Nach dem relativ problemfreien Doppelsieg in Monza dreht Mercedes sich wieder im Kreis. Zum fünften Mal in dieser Saison sah ein Silberpfeil die Zielflagge nicht. Da können nicht mal Sebastian Vettel und Daniel Ricciardo mithalten, die zusammen nur viermal ausfielen.
Mercedes hat ein riesiges Problem. Die Zuverlässigkeit des W05 ist eines Weltmeisters eigentlich unwürdig, zumal eine gebrochene Bremsscheibe und eine in Flammen aufgehende Power Unit Hamilton in Deutschland und Ungarn das Qualifying versauten. Nur zwei Aufholjagden begrenzten den Schaden.
Analyse Hamilton profitiert von Rosberg-Drama
"Es tut mir unheimlich Leid für Nico", entschuldigte sich Motorsportchef Toto Wolff: "Es ist ein Kabel in der Lenksäule gebrochen. Dieses Kabel war noch in seinem 'Duty Cycle', war noch nicht reif zum Austauschen. Das ganze Teil wird ausgebaut und geht dann noch heute Abend nach England. Dort wird es forensisch analysiert. Weil das kann natürlich nicht sein."
Rosberg: "Es passiert zu oft"
Für Rosberg, der nach Hamiltons Sieg seine Führung in der Fahrer-WM eingebüßt hat und mit drei Punkten Rückstand auf Platz zwei liegt, war das nur ein schwacher Trost. "Wir müssen den Dingen als Team unbedingt auf den Grund gehen, weil es uns zu oft passiert", forderte der 29-Jährige: "Es war richtig hart, vor allem wie es passiert ist - noch nicht mal aus der Startaufstellung loszukommen..." Stattdessen musste sich Rosberg aus der Box ganz hinten einreihen. Chancen auf eine Aufholjagd à la Hamilton hatte er nie.
"Es haben nur noch die Gangwechsel funktioniert. Alles andere war fertig. Es gab auch keine Energie mehr. Nico konnte über den Hybridantrieb nicht mehr überholen. Wir haben nur versucht, da draußen zu überleben", erklärte Wolff: "Wir haben während des Boxenstopps noch einmal versucht, das Lenkrad zu wechseln. Wir hätten das Auto aber nur im ersten Gang bei viel Drehzahl herunterfallen lassen können. Ich habe abgebrochen. Es wäre einfach zu gefährlich gewesen. Es war genug."
Statt den ersehnten fünften Saisonsieg zu feiern und das Momentum nach drei Rennen ohne Triumpf wieder zu drehen, schlug Rosbergs S-Problem zu und klaute ihm Hybrid-Power und DRS. Silverstone und Singapur, als nächstes folgt Suzuka. "Solche Elektronikprobleme sind oft vermeidbar. Das ist echt ein doofes Gefühl, dass eine Kleinigkeit das ganze Rennen zerstört.", erhöhte Rosberg den Druck auf das eigene Team.
Mercedes' Qualitätskontrolle ist mangelhaft
Die Qualitätskontrolle sollte solche Defekte eigentlich verhindern. Bei Ferrari und Red Bull, bei Williams und McLaren scheint sie ordentlich zu funktionieren. Nur Mercedes hechelt seit Saisonmitte deutlich hinterher. Wären die Autos zu Jahresbeginn nicht drückend überlegen gewesen, würden jetzt alle Alarmglocken schrillen. Zumindest für das Jahr 2015 muss die Situation sich aber bessern.
"Ich habe mich im Cockpit schon ordentlich aufgeregt. Da habe ich einiges rausgelassen", erklärte Rosberg seine gefasste Reaktion vor den Mikros der Medien: "Wir hatten schon mehrere Probleme mit der Zuverlässigkeit dieses Jahr. Das ist unsere Schwäche. Das müssen wir ändern. Das Auto muss zu 100 Prozent standfest sein."
Entmutigen lassen will der gebürtige Wiesbadener nicht, verspricht "volle Attacke" beim Japan-GP in zwei Wochen. Bis dahin kann sich sein großer Konkurrent gemütlich entspannen. "Es wäre ein Hardcore-Rennen gewesen, wenn Nico dabei gewesen wäre", gab Hamilton zu. So aber konnte er bis zur Safety-Car-Phase im Sparmodus den Motor schonen. Danach ging es rund.
Hamiltons Überholmanöver war riskant
"Ich habe den Vorsprung so weit wie möglich vergrößert und dann sagten sie: 'Wir brauchen 27 Sekunden.' Ich brauchte noch sechs mehr und meine Reifen fielen auseinander. Ich hab nicht verstanden warum", beschrieb Hamilton die Situation. Als er nach dem Boxenstopp hinter Sebastian Vettel auf die Strecke kam, wusste er wieso.
Hamilton konnte den Führenden spielend leicht überholen. "Die Lücke war ehrlich gesagt ganz schön eng. Vielleicht hätte ich woanders überholen sollen. Aber Sebastian war fair und ich bin vorbeigekommen", sagte der Engländer. Er ging ein hohes Risiko. Chancen auf seinen ersten Saisonsieg hatte der Weltmeister nicht.
Vettels Reifen waren zu alt. "Ich war mir nicht sicher, was er da tut", gab der Deutsche nach seinem besten Ergebnis der Saison zu Protokoll: "Er hatte in der nächsten Kurve auf der Innenbahn genug Platz, aber er konnte wohl nicht länger warten, um wieder in Führung zu gehen."
Letztlich ging alles gut und Hamilton sicherte sich die 25 Punkte. Doch auch an ihm ging der erneute Ausfall des Teamkollegen nicht spurlos vorbei, er jetzt genauso oft wie er mit technischen Problemen ausgefallen ist. "Wir wollen als Team dominant sein. Nach dem Resultat werden sie ans Reißbrett gehen und versuchen herauszufinden, was passiert ist", sagte Hamilton an seine Ingenieure gerichtet: "Die Anderen fangen an, zuverlässiger zu sein als wir. Auf dem Gebiet können wir uns mit Sicherheit verbessern." Immerhin ein Punkt, in dem sich beide Mercedes-Piloten einig sind.
Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM