Das Rennen in Silverstone erinnerte kurzfristig an mittlerweile vergangene Zeiten. Hitzige Funksprüche tauschten die beiden erfolgreichsten Piloten der letzten Jahre während der Schlussphase des Rennens mit ihren Ingenieuren aus. Beschwerde folgte auf Beschwerde, obwohl es bei den packenden Rad-an-Rad-Manövern nur um Platz fünf ging.
Das Silverstone-Ergebnis in der Übersicht
"Er hat DRS wegen der Streckenbegrenzung in der letzten Kurve bekommen", funkte Alonso seinen Mann im Ohr an: "Er bekommt durch Turn 5 und aus Turn 9 DRS. Was muss ich noch machen?" Die Aufregung hatte einen Grund: Alonso war schon früh im Rennen verwarnt worden, weil er mehrmals die Strecke verließ und sich dadurch einen Vorsprung verschaffte.
"Da war einiges an Adrenalin freigesetzt", sagte Alonso im Nachhinein: "Der Kampf kam zur falschen Zeit. Wir hatten mit dem Team zwei Runden, bevor Sebastian aus der Box kam, diskutiert, ob wir das Auto aus dem Rennen nehmen."
Ferrari hatte arge Probleme mit der Aerodynamik. Am Heckflügel des F14 T kam es zu einem Strömungsabriss. Das Prinzip, das früher mit dem F-Duct auf Geraden absichtlich ausgenutzt wurde, um den Luftwiderstand zu verringern und höhere Endgeschwindigkeiten zu erreichen, hätte ungewollt ausgelöst schwerwiegende Konsequenzen.
Alonso ging hohes Risiko
Ein Flugzeug verliert bei einem Strömungsabriss sämtlichen Auftrieb, wenn der Anstellwinkel für das Flügelprofil zu hoch ist oder die Luft zu nah an die Schallgrenze gebracht wird. Der Flieger kann dadurch einfach vom Himmel fallen. Da das Auftriebsprinzip in der Formel 1 umgekehrt verwendet wird, ist die Konsequenz klar: Das Auto verliert einen Großteil des Abtriebs, was bei den Hochgeschwindigkeitskurven in Silverstone einen heftigen Abflug auslösen würde.
Alonsos Reaktion ist also nachvollziehbar, da er seinen Ferrari irgendwie unter Kontrolle halten musste, und die schlechte Aerodynamik weitere Schwierigkeiten verursachte. "Plötzlich tauchte Sebastian auf, als wir Batterie-Probleme und Stalling-Probleme hatten und Benzin sparen mussten. Da haben wir gesagt, dass es unmöglich ist, ihn hinter uns zu halten."
Allerdings kam Vettel 14 Runden lang nicht vorbei, obwohl er auf den frischeren Reifen etwa zwei Sekunden pro Umlauf schneller war. Alonsos Ehrgeiz wuchs Runde um Runde, obwohl ihm klar war, dass der Red Bull nicht zu halten ist. "Das mit der Streckenbegrenzung war nur dazu da, das Team beschäftigt zu halten", erklärte er.
Natürlich war der Spanier mit seinen wilden Funksprüchen nicht allein. Auch Vettel beschwerte sich mehrmals, Alonso habe mit allen vier Rädern unerlaubterweise die Streckenmarkierung überfahren. "Es wurde albern, als wir beide angefangen haben zu meckern", räumte der 27-Jährige später ein.
Vettel: "Ich musste die ganze Zeit lachen"
Vettels Funksprüche hatten allerdings einen Auslöser. "Ich musste die ganze Zeit lachen, als ich über Funk Anweisungen bekommen habe, nicht außerhalb der Strecke zu fahren. Ich wusste genau, dass er sich vorne beschwert. Sowas macht er immer. Da habe ich dann genau das gleiche gemacht", so Vettel: "Ich weiß nicht, wer die Liste angeführt hat. Da müssten wir wohl die Stewards fragen."
"Ich habe gesehen, dass Sebastian ein paar Mal draußen war und habe ich mich dann nur erkundigt, ob die Limits für alle gelten", erwiderte Alonso. Immerhin gewann er dem Zweikampf etwas Positives ab: "Es hat Spaß gemacht und die Fans hatten auch ihren Spaß."
Letztlich entschied Vettel das Psychospielchen auf der Strecke für sich. Vier Runden vor Schluss ging er vor Copse an Alonso vorbei und beendete das Rennen als Fünfter. Mehr war nicht drin, nachdem Red Bull seinen ersten Stopp viel zu früh gelegt hatte und damit die Tür für eine Ein-Stopp-Strategie dicht machte.
Hamilton triumphiert vor Heimpublikum
Derweil durfte Ricciardo einen Stopp weniger machen als vor dem Rennen geplant, und feierte dadurch mit Hamilton und Valtteri Bottas auf dem Podium. Während der Lokalmatador zu Rennbeginn aufgrund seines selbstverschuldeten sechsten Startplatzes mit deutlichem Respektabstand hinter Teamkollege Nico Rosberg fuhr, fraß er den Rückstand nach seinem ersten Boxenstopp binnen weniger Runden auf.
Der WM-Führende musste wegen seiner Getriebeprobleme immer wieder die Kupplung beim Hochschalten per Hand betätigen. Schließlich rollte der W05 trotz zahlreicher Umstellungen am Lenkrad sogar komplett aus und Rosberg kam zum ersten Mal in der Saison 2014 nicht ins Ziel.
Großbritannien-GP-Analyse: Hamilton siegt nach Rosberg-Defekt
"Ich verwende nur Energie auf Sachen, die ich beeinflussen kann. Das ist abgehakt. Ich muss versuchen das zu akzeptieren. Es geht weiter", versuchte Rosberg schnell den Misserfolg abzuhaken. Schon beim Heimspiel in Hockenheim will er wieder vorn sein: "Das Momentum ist immer noch bei mir."
"Schalte jetzt in den Angriffsmodus"
Doch die technischen Probleme kosteten den Deutschen fast sein komplettes Punktepolster. Nur noch vier Zähler trennen Hamilton noch von der Führung. "Ich ziehe einen Strich unter die ersten neun Rennen. Ich schalte jetzt in den Angriffsmodus", ließ Hamilton wissen, der sein Team und sich in die Pflicht nahm: "Wir müssen uns in gewissen Bereichen immer noch verbessern."
Wie schon in Österreich dauerte sein erster Boxenstopp zu lange. Der Mechaniker am linken Ende des Autos hatte Probleme mit dem Reifen. Letztlich blieb der Fauxpas durch Rosbergs Ausfall ohne Konsequenz. Doch Hamiltons größte Schwäche ist sowieso nicht am Sonntag zu finden.
Es ist das samstägliche Qualifying, bei dem Rosberg mit kontrollierter Fahrweise zuletzt immer wieder Vorteile hatte. "Ich muss einfach nur in den normalen Qualifying-Modus schalten. Das wäre gut", gibt Hamilton zu. Der Deutsche führt im teaminternen Kampf um die bessere Startposition mittlerweile und weiß diesen Vorteil am Sonntag perfekt zu nutzen.
Wolff: "Nico hat das Rennen kontrolliert"
"Ich würde sagen, Nico hat das Rennen kontrolliert", sagte Motorsportchef Toto Wolff später und deutete damit an, dass die vermutete Ein-Stopp-Strategie von Hamilton keine war: "Nico war solide in Führung und hat auch jeden Angriff abgewehrt. Der Abstand hat immer zwischen 3 und 5 Sekunden gependelt und ist nicht kleiner geworden."
Hamilton dagegen war überzeugt, dass er das Rennen sowieso gewonnen hätte. Nachdem er die Nacht mit seinem Bruder Anthony Playstation gespielt hatte und auch dank ein paar Nachrichten von Nicole Scherzinger den Kopf frei hatte, stellte er nach dem Sieg die Wichtigkeit des Publikums heraus.
"Habt ihr den Animationsfilm Monster AG gesehen? Die sammeln da Energie durch Angst. Aber sie erkennen, dass Freude und Lachen viel mehr wert ist. Und das spüre ich, wenn ich hierherkomme", sagte der Sieger. "Das ist genau wie im Film. Es ist einfach ein Boost an Energie. Darum bin ich dankbar für die Unterstützung."
Stand in der Fahrer- und Kontrukteurs-WM