Deckelung der Kosten? Begrenzt die Anzahl der Mitarbeiter! Sowohl in der Fabrik als auch an der Rennstrecke braucht es keine Hundertschaft. Wer mehr Angestellte will, zahlt einen Obolus an die schlechtesten Teams der letzten Saison. Gleichzeitig könnte die komplizierte Telemetrie eingeschränkt werden. Die Folge: Kein Team in der Fabrik, das live sämtliche Daten auswertet, mehr Unterhaltung für die Zuschauer, wenn ein Fahrer ohne Benzin ausrollt und mal ein Motor spektakulär explodiert. So wie in den guten alten Zeiten.
Formel-1-WM-Stand und Termine im Überblick